Deutsche Hersteller verunsichert: Chinas Elektroauto-Revolution von oben
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Deutsche Hersteller verunsichertChinas Elektroauto-Revolution von oben
Peking setzt radikaler als andere auf E-Mobilität. Die KP-Chefs drängen ihre Autobauer zum Verkauf von Elektroautos – vor allem heimischer Marken. Deutsche Hersteller geraten auf dem weltgrößten Markt unter Druck.
Der chinesische Hersteller von Elektroautos steht an der Weltspitze und verkauft damit sogar mehr Elektrofahrzeuge als Tesla.
(Foto: AP)
Peking, Paris China schafft Fakten in Sachen Elektromobilität, und zwar radikal. Pekings Industrieministerium hat einen Plan vorgelegt, der die führenden Autobauer der Volksrepublik zwingen soll, mehr Elektroautos und Hybridmodelle zu verkaufen. Das Ziel: Im Jahr 2018 sollen batteriebetriebene Fahrzeuge mindestens acht Prozent des Absatzes der großen Hersteller ausmachen. Zudem hat die Behörde in einem weiteren Papier angekündigt, dass 2020 mindestens 70 Prozent aller in China verkauften E-Autos von chinesischen Marken stammen sollen.
Das sind für die deutschen Autobauer besorgniserregende Entwicklungen. Volkswagen ist zwar Marktführer in China; Audi, Mercedes und BMW dominieren das Premiumsegment. Doch beim Thema Elektroautos sind die Marken bislang schwach aufgestellt. Daimler-Chef Dieter Zetsche sieht ein „klares politisches Interesse“ der chinesischen Führung, mit der Elektromobilität die eigene Industrie zu fördern.
Mehrere große deutsche Autobauer sind bereits bei ihrer Botschaft in Peking vorstellig geworden. Sie haben Sorge, aus dem weltgrößten Automarkt gedrängt zu werden. Nach Handelsblatt-Informationen hat der deutsche Botschafter in einem Brief an Industrieminister Miao Wei auf schnelle Klärung gedrängt – die Antwort steht noch aus.
Der jüngste Plan des Pekinger Industrieministeriums hat es in sich: Der Umbau des Automarkts in China soll nicht nur die Luft in den Städten verbessern, sondern gleich auch noch die Wettbewerbssituation der heimischen Hersteller. China setzt dabei voll auf den elektrischen Antrieb. Die E-Mobilität wird so mächtig vorangetrieben wie sonst nirgendwo auf der Welt. Schon 2020 soll der Anteil der Elektroautos an den verkauften Fahrzeugen eines Herstellers bei etwa zwölf Prozent liegen – und später weiter steigen. „Es ist zu befürchten, dass dabei nicht nur umwelt-, sondern auch industriepolitische Ziele verfolgt werden könnten“, orakelte ein europäischer Diplomat gegenüber dem Handelsblatt.
Zwei Drittel der in China verkauften Elektroautos und Hybrid-Fahrzeuge stammen derzeit bereits von chinesischen Marken, wie der Branchendienst CAAM ausgerechnet hat. Und das soll offenbar so bleiben.
Die Ankündigung des Industrieministeriums liest sich nämlich so, dass im Jahr 2020 mindestens 70 Prozent aller in China verkauften E-Autos und Hybridwagen von rein chinesischen Firmen stammen sollen. Das heißt: Bei steigendem Anteil der E-Mobilität könnten die ausländischen Hersteller weiter Marktanteile verlieren.
Ein echtes Problem für deutsche Hersteller. Die Marke VW etwa verkaufte 2015 rund 45 Prozent der 5,8 Millionen produzierten Autos in China. Audis China-Anteil liegt bei 28 Prozent, der von BMW bei 20, der von Daimler bei 14 Prozent. Und bei Elektroautos spielen die deutschen Hersteller bisher in China so gut wie keine Rolle. Ihre verkauften Stückzahlen reichen über ein paar Hundert Autos nicht hinaus. „Für deutsche Autohersteller ist das ein großer Nachteil. Sie haben den Trend zu Elektroautos in China verschlafen“, glaubt Jost Wübbeke, der beim Berliner China-Forschungsinstitut Merics das Programm Wirtschaft und Technologie leitet.
