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Die Krupp-Nachfahren im Interview „Beitz hat sich bis zuletzt gerächt“

Thyssen-Krupp ist – wieder einmal – im Umbruch. Und die Nachfahren der Gründerfamilie müssen zusehen. Im Interview erklärt der Familienrat, wie sie einst ausgebootet wurden – und dem Konzern heute dennoch helfen könnten.
25.10.2017 - 08:11 Uhr Kommentieren
Sie bilden den Familienrat der heutigen Krupp-Generation.
Diana Friz sowie ihre Cousins Eckbert (l.) und Friedrich von Bohlen und Halbach

Sie bilden den Familienrat der heutigen Krupp-Generation.

Eckbert von Bohlen und Halbach ist ein höflicher, ruhiger Mann, der keineswegs aufdringlich erscheinen will. Nur subtil lässt der Industrieunternehmer durchblicken, wie wichtig es ihm ist, dass er den Zugang zu den gediegenen Räumlichkeiten des Düsseldorfer Industrie-Clubs keineswegs dem Umstand verdankt, Neffe des letzten Alleinerben des Krupp-Konzerns zu sein. Auch seine Cousine Diana Friz und Cousin Friedrich von Bohlen und Halbach betonen die Eigenständigkeit ihrer jeweiligen unternehmerischen Aktivitäten. Und doch eint die drei Nachfahren Friedrich Krupps, die heute den Familienrat der Großfamilie bilden, der Ärger darüber, wie der Dax-Konzern Thyssen-Krupp gerade mit dem Erbe ihrer Dynastie umgeht.

Frau Friz, die Herren von Bohlen und Halbach: Thyssen-Krupp, der Nachfolgekonzern Ihrer Familiendynastie, will sich von seiner Stahlsparte trennen. Ärgert Sie das? Würden Sie vielleicht gerne mit den Arbeitern demonstrieren?
Diana: Wir fühlen mit, keine Frage. Aber wir sind ja selbst Unternehmer und wissen, dass Unternehmer manchmal harte Entscheidungen treffen müssen.
Eckbert: Wir verstehen die Sorgen der Mitarbeiter. Allerdings ist es ist nicht unsere Rolle, mit wehenden Fahnen voranzumarschieren. Wir haben ja unternehmerisch nichts mehr mit dem Konzern zu tun, wir sind auch in keiner Form gegen die heutige Geschäftsführung. Allerdings sehen wir aufgrund unserer Familientradition die Belange der Arbeitnehmer an erster Stelle.

Wird das derzeit am Stahl-Standort Duisburg beherzigt?
Friedrich: Dass Unternehmen sich reorganisieren und Sparten verkauft oder abgespalten werden, hat ja Sinn und wird auch hier nicht vermeidbar sein. Das Traurige ist, dass es dabei auch um Tausende von Menschen, deren Existenz und den Wohlstand am Standort geht. Und dass das mit vorausschauendem Unternehmertum in der Form vermeidbar gewesen wäre.
Eckbert: Keine Firma kann 200 Jahre lang das Gleiche machen. Auch bei der Firma Krupp hat es immer Veränderungen gegeben, mal war sie Einzel-, mal Aktiengesellschaft. Aber solange die Firma im Familienbesitz war, hat man immer versucht, die Härten zu mildern.

Wie könnte das aussehen?
Diana: Das müsste jetzt die Stiftung machen: Ihr Geld dafür verwenden, soziale Härten bei den Arbeitnehmern auszugleichen. Ob das passiert, wissen wir nicht, wir sind ja leider nicht in der Stiftung vertreten.

Vom Erbe der Familie Krupp ist nicht mehr viel übrig geblieben. Quelle: dpa
Konzernzentrale von Thyssen-Krupp in Essen

Vom Erbe der Familie Krupp ist nicht mehr viel übrig geblieben.

(Foto: dpa)

Wären Sie das gern?
Eckbert: Ja. Denn Mitfühlen ist schön, aber das nützt ja nicht viel, wenn dort wirklich 2 000 Menschen arbeitslos werden.
Diana: Die Familie sollte in der Stiftung vertreten sein. Sie sollte wissen, ob die Gelder der Stiftung so verwendet werden, wie es unser Onkel Alfried in seinem Testament vorgesehen hat.

