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Daimler setzt auf DieselZurück in die Zukunft
Durch den Diesel-Skandal bei VW ist eine gesamte Antriebsart in Verruf geraten. Doch in Sachen Wirtschaftlichkeit gibt es kaum Konkurrenz. Das weiß man bei Daimler – und hält am Dieselmotor fest.
In Koelleda montieren Arbeiter der MDC Power einen Dieselmotor. Der Tochter-Konzern von Daimler produziert Motoren.
(Foto: ap)
Stuttgart Die Zukunft hat Ola Källenius stets fest im Blick. Immer mit der neuesten Generation von Smartphones ausgerüstet, ist dem Kronprinzen von Daimler-Konzernchef Dieter Zetsche die Verknüpfung des Autos mit dem Internet genauso wichtig wie dessen Herzstück, der Motor. Der Gegenwart kann er sich trotzdem nicht verschließen. „Der Diesel bleibt auch in den kommenden Jahren unser wichtigstes Aggregat in Europa“, sagte er vor wenigen Wochen auf der Auto-Show in Detroit. Daran werde trotz der Probleme bei anderen Herstellern kein Weg vorbeiführen.
Natürlich war sofort klar, dass der Diesel-Skandal bei Volkswagen gemeint war. Der hat die gesamte Antriebsform in Verruf gebracht. Seither gilt die Technik landläufig als Auslaufmodell. Auch wenn in den Monaten seither der Dieselanteil bei den Neuwagenverkäufen kaum weniger geworden ist. In Deutschland liegt er bei knapp unter 50 Prozent, in Europa sogar darüber. Den Käufern fehlen in puncto Wirtschaftlichkeit schlicht die Alternativen, heißt es zur Begründung. Gerade, wenn sie viel im Auto unterwegs sind.
Die Alternativen fehlen – Daimler weiß das
Bei Daimler, wo sie schon seit 80 Jahren auf den Dieselantrieb setzen, wissen sie das. Und treten mit der Neuauflage des Bestsellers E-Klasse bewusst die Flucht nach vorne an. Ab März soll der neue Dieselmotor, der intern das Kürzel OM 654 trägt, erstmals in eine E-Klasse eingebaut werden. Um jeweils 15 Prozent sollen Verbrauch und Kohlendioxidausstoß dann im Vergleich zu dem seit 2008 gebauten Vorgänger OM 651 sinken. Trotzdem soll er 25 PS mehr Leistung haben, nämlich stattliche 195.
In der Pressemeldung dazu taucht noch Thomas Weber auf, der langjährige Entwicklungsvorstand von Daimler. Und damit der Mann, den Ola Källenius demnächst beerben soll. Bei der Vorstellung des neuen Motors am Donnerstag war jedoch keiner von beiden persönlich dabei. Von Weber war lediglich der Satz zu lesen, dass aus Daimler-Sicht Dieselmotoren in Lkws und Pkws unverzichtbar sind, wenn der CO2-Ausstoß von Fahrzeugen weiter sinken soll.
Der Dieselantrieb hat gerade für Daimler elementare Bedeutung. Ist es doch für den Premiumbauer mit seinen vielen großen und PS-starken Modellen schwieriger als für Volumenhersteller, die hohen Anforderungen der EU an den Emissionsausstoß zu erfüllen. Bei 123 Gramm CO2 pro Kilometer liegt der Durchschnitt der Flotte bei der Marke Mercedes im Moment, 95 Gramm müssen es bis zum Jahr 2020 sein. Sonst drohen hohe Strafzahlungen. Mit einem weiterhin hohen Anteil an Dieselmotoren, die zwar mehr gesundheitsschädliche Stickoxide ausstoßen als Benziner, dafür aber weniger vom Klimakiller Kohlendioxid, wäre das wohl möglich, glaubt Ola Källenius. Deswegen wird auch er keinen radikalen Kursschwenk einleiten.
Auch wenn er bei öffentlichen Auftritten stets betont, dass Daimler schon jetzt „absolut im Spitzenfeld beim CO2-Ausstoß“ liegt. Und dabei immer wieder auf die zehn Modelle mit Plug-in-Hybrid-Antrieb, also der Kombination von Verbrennungs- und Elektromotor, hinweist, die es bis zum kommenden Jahr geben soll. Selbst ein Auto mit Brennstoffzellenantrieb will Daimler dann anbieten. Es wird an Källenius liegen, den Wandel im Konzern voranzutreiben.