Daimler-Chef Dieter Zetsche sagte dem Handelsblatt auf dem Pariser Autosalon: „Logischerweise will China hier eine wichtige Rolle spielen.“ Weil das bei den Verbrennungsmotoren nicht gelungen sei, suche das Land jetzt seine Chance mit dem Elektroantrieb. Offen sei, ob sich die Industrie künftig auf Quoten oder die Vorgabe einrichten muss, eine gewisse Zahl von Elektroautos vor Ort zu bauen. „Man wird auf jeden Fall nur erfolgreich sein, wenn man in China Elektroautos vor Ort baut“, sagt Zetsche. Es mache ja auch keinen Sinn, „tonnenschwere Elektroautos zu verschiffen“.
Wie sich die Autoriesen elektrisieren
Unter Strom
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Die Zukunft fährt elektrisch. In einer Studie hat das Center of Automotive Management (CAM) der FH Bergisch-Gladbach die elektrischen Strategien untersucht. Insbesondere die deutschen Hersteller müssen nun die Aufholjagd starten, sagen die Wissenschaftler. Was die Konzerne planen – und wie viel elektrische Autos sie in Deutschland verkaufen.
Noch im Jahr 2012 wurde der Ampera zu Europas Auto des Jahres gekürt. Wirklich erfolgreich wurde der Plug-in-Hybrid aber nie. Im ersten Halbjahr 2016 verkaufte Opel kein einziges elektrisches oder halbelektrisches Auto. Das soll sich bald ändern. In Paris zeigen die Rüsselsheimer den Ampera-E: ein reines Elektroauto mit 400 Kilometern Reichweite, das mit dem Vorgänger nur den Namen gemein hat.
(Foto: obs)
Ford – Noch einmal mit Gefühl
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Nur zwei Mal wurde der Ford Focus Electric im ersten Halbjahr in Deutschland verkauft. Ford hat bei der Elektromobilität bislang wenig zu bieten. Darum sollen nun 4,5 Milliarden Dollar in die Entwicklung der Elektromobilität investiert werden. Bis 2020 sollen 40 Prozent aller Ford-Modelle elektrifiziert werden.
(Foto: dapd)
Toyota – der skeptische Weltmarktriese
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Obwohl die Japaner massiv auf den Hybrid setzen, geht die Elektrifizierung bei Toyota noch nicht sonderlich weit. Gerade einmal 22 Exemplare des Prius Plug-in-Hybrid wurden im ersten Halbjahr in Deutschland verkauft. Und ein reines Elektroauto hat Toyota derzeit nicht mal im Angebot.
(Foto: AP)
PSA (Peugeot und Citroen) – Franzosen mit Nachholbedarf
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Die Schwestermodelle Peugeot iOn und Citroen C-Zero kommen langsam in die Jahre. Mickrige 79 Exemplare wurden im ersten Halbjahr in Deutschland zugelassen. Gemeinsam mit Dongfeng haben die Franzosen darum eine Elektro-Plattform entwickelt, auf der bis 2021 sieben reine Elektroautos entstehen sollen. Insgesamt will PSA bis dahin elf elektrische Modelle anbieten.
Die koreanischen Schwesterkonzerne wollen bei der elektrischen Mobilität vornewegfahren. Die 302 verkauften Elektroautos im ersten Halbjahr gehen vor allem auf das Konto des Kia Soul EV. Mit dem neuen Ioniq will Hyundai als erster Hersteller ein Modell anbieten, das als Hybrid, Plug-in-Hybrid und als reines Elektroauto erhältlich sein soll.
Wer große SUV wie den Volvo XC90 baut, der braucht elektrische Hilfe – schon alleine um die strengen Abgaswerte einzuhalten. Rund 468 Plug-in-Hybride haben die Schweden mit der chinesischen Mutter im ersten Halbjahr in Deutschland verkauft. 2019 soll das erste Elektroauto mit einer Reichweite von 500 Kilometern vorgestellt werden.