Die Krupp-Erben sind in der Krupp-Stiftung nicht vertreten. Hätte es Möglichkeiten gegeben?
Friedrich: Davon sind wir überzeugt. Da geht es um den berühmten Strich: Im Entwurf für eine Stiftungssatzung, die der letzte Firmenchef aus der Familie, unser Onkel Alfried, vor seinem Tod 1967 aufgesetzt hat, ist ein Passus, der die Familie vorsieht. Aber der ist durchgestrichen. Ohne Paraphe. Berthold Beitz sagt, das hätte Alfried gemacht. Das glauben wir nicht.
Diana: Die Familie ist damals selbstverständlich davon ausgegangen, dass wir in der Stiftung vertreten sein würden.

Woher nahmen Sie diese Selbstverständlichkeit?
Diana: Die Firma ist über Generationen hinweg immer nur an einen vererbt worden, und die Familie hat das mitgetragen, um die Einheit zu wahren. Natürlich haben die Familienmitglieder nicht am Hungertuch genagt. Unsere Eltern erhielten in den 1950er-Jahren pro Stamm elf Millionen Mark, was damals eine gewaltige Summe war. Aber in Relation zum Gesamtwert der Firma war das nur so viel, wie die Firma aufbringen konnte, ohne existenziell gefährdet zu sein.

Der Rest der Familie war damit außen vor?
Eckbert: Es gab immer einen Familienrat, dem gegenüber der Alleinerbe Auskunftspflicht hatte. In diesem Rat werden alle Familienangelegenheiten besprochen, ein Konzil tritt nach außen hin auf. Sie kennen das ja aus anderen Familien, die zerstritten sind, das wollten wir vermeiden.
Diana: Diesen Rat gab es über alle Generationen hinweg, er hat gesichert, dass die Familie eingebunden und informiert war – und es im Gegenzug hingenommen, sich enterben zu lassen. Das hat Herr Beitz dann leider anders gesehen.

Warum wollte Beitz die Familie nicht in der Stiftung haben?
Diana: Beitz konnte wie kein Zweiter seine Macht verwalten. Er wurde nach dem Krieg von Alfried geholt, als der 1951 aus der Gefangenschaft kam. Er war der böse Krupp, der Waffen produziert hatte. Also hat er jemanden gesucht, der frei von diesem Makel war. Das hat er damals ziemlich plötzlich selbst entschieden.

Und der Familie gefiel das nicht?
Diana: Herr Beitz wurde zumindest weder von der Firma noch von der Familie besonders freundlich empfangen. Das war unklug von unseren Onkeln und Tanten. Das saß tief bei Herrn Beitz, er hat ja keine Kritik vertragen. Dafür hat er sich bis zu seinem letzten Atemzug gerächt. Auch noch an uns, der nächsten Generation.

Wie war das für Ihre Eltern, als sie davon erfuhren, dass die Familie doch nicht in der Stiftung vertreten sein wird?
Diana: Die Familie sagte: Das kann nicht stimmen. Aber Beitz war nicht nur Geschäftsführer der Krupp AG, er war ja auch persönlicher Generalbevollmächtigter von Onkel Alfried auf Lebenszeit. Da hatte Onkel Alfried wirklich Mist gebaut. Ich glaube nicht, dass ihm klar war, was das bedeutete. Und es hatte ja auch keiner damit gerechnet, dass er schon mit 61 Jahren stirbt. Aber so konnte Herr Beitz immer sagen: Ich bin wie Alfried, und juristisch war er das ja auch. Fast bis zu seinem 100. Geburtstag hat er sich die Familie vom Hals gehalten.

Frau Friz, Sie waren bei Gründung der Stiftung Anfang 20. Können Sie sich noch daran erinnern, wie das ablief?
Diana: Aber ja. Wir mussten aktiv auf unser Erbe verzichten. Ich erinnere mich etwa genau, wie wir uns einmal alle beim Notar in München trafen und unterschrieben, dass wir auf unser Wohnrecht auf Schloss Blühnbach verzichteten. Unser Cousin Arndt hatte das zur Bedingung für seinen Erbverzicht gemacht. Das Interesse der Firma war immer wichtiger als das persönliche.