Bis dahin geht es darum, dass der neue Dieselmotor ein Erfolg wird. Das würde in einigen Jahren nicht nur hohe Millionenstrafen ersparen. Es geht schlicht auch darum, dass sich die üppigen Kosten von 2,6 Milliarden Euro für Entwicklung und Produktionsumbau für den Dieselmotor amortisieren. Die E-Klasse macht im März den Anfang. In zwei bis drei Jahren sollen alle Modelle von der A- bis zur S-Klasse mit der neuen Motorengeneration verfügbar sein, heißt es. Dazu kommen noch die Transporter für den Handwerker- und Lieferverkehr. Nach Berechnungen des Branchenverbandes VDA fahren 96 Prozent aller leichten Nutzfahrzeuge in diesem Bereich mit einem Dieselmotor.
Nicht nur Geld verdienen, auch Geld sparen
Daimlers neuer Dieselantrieb soll nicht nur Geld verdienen, sondern auch Geld sparen. Vom Vorgänger OM 651 gab es am Ende mehr als tausend Varianten. Unterschiedliche Anforderungen in anderen Ländern und Erdteilen waren der Grund, aber auch Spezifikationen für Schaltgetriebe und Automatik, für Front-, Heck- oder Allradantrieb sowie für Links- und Rechtslenker. „Das hat uns fast in den Wahnsinn getrieben“, berichtet Bernhard Heil, der als Leiter der Produktgruppe Powertrain bei Daimler für die Neuentwicklung zuständig ist. Jetzt gebe es für alle Bereiche die gleiche Hardware, so dass die Zahl der Varianten soweit wie möglich reduziert werden soll.
Wie Daimler geht es im Moment auch dessen wichtigstem Wettbewerber BMW, der intensiv an alternativen Antrieben ‧arbeitet. „Der Diesel wird aber auch 2020 noch der wichtigste Motor in Europa sein“, sagte kürzlich Vertriebsvorstand Ian Robertson. Obwohl die Münchener mit den E-Modellen i3 und i8 als einer der Pioniere des Wandels gelten.
Stickoxide und CO2
Gesundheitsschädliche Stickoxide wie etwa Stickstoffmonoxid und -dioxid kommen in der Natur nur in winzigen Mengen vor. Sie stammen vor allem aus Autos, aber auch aus Kohle-, Öl- und Gaskraftwerken. Dieselmotoren stoßen viel mehr NOx aus als Benziner. Die Stoffe können Schleimhäute angreifen und so zu Husten, Atembeschwerden und Augenreizungen führen. Sie können auch Herz und Kreislauf beeinträchtigen. Pflanzen werden dreifach geschädigt: NOx sind giftig für Blätter, und sie überdüngen und versauern die Böden. Außerdem tragen Stickoxide zur Bildung von Feinstaub und bodennahem Ozon bei. Technisch lassen sie sich mit einem Drei-Wege-Katalysator von Benzinern in unschädlichen Stickstoff (N2) und Sauerstoff (O2) umwandeln. Es bleiben jedoch immer NOx-Reste übrig. Bei Dieselmotoren ist der Abbau von NOx bedeutend schwieriger – er gelingt etwa durch Einspritzung einer zusätzlichen Harnstoff-Lösung in den Abgasstrom.
Der Grenzwert in Pkw-Abgasen für alle Stickoxide zusammen liegt in der EU bei 80 Milligramm pro gefahrenen Kilometer (mg/km) für Diesel- und bei 60 mg/km für Benzinmotoren. Der von der US-Umweltbehörde EPA geforderte Wert liegt im Schnitt bei umgerechnet 43,5 mg/km. Allerdings sind die US-Kontrollsysteme nicht einheitlich, und die Vorschriften können je nach US-Bundesstaat abweichen.
Es ist in nicht allzu großen Mengen unschädlich für den Menschen, aber zugleich das bedeutendste Treibhausgas und zu 76 Prozent für die menschengemachte Erderwärmung verantwortlich. Der Straßenverkehr verursacht nach Angaben des Umweltbundesamts rund 17 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen in Deutschland - hier spielt CO2 die bei weitem größte Rolle. Es gibt zwar immer sparsamere Motoren, zugleich aber immer größere Autos mit mehr PS und mehr Lkw-Transporte. So ist der Treibhausgas-Ausstoß des Verkehrs von 1990 bis 2014 sogar um 0,6 Prozent gestiegen. Die Konferenz von Paris (30. November bis 11. Dezember) soll die Emissionen so verringern, dass sich die Erdatmosphäre um nicht mehr als zwei Grad aufheizt.
In diesem Jahr müssen die Autohersteller in der EU bei ihrer Pkw-Flotte im Durchschnitt einen Grenzwert von 130 Gramm CO2 pro Kilometer erreichen. 2021 sind dann nur noch 95 g/km erlaubt. In den USA liegen diese Schwellen geringfügig höher: Die Vorgabe der Umweltbehörde EPA sieht für die im Jahr 2016 zugelassenen Fahrzeuge einen Grenzwert für Personenwagen von umgerechnet etwa 140 g/km vor. Bis 2025 sinkt der Durchschnittsgrenzwert auf rund 89 g/km.