Mercedes hat in Paris seine neue Elektromarke EQ vorgestellt. Dazu zählt auch ein elektrisch betriebener Geländewagen, der 2019 in Serie gehen soll. Zetsche kündigte an, dass die neuen Elektroautos in allen wichtigen Märkten – Europa, USA und China – vor Ort gebaut werden sollen.
Jochem Heizmann, China-Vorstand bei Volkswagen, sieht den neuen Elektroplan der chinesischen Regierung indes nicht als Bedrohung für den Wolfsburger Automobilkonzern. VW komme mit seinen Elektromodellen auf dem chinesischen Markt „nicht zu spät“. Und man werde auch die Forderung nach künftiger lokaler Produktion von Elektrofahrzeugen in China erfüllen können.
So soll im Jahr 2020 das erste rein von einer Batterie angetriebene Fahrzeug für China auch tatsächlich dort produziert werden. Der VW-Konzern ist damit in China etwa genauso schnell wie in Deutschland und Europa, wo ein rein batteriegetriebenes Modell ebenfalls im Jahr 2020 von den Bändern laufen soll. Volkswagen will in der Zwischenzeit immer wieder auch die sogenannten Plug-in-Hybrid-Modelle nach China exportieren. Hinter vorgehaltener Hand äußern mehrere große deutsche Autobauer allerdings die Sorge, langfristig aus dem vielversprechenden Markt gedrängt zu werden. Alarmiert wandten sich die Unternehmen an die deutsche Botschaft. Auch die Europäische Kommission beschäftigte sich bereits mit dem Thema.
Eine Delegation aus Brüssel versuchte in Peking, Klarheit zu bekommen. Denn schon jetzt sei es so, dass europäische Unternehmen mit Produktion in China sowie Gemeinschaftsfirmen mit chinesischen Partnern von lukrativen Kaufprämien und in einigen Städten von Erleichterungen etwa bei der Vergabe von Nummernschildern ausgeschlossen blieben.
Chinas E-Mobil-Hersteller
Der chinesische Hersteller von Elektroautos steht an der Weltspitze und verkauft damit sogar mehr Elektrofahrzeuge als Tesla. Im ersten Halbjahr steigerte das Unternehmen seinen Absatz von E-Autos um 131 Prozent auf 49 .000 Fahrzeuge.
Der Pekinger Autobauer BAIC gehört zu den Staatskonzernen, die relativ früh auf das E-Segment gesetzt haben. Auch die E-Fahrzeuge von Anhui Jianghuai Automobile (JAC) haben einen so guten Ruf, dass die Firma ihren Absatz im ersten Halbjahr fast verdreifacht hat. Der Schanghaier Autobauer SAIC ist der zweite der großen Staatskonzerne, der neben BAIC stärker auf E-Autos setzt.
Doch die EU-Beamten mussten unverrichteter Dinge wieder abziehen. In den Gesprächen bei chinesischen Ministerien wollte sich niemand festlegen, wie der Fahrplan genau zu verstehen sei, hieß es aus diplomatischen Kreisen. Auch die Bundesregierung und die deutsche Botschaft in Peking schalteten sich in den Fall ein. In einem Brief wandte sich Botschafter Michael Clauss Ende Juni direkt an Miao Wei, Chinas Minister für Industrie und Informationstechnologie, und drängte auf schnelle Klärung.
Schließlich hatte Miaos Behörde den Fahrplan der Expertenkommission veröffentlicht, die die Marktanteile chinesischer Hersteller festschreibt. Das Dokument ist bis heute auf der Internetseite des Ministeriums abrufbar. Doch Miao reagierte bislang nicht.
Die Pläne von Minister Miao gehen ohnehin weiter. Seine Behörde hat nicht nur Ziele für den Marktanteil chinesischer Hersteller bei E-Autos aufgestellt. Sie hat auch schon festgelegt, dass sich ähnlich wie beim Emissionsrechtehandel Hersteller, die die E-Auto-Quoten nicht erfüllen, freikaufen können.
Das wird in keinem Fall die chinesischen, sondern nur die ausländischen Hersteller treffen. Damit verlören sie im schlimmsten Fall nicht nur Marktanteile, sondern müssten auch noch Geld an ihre Konkurrenten zahlen.