Daimler-Bestseller in der Kritik Kunden kommt der Elektro-Sprinter zu spät
Duisburg Der „man of the Van“ ist bester Laune. Volker Mornhinweg hat das Sakko ablegt, unter dem offenen Hemdkrägen glitzert eine goldene Halskette, die blauen Augen strahlen. „Unsere Kunden sind happy“, sagt der Leiter von Mercedes Benz Vans: „Der Markt zieht“. Tatsächlich feiert die Kleintransporter-Sparte von Daimler seit vier Jahren einen Absatzrekord nach dem anderen.
Alleine 2017 verkauften die Stuttgarter weltweit mehr als 400.000 Vans. Mit einer Umsatzrendite von neun Prozent sind die Kleintransporter mittlerweile die zweitprofitabelste Sparte von Daimler nach dem Pkw-Bereich. Und das Geschäft brummt weiterhin. Durch den boomenden Onlinehandel steigt auch das Transportvolumen und beschert der gesamten Branche jährliche Wachstumsraten von gut acht Prozent.
Egal, ob in Europa, den USA oder Südamerika: „Das Wachstum ist überall gut“, freut sich Mornhinweg. Statt auf dem Höhepunkt einmal tief durchzuatmen, will der Manager mit dem lockigen, nach hinten frisierten Haar jetzt aber noch einmal eins drauflegen – mit dem neuen Sprinter.
In einer Fabrikhalle im Duisburger Hafen, die kurzerhand zur Eventlocation umfunktioniert wurde, schwärmt Mornhinweg von der dritten Generation seines „Bestsellers“. Der neue Sprinter sei der „erste Van einer neuen Gattung – eine voll vernetzte Gesamtlösung“. Mercedes will mit Hilfe cleverer Software Fahrzeuge mit Fuhrparkmanagern verknüpfen und das Auto in der Camper-Variante in ein Smart Home auf Rädern verwandeln.
Doch die Kernzielgruppe des Sprinters – Handwerker, Paketdienste, Lebensmittellieferanten und die Bauindustrie – sind alles andere als „happy“. Sie interessiert weniger der neue, digitale Schnickschnack, als vielmehr die Frage nach sauberen Antriebsarten.
„Wir fühlen uns durch die Autoindustrie nicht gut beraten. Seit vielen Jahren fordern wir, dass die Branche endlich in der sogenannten Sprinterklasse und größer Elektrofahrzeuge auf den Markt bringt“, sagte Marten Bosselmann dem Handelsblatt. Der Geschäftsführer des Bundesverbands Paket und Expresslogistik (BIEK) kritisiert, dass seine Branche noch immer weitestgehend auf den Diesel angewiesen ist. Daimler will zwar ab 2019 den neuen Sprinter als E-Variante anbieten, aber das ist nach den Worten von Bosselmann eigentlich zu spät. „Denn schon heute drängen die Städte und Kommunen auf emissionsfreien Verkehr“.
Auch Frank Huster ist verstimmt. „Die Nachfrage nach emissionsarmen oder gar -freien Nutzfahrzeugen sämtlicher Größen ist vorhanden, allein das Angebot fehlt“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbands (DSLV) dem Handelsblatt. Speditionen seien zwar die „Herren der Logistikprozesse“ und könnten Routen und den Auslastungsgrad ihrer Fahrzeugflotten optimieren, aber die „Verantwortung für die Antriebsarten und die technische Ausstattung der Fahrzeuge liegt hingegen bei der Automobilindustrie“.
Bosselmann und Huster treibt das Thema Fahrverbote um. In vielen deutschen Städten werden die von der EU vorgegebenen Stickoxid- Grenzwerte überschritten. Umweltverbände drängen daher die Justiz zum Handeln. Am 22. Februar wird beispielsweise das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Dieselfahrverboten in Düsseldorf erwartet. „Käme es zu solchen Fahrverboten für uns, würden die Innenstädte lahmgelegt werden“, warnt BIEK-Geschäftsführer Bosselmann. Er fordert von der Autoindustrie schnell „saubere Fahrzeuge, die bezahlbar sind“.
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