Covid-19 EU-Arzneibehörde empfiehlt Covid-Booster-Impfung für Immunschwache

Sowohl in Deutschland als auch in Italien werden Hochrisikogruppen bereits seit einigen Wochen ein drittes Mal geimpft.
Düsseldorf Die europäische Arzneimittelbehörde Ema empfiehlt eine zügige Auffrischung der Coronaimpfung für Menschen mit Immunschwäche. Ihnen könnte schon 28 Tage nach der zweiten Impfung eine weitere Dosis der mRNA-Mittel von Biontech und Moderna verabreicht werden. Für Erwachsene mit einem normalen Immunsystem sollte eine Drittimpfung frühestens sechs Monate nach der zweiten Impfung in Betracht gezogen werden, teilte die Ema am Montag mit.
Damit hat die Behörde erstmals eine offizielle Einschätzung zur Verwendung der sogenannten Booster-Impfungen abgegeben. Mehrere EU-Länder haben darauf aber nicht gewartet.
Sowohl in Deutschland als auch in Italien werden Hochrisikogruppen bereits seit einigen Wochen ein drittes Mal geimpft. In Deutschland zählen dazu unter anderem Pflegeheimbewohner und das dort arbeitende Personal. Laut Robert Koch-Institut haben bereits rund 675.000 Menschen eine Auffrischungsimpfung bekommen.
In anderen Ländern wie den USA und Israel ist die Drittimpfung bereits weiter fortgeschritten. Doch ein breiter Einsatz der Booster-Impfungen in der Bevölkerung ist umstritten. Viele Mediziner halten sie beim Großteil der bereits geimpften Bevölkerung noch nicht für nötig. Zugleich ist die Zahl derer, die noch gar nicht geimpft sind, weltweit hoch.
So hat vor wenigen Tagen auch die deutsche Ständige Impfkommission (Stiko) nur eine einschränkende Empfehlung für die Booster abgegeben. Sie hält diese aktuell nur für sinnvoll, wenn bei Patienten ein Immundefekt vorliegt oder wenn diese nach einer Operation mit Medikamenten behandelt werden, die das Immunsystem herunterregulieren.
Die Impfkommission will die Datenlage aber immer wieder neu bewerten. Falls es ab einem bestimmten Alter gehäuft zu Impfdurchbrüchen kommen sollte, könnte die Stiko später durchaus eine allgemeine Impfempfehlung abgeben, beispielsweise gestaffelt für Menschen ab 60, 70 oder 80 Jahren.
Sicherheitsdaten zu Booster-Impfungen noch begrenzt
Betrachtet man allein die Wirkung auf die Immunabwehr, so liefern die vorliegenden Studiendaten gute Argumente für eine dritte Impfung. Laut den Experten der Ema steigt der Antikörperspiegel deutlich an, wenn zweitgeimpfte Erwachsene eine weitere Dosis des Biontech-Mittels bekommen. Die Daten von Moderna werden noch final ausgewertet.
Auf nationaler Ebene könnten die Gesundheitsbehörden unter Berücksichtigung der neuen Wirksamkeitsdaten nun offizielle Empfehlungen für die Verwendung von Auffrischungsdosen abgeben, erklärte die Ema. Sie wies aber darauf hin, dass die Sicherheitsdaten zu Booster-Impfungen noch begrenzt seien und das Risiko von entzündlichen Herzerkrankungen oder anderen sehr seltenen Nebenwirkungen nach einer Auffrischungsimpfung nicht bekannt sei. Dies müsse sorgfältig überwacht werden.
In den USA ist seit Mitte September die Auffrischung mit den Mitteln von Biontech und Moderna für Menschen ab 65 Jahren möglich. Jüngere Personen soll den Booster nur erhalten, wenn sie zu einer Hochrisikogruppe gehören, entschied die US-Gesundheitsbehörde FDA. Damit wird auch in den USA eine Auffrischung für die Bevölkerung nur eingeschränkt empfohlen.
Israel hingegen setzt im Kampf gegen Covid-19 voll auf Drittimpfungen. Dort haben mittlerweile 38 Prozent der Zweifachgeimpften eine dritte Spritze erhalten. Diese Zahl will die israelische Regierung nun deutlich nach oben treiben. Sie verschärft die Coronaregeln im Land: Seit dieser Woche ist der sogenannte „Grüne Pass“, der den Zugang zum öffentlichen Leben erleichtert, nur noch bis zu sechs Monate nach der zweiten Impfung gültig. Er wird erst nach der dritten Dosis verlängert.
Israel hat sehr früh mit Coronaimpfungen begonnen und die Bevölkerung in hohem Tempo gespritzt. Als im Juni bei vielen Israelis ein deutlich gesunkener Antikörperspiegel gemessen wurde, startete das Land mit den Drittimpfungen.
Vorrangig Mutationen verhindern
Israelische Wissenschaftler haben ermittelt: Die ansteckendere Delta-Variante und der nachlassende Immunschutz führen sechs Monate nach einer zweiten Dosis dazu, dass die Wirksamkeit bezüglich einer Infektion auf 50 Prozent fällt – mit dem Booster werde die Wirksamkeit auf 95 Prozent gesteigert.
Auffrischungsimpfungen gegen Covid-19 sind dennoch umstritten, da weltweit Milliarden Menschen nach wie vor noch überhaupt keine Impfung erhalten haben. Experten wir Carsten Watzl von der Deutschen Gesellschaft für Immunologie halten einen Booster aus rein immunologischer Sicht für sinnvoll, weil sich das Abwehrsystem verbessere und länger wirkungsvoll sei.
Watzl hat aber ethische und virologische Bedenken. „Weltweit herrscht immer noch Impfstoffmangel. Durch diesen sterben mehr Menschen, als hierzulande durch eine dritte Impfung gerettet würden.“ Zudem mutiere das Virus vor allem dort, wo es sich ungehindert ausbreiten könne. Dies gelte es vorrangig zu stoppen.
Auch im Fachmagazin „The Lancet“ äußerten Forscher Zweifel an Corona-Auffrischungsimpfungen. „Die bisherige Studienlage zeigt keine Notwendigkeit, in Bevölkerungsgruppen mit wirksamer vollständiger Impfung Booster auf breiter Front zu verabreichen“, hieß es dort.
Die weltweit noch immer begrenzte Anzahl an Impfdosen könne die meisten Leben retten, wenn sie Menschen zugutekomme, die ein erhebliches Risiko für eine schwere Erkrankung haben und noch ungeimpft sind, hieß es dort weiter.
Mit Blick auf die Nebenwirkungen zeigte sich bei den bisherigen Boostern ein unverändertes Sicherheitsprofil. In den USA haben nach Daten der Medizinbehörde CDC mehr als zwei Millionen Menschen bereits eine dritte Impfung erhalten. Die Nebenwirkungen sind, mit denen der ersten Impfung vergleichbar, mild gewesen und nur kurz aufgetreten, zeigen die Überwachungsdaten.
Der amerikanische Impfstoffhersteller Johnson & Johnson hat ebenfalls Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, nach der eine Booster-Impfung mit seinem Wirkstoff Monate nach der ersten Dosis die Wirkung deutlich verstärkt. Der US-Konzern steht dazu in Gesprächen mit den Behörden.
Mit Material von Reuters.
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