Dieselklagen VW-Dieselprozess: Was die Vergleichsgespräche kompliziert macht

In den ersten Verhandlungen waren die Fronten zwischen den Streitparteien noch verhärtet.
Düsseldorf, Berlin Immer wieder hat Volkswagen darauf hingewiesen, dass die USA und Deutschland nicht vergleichbar seien. Auf dem amerikanischen Automarkt habe es zwar Gesetzesverstöße durch die Dieselmanipulationen gegeben, nicht aber hierzulande. Deshalb könnten deutsche Autofahrer auch nicht mit Entschädigungen rechnen. Doch plötzlich geht alles ganz anders.
Im Musterprozess um mögliche Entschädigungen für Hunderttausende Dieselfahrer nehmen Volkswagen und der Verbraucherverband VZBV Vergleichsgespräche auf. Das teilten VW und der VZBV am Donnerstag mit. Damit erhöhen sich die Chancen der rund 444.000 teilnehmenden Kläger in dem Verfahren am Braunschweiger Oberlandesgericht, Ansprüche gegen VW wegen des Wertverlusts ihