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Daimler-Vorstand Wolfgang Bernhard „Der E-Truck ist die Königsdisziplin“

Daimler treibt den Bau eines elektrischen Lasters voran. Im Interview spricht Spartenchef Wolfgang Bernhard über summende Lkws, Prioritäten beim autonomen Fahren und die Revolution des Güterverkehrs.
27.07.2016 Update: 28.07.2016 - 06:33 Uhr Kommentieren
Der Nutzfahrzeug-Vorstand von Daimler sieht die Branche vor einer Zeitenwende. Quelle: dpa
Wolfgang Bernhard vor dem ersten Mercedes E-Truck

Der Nutzfahrzeug-Vorstand von Daimler sieht die Branche vor einer Zeitenwende.

(Foto: dpa)

Lkw ist, wenn es brummt und stinkt. Geht nicht anders, sagte bislang auch Wolfgang Bernhard. Doch nun kündigt der Daimler-Truck-Chef die Entwicklung eines elektrisch angetriebenen Lasters an. Der soll den Verteilerverkehr beispielsweise von Lebensmitteln in Städten übernehmen. Zugleich erproben die Stuttgarter das Fahren ohne Fahrer. Schon Anfang des kommenden Jahrzehnts könnten beide Techniken den Gütertransport radikal verändern. Aus Brummis werden dann Summis.

Herr Bernhard, Sie testen Lkws, die autonom fahren, demnächst auch noch elektrisch. Wir dachten, das sei nur im Autogeschäft sinnvoll.
Alles, was die Pkw-Welt beschäftigt, bewegt uns auch: Digitalisierung, autonomes Fahren, Elektroantriebe. Dabei haben wir festgestellt, dass diese Themen in der Truckwelt oftmals noch relevanter sind als im Pkw-Geschäft.

Warum?
Nehmen Sie das autonome Fahren. Eigentlich ist es viel plausibler, diese Technologie auf der Autobahn einzuführen, bevor man es in der Stadt versucht. Die Verkehrssituation ist dort wesentlich einfacher. Außerdem werden Lastwagen sehr viel mehr gefahren als Pkws. Der Nutzen ist also größer. Deshalb steht das autonome Fahren mit dem Lkw auf der Autobahn ganz oben auf unserer Prioritätenliste. Dass wir das können, haben wir ja schon mehrfach gezeigt.

In der Stadt sehen Sie keine Anwendungen?
Doch, wir testen gerade in Amsterdam einen teilautonomen Bus. Damit zeigen wir, dass es möglich ist, auch im Realbetrieb auf einer Buslinie teilautonom zu fahren. Das Anfahren von Haltestellen ist dabei besonders kritisch bezüglich Sicherheit und Präzision. Bei unserem Future Bus erledigt das der Computer, der Fahrer wird entlastet. Außerdem wollen wir den Stadtbus attraktiver machen. Es gibt viele Ideen. Zum Beispiel einen Lounge-Bereich für Kunden, die länger fahren. Und Express-Bereiche für Menschen, die relativ schnell ein- und aussteigen.

Das autonom fahrende Auto braucht viele Daten. Wie ist es beim Lkw?
Bei uns ist die Konnektivität noch wichtiger, denn das Verarbeiten von Echtzeit-Informationen ist für den Lastwagen entscheidend. Der Kunde muss zu jeder Zeit wissen, wo sein Lkw ist, welche Güter er geladen hat und ob noch Platz ist. Er muss wissen, wie viel Lenkzeit der Fahrer noch hat und wie es dem Lkw geht. Diese Schnittstelle gab es früher nicht, aber das ändert sich jetzt. Schon heute sind bei uns über 360 000 Laster mit Telematik unterwegs. Ab Anfang 2017 werden wir dann in alle neuen Lkws ein mobiles Datencenter einbauen – unsere universelle Schnittstelle des Trucks ins Internet.

Was hat der Kunde davon?
Wir werden Anfang nächsten Jahres einen neuen Service einführen, „Mercedes Uptime“. Es geht darum, die Verfügbarkeit der Lastwagen über diese Schnittstelle zu steigern. Der Lkw sendet permanent seine Betriebsdaten an uns. Wenn wir Auffälligkeiten feststellen, analysieren wir die Fehlermeldungen und können dem Betreiber sagen, was zu tun ist. Wenn es Probleme gibt, dann können wir ihm auch sagen, wie man sie beheben kann. Wir weisen ihn in eine Werkstatt, wo wir auch gleich die passenden Ersatzteile haben. Wir haben bereits 1 400 Lkws mit diesem Service in Betrieb, und die Kunden sind begeistert.

Nun kündigen Sie einen Elektrotruck an – dessen Sinn Sie bislang bezweifelten.
Wir waren bislang sehr zurückhaltend. Wir haben 2009 die ersten Elektro-Vans auf den Markt gebracht, und es hat sich gezeigt, dass die Batteriekosten für den Nutzfahrzeugbereich zu hoch sind. Anders als im Pkw-Geschäft investiert der Kunde nicht, wenn es sich nicht rechnet. Wir stehen jetzt aber vor einer Zeitenwende. Die Kosten für Batterien bewegen sich allmählich im Bereich von 200 Euro pro Kilowattstunde, künftig vielleicht auch noch niedriger. Gleichzeitig steigt die Leistungsfähigkeit.

Beim Auto hilft man sich mit Hybridantrieben…
Anders als bei Pkws ist beim Einsatz von Lastwagen deutlich zwischen Kurz- und Langstrecke zu trennen. Auf der Kurzstrecke, also im Verteilerverkehr, wird es viel einfacher sein, auf Elektro umzusteigen. Es wird also im Lastwagenbereich keine Hybride geben, da sie zu teuer sind und der Nutzen zu gering ist. Wir werden gleich einen vollelektrischen Lastwagen entwickeln.

Wie sieht der aus?
Es ist ein schwerer Lkw von Mercedes-Benz mit 26 Tonnen Gewicht für den Verteilerverkehr. Die Nutzlast ist kaum geringer als bei einem Diesel-Lkw. Wir haben die Belieferung im Stadtverkehr im Sinn, zum Beispiel Kühltransporte. Hier werden schwere Lkws eingesetzt mit einem Tagespensum von 50 bis 200 Kilometer. Wir glauben, dass sich mit diesem Konzept in den nächsten Jahren die ersten Anwendungen rechnen.

Wann wird das Auto auf den Markt kommen?
Anfang des kommenden Jahrzehnts. Das wird die gesamte Diskussion um urbane Mobilität verändern. Wir haben heute schon viel Erfahrung mit unseren leichten Elektro-Trucks von Fuso. Beim Elektroantrieb im Truck gilt: Leicht ist leicht, und schwer ist schwer. Der eTruck von Mercedes-Benz ist jetzt die Königsdisziplin.

Die Städte setzen ohnehin darauf, Verbrennungsmotoren zu verbannen.
Ja, aber wenn wir über die Kosten für solche Technologien gesprochen haben, war das Thema bislang schnell vom Tisch. Ein elektrischer Bus kostet eben ein paar Hunderttausend Euro mehr, das war bislang zu viel. Jetzt wird die Kombination von sinkenden Batteriekosten und steigender Reichweite langsam attraktiv.

Dann muss die Nachfrage ja bald sehr groß sein.
Wir haben schon Anfragen und Anzeichen, dass wir relativ schnell in Stückzahlen kommen können. In Europa sind zehn Prozent schwere Verteiler-Lkws. Dieses Segment könnte langfristig auf Elektroantriebe umgestellt werden. Die geräuscharmen Lkws eignen sich besonders für Innenstädte.

Die Zeit ist reif für einen Elektro-Lkw – zumindest ein bisschen
Maue Aussichten beim Lkw
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Elektroautos sollen die Basis für den Verkehr der Zukunft bilden – so viel ist klar. Ob der Strom dabei aus einer Batterie oder einer Brennstoffzelle kommt, ist zweitrangig. Hauptsache CO2-neutral. Das Problem: Autos stehen nur für einen Teil des Straßenverkehrs. Während bereits einige wenige Elektro-Motorräder und -Roller unterwegs sind, sieht es an einer anderen Front bislang eher mau aus: bei den Lkw.

(Foto: Daimler)
Mercedes-Benz eTruck
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Mit dem Elektro-Lastwagen zeigte Daimler im Vorfeld der Nutzfahrzeug-IAA, wie man sich einen Elektro-Truck vorstellt – und das in einer seriennahen Form.

(Foto: Daimler)
Bahn frei für die Elektrifizierung
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„Bislang war der Einsatz von Elektroantrieben im Lkw extrem limitiert. Mittlerweile entwickeln sich Kosten, Leistung und Ladedauer so rasant weiter, dass wir für den Verteilerverkehr jetzt eine Trendwende sehen: Die Zeit ist reif für den Elektro-Lkw“, sagt Daimler-Truck-Vorstand Wolfgang Bernhard. „Mit dem Mercedes-Benz Urban eTruck elektrifizieren wir jetzt den schweren Verteilerverkehr bis 26 Tonnen.“ Zwischenstufen wie Plug-in-Hybride will Bernhard aber auslassen – der Markt für Nutzfahrzeuge unterteile sich klar in die beiden Bereiche Fernverkehr und Verteilerverkehr – für den einen den Diesel, für den anderen der Elektro-Truck. Mischformen wie bei den Pkw-Kollegen gebe es laut Bernhard kaum.

(Foto: Daimler)
Der Diesel bleibt
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Das Stichwort ist hier Verteilerverkehr: Die Langstrecken-Trucks auf der Autobahn werden also vorerst weiterhin mit Diesel fahren. Hier reichen die Batterien noch nicht aus. Der Urban eTruck bietet bei einer mit dem Diesel vergleichbaren Nutzlast eine Reichweite von bis zu 200 Kilometern bei voller Nutzlast – was laut Daimler für den innerstädtischen Transport ausreicht. „In Städten können Elektro-Lkw in naher Zukunft Realität werden“, sagt Bernhard.

(Foto: Daimler)
Gegen Dreck und Lärm
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Die Herausforderung: Weltweit ziehen immer mehr Menschen in die Stadt, bis 2050 werden laut der UN 70 Prozent der Weltbevölkerung in Großstädten leben – und müssen entsprechend mit Gütern versorgt werden. Zugleich werden aber die Grenzwerte für Luftqualität und Lärmpegel immer strenger, die Einfahrrestriktionen immer größer. „Metropolen wie London oder Paris erwägen inzwischen, künftig Verbrennungsmotoren aus den Stadtzentren zu verbannen“, so Bernhard. „Das bedeutet: in Zukunft werden dort vollelektrische Lkw die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln oder anderen Gütern des täglichen Bedarfs sicherstellen.“ Oder wie Stefan Buchner, Leiter Mercedes-Benz Trucks hinzufügt: „Dann ist nicht nur der Apfel im Supermarkt bio, sondern auch der Transport dahin.“

(Foto: Daimler)
Neue Batteriezellen als Durchbruch
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Bis vor Kurzem waren vollelektrische Lastkraftwagen beinahe undenkbar: Die Batterien waren zu groß und zu teuer, die Reichweite viel zu gering. Möglich wird der Elektro-Lkw jetzt durch bessere Batteriezellen: Daimler Trucks erwartet, dass die Kosten für die Batterien eines vollelektrischen Lkw von 1997 bis 2025 um den Faktor 2,5 sinken werden – von 500 Euro/kWh auf 200 Euro/kWh. Gleichzeitig steigt die Leistung in diesem Zeitraum um den gleichen Faktor von 80 Wh/kg auf 200 Wh/kg.

Neuer Antrieb, neue Achse
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Basis für den Urban eTruck bildet ein schwerer dreiachsiger Verteiler-Lkw von Mercedes. Bei der Karosserie ist der eTruck kaum von einem Diesel-Lkw zu unterscheiden – wenn der Aufbau montiert ist. Denn ohne die Transportbox wird das neue Antriebskonzept sichtbar. An die Stelle des konventionellen Antriebsstrangs tritt eine elektrisch angetriebene Hinterachse mit Elektromotoren unmittelbar neben den Radnaben. Die neue Achse wurde abgeleitet aus der E-Achse des Mercedes-Benz Citaro Hybrid Busses.

(Foto: Daimler)

Wie rechnet sich denn ein Elektrotruck?
Auf der einen Seite stehen höhere Anschaffungskosten für Lkws und Ladeinfrastruktur, auf der anderen Seite aber deutlich niedrigere Betriebskosten. Statt Diesel zahlt man Strom. Und die Wartungskosten sind niedriger. Beim Elektromotor bewegen sich weniger Teile, die verschleißen können. Und sie brauchen kein Öl mehr, keine Luftfilter. Je größer die Flotte, umso schneller wird es sich für den Betreiber rechnen.

Wie ernst müssen Sie neue Herausforderer nehmen? Ob das nun Teslas Ableger Nicola Motors ist oder Hersteller aus China, die bei der Elektrifizierung schneller sein könnten.
Es ist doch eine Frage des Timings. Sind sie zu früh, verlieren sie Milliarden. Kommen sie zu spät, verlieren sie den Markt. Ich kenne niemanden, der mit E-Autos derzeit Geld verdient. Im Lkw-Bau haben wir über 120 Jahre Erfahrung, die nutzen wir auch für dieses Produkt.

Wenn Sie die Autos vernetzen, fallen Daten an. Der Service-Anteil wird steigen. Wie sieht es beim Lkw aus?
Das bleibt abzuwarten. Ich erinnere an den Hype der New Economy, als es hieß, alles wird elektronisch abgewickelt und die Hardware ist nur noch ein Wurmfortsatz. Es ist dann doch anders gekommen. In diese Spur sollten wir also nicht noch einmal geraten. Das Internet mit all seinen Möglichkeiten bietet große Chancen, keine Frage. Aber das Hardwaregeschäft bleibt die Basis des Geschäfts. So wird es bleiben.

Geben Sie uns doch einen Ausblick auf die Zukunft, in der alle diese Dienste da sind?
Im Jahr 2025 wird sich der Güterverkehr grundlegend gewandelt haben. Güter werden von hocheffizienten Lang-Lkws autonom und im Verbund über lange Strecken transportiert. Dabei wird es langfristig nicht ohne den Diesel gehen. Vor der Stadt werden Waren dann an zentralen Punkten in kleinere Nutzfahrzeuge umgeladen, die elektrisch betrieben Tag und Nacht die Innenstädte versorgen. Und alle Akteure des Logistiksystems sind über das Internet miteinander vernetzt.

Gibt es mehr oder weniger Verkehr?
Mehr – und wir werden alles daran setzen, diese Mehrlast auch zu bewältigen. Die Logistikkosten werden dabei deutlich sinken, da eine Spedition ihre Lkws 24 Stunden durchfahren lassen kann.

Ob nun das autonome Fahren oder die Elektrifizierung. Das alles kostet viel Geld. Ist die Rendite von acht Prozent langfristig erreichbar?
Wir haben uns gut entwickelt, obwohl es in Ländern wie Brasilien katastrophal lief. Es ist also möglich, in diesem Geschäft eine Rendite von acht Prozent zu erwirtschaften. Im zweiten Quartal waren wir mit 7,6 Prozent wieder nah dran.

Vielen Dank für das Interview, Herr Bernhard.

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