Da gab es nie Diskussionen?
Diana: Nein, das haben wir gewissermaßen mit der Muttermilch eingesogen. Aber wir leiten aus dieser Tatsache das moralische Recht ab, in der Stiftung mitsprechen zu dürfen.

Wie würden Sie konkret helfen wollen?
Diana: Denken Sie an die Entlassungen, wir wissen ja, wie das heute läuft: Es wird ein Sozialplan gemacht, und da kommen einige besser weg und andere schlechter. Ich denke da zum Beispiel an ältere Arbeitnehmer. Oder an Mitarbeiter, die studierende Kinder haben. Das wären beispielsweise Fälle, für die man Hilfen ausarbeiten könnte.
Eckbert: Die Krupp-Dynastie hat immer gewaltige soziale Investitionen getätigt, die in ihrer Zeit recht modern waren: in Altenheime, Krankenhäuser, Wohnungen. Bis in die 1960er-Jahre war das so, dass zum Beispiel ein Rentner, der wegen der harten körperlichen Arbeit nicht mehr weitermachen konnte, am Schluss noch als Pförtner auf der Villa Hügel saß.

Nun kann man keine 2 000 Pförtnerstellen schaffen …
Eckbert: Natürlich nicht. Aber es geht um die grundsätzliche Einstellung, die die Familie hatte: Auf welchen anderen Stellen kann ich die Leute unterbringen? Kann ich einen Fonds schaffen, der Härten jenseits der gesetzlichen Vorgabe abfedert? Und dann ist da noch die Frage: Wie kommuniziere ich das als Vorstand, als Aufsichtsrat?

Die Stahlwerker in Duisburg waren aufgebracht, dass der Vorstand sie nicht persönlich über die Fusionspläne informiert hat, sondern sie am Morgen Hochglanzbroschüren in die Hand gedrückt bekamen, in denen die Entscheidung erläutert wurde.
Friedrich: Heinrich Hiesinger handelt so, wie ein externer Manager handeln muss. Er hat keinen Bezug zur Historie der Firma, und das ist auch nicht sein Job. Er ist ein ganz nüchterner Manager. Wenn ich er wäre, würde ich mich damit gar nicht beschäftigen. Er muss beinhart das machen, was er als Chef des Unternehmens machen muss.
Eckbert: Wir verstehen den Vorstand, wenn er sagt: Trotz der Überkapazitäten wird Stahl noch gut bezahlt, also packen wir das jetzt an und finden eine Lösung. Die unternehmerische Entscheidung wollen wir gar nicht anzweifeln. Aber es geht um das Wie.

Das gefällt Ihnen nicht?
Friedrich: Wir wissen alle nicht, wie wir als Familie unternehmerisch gehandelt hätten. Vielleicht hätten wir noch viel größere Fehler gemacht. Aber eins wäre mit uns nicht möglich gewesen: Wir hätten nie das Gesamtbild Firma, Belegschaft, Verantwortlichkeit langfristig aus den Augen verloren.
Diana: Wenn man sich die Situation jetzt anschaut, und so war es ja auch schon bei der Werksschließung in Rheinhausen in den 1980er-Jahren, da hätten wir als Familie vielleicht manches besser machen können, auch vom Ton her. Es ist doch etwas anderes, ob ein Vorstandschef in einer Pressekonferenz bekanntgibt, er müsse Tausende entlassen. Oder ob da jemand vor Ort ist, der auch danach noch mit den Menschen spricht, sich einfach mal mit ihnen zusammensetzt. In dieser Hinsicht hätten wir sicherlich etwas tun können.

Haben Sie bei der Unternehmensführung schon einmal angebracht, dass Sie sich einbringen wollen?
Eckbert: Ich treffe hin und wieder auf Herrn Hiesinger, auch auf andere Vorstandsherren. Und natürlich ist das immer mal wieder Thema. Aber man kann von einem Vorstand nicht verlangen, dass er für uns vorspricht.

Die Arbeitnehmer haben jüngst wieder gefordert, dass Sie sich einbringen sollen …
Eckbert: Ich habe hier ein Schreiben von einem Arbeitnehmervertreter, der mich vor einigen Wochen genau das gefragt hatte: ob wir bereit wären, für sie einzutreten und uns als Familie stärker zu engagieren. Vorher hatte er schon Frau Henle, Beitz’ Tochter, die im Stiftungsrat sitzt, angeschrieben. Sie hat geantwortet: „Leider muss sich die Krupp-Stiftung als gemeinnützige Körperschaft aus allen unternehmerischen Entscheidungen der Firma raushalten.“ Tja, das ist schon ein ungemeiner Positionswandel in nur wenigen Monaten, nachdem Beitz genau das 46 Jahre lang genau andersherum interpretiert und gehandhabt hat.

Wie meinen Sie das?
Eckbert: Ich habe hier einen Zeitungsartikel über ein Interview, das zum 90. Geburtstag von Herrn Beitz erschienen ist. Darin beruft er sich auf seine angebliche Legitimation, ein Zitat von Alfried: „Sie können handeln wie ein Eigentümer.“

Die Stiftung hält ja auch noch rund 21 Prozent der Anteile am Konzern.
Friedrich: Wäre es nach unseren Vorfahren gegangen – den bekannten Imperativ, die Einheit der Werke zu bewahren und zu beschützen, im Sinn, hätte die Stiftung nie unter 50 Prozent der Firmenanteile haben dürfen. Heute hat sie ja nur noch wenig bis gar keinen Einfluss.
Eckbert: Ja, mittlerweile haben wir drei große Aktionäre. Die Stiftung, dann Cevian mit mehr als 15 und Blackrock mit mehr als drei Prozent.

Halten Sie selbst Aktien am Unternehmen?
Diana: Ich nicht.
Eckbert: Ich bin Kleinaktionär und gehe auch zur Hauptversammlung. Aber die Aktien habe ich mir selbst gekauft, nicht geerbt.
Friedrich: Ich bin ebenfalls Kleinaktionär. Auf der ersten Hauptversammlung hat ein Aufsichtsrat die Tageszeitung während der Versammlung gelesen. Da wurde mir vieles klar.

Sie haben in den 1990er-Jahren geklagt, um einen Sitz in der Stiftung zu erhalten, sind aber vor Gericht gescheitert.
Diana: Ich denke manchmal, dass wir 20 Jahre zu früh geklagt haben. Wir drei sind Unternehmer, wir haben den Prozess mit unserem eigenen Geld finanziert. Aber die Richter konnten sich nicht vorstellen, dass wir das nicht aus Eigennutz tun. Die Stiftung bestimmt ja den Aufsichtsrat mit und hat darüber Einfluss. Heute würde uns ein Gericht vielleicht eher glauben, dass es uns nicht ums Geld ging.
Eckbert: Die Zeit um 2000 war keine Zeit in Deutschland, in der Güter gerne restituiert wurden. Das war unglücklich für uns. Damals ist unsere Klage abgeschlagen worden, und es ist verjährt. Somit ist der Rechtsweg heute ausgeschöpft.

Sind die jetzigen Kuratoriumsmitglieder nicht in der Lage, die Stiftung entsprechend zu steuern?

Eckbert: Die derzeit zehn Mitglieder sind alle hoch ehrenwerte Personen. Aber sechs sind Wissenschaftler, Mathematiker, Astrophysiker, Mediziner. Zwei Juristen. Eine Historikern, die wiederum die Tochter von Herrn Beitz ist. Und ein Journalist. Immerhin ein Wissenschaftler ist Ökonom. Aber dort ist kein Unternehmer vertreten. Da fehlt meines Erachtens unternehmerischer Geist in diesem Kuratorium, dass immerhin 23 Prozent der Anteile an einem Dax-Konzern hält und die mit diesem Stimmrecht verbundenen unternehmerischen Entscheidungen tragen muss.
Diana: Das Traurige ist, dass im Stiftungsrat niemand vertreten ist, der mit Krupp emotional verbunden ist. Herr Beitz hatte das so auf sich konzentriert, dass es mit seinem Tod aufgehört hat.

Haben Sie Hoffnung, dass sich Ihre Position noch einmal ändert?
Diana: Wir können nichts fordern, sondern nur hoffen, dass der Stiftungsrat sich eines Tages so zusammensetzt, dass er erkennt, dass es positiv für ihn ist, wenn die Familie vertreten ist.

Frau Friz, die Herren von Bohlen und Halbach – wir danken Ihnen für das Interview.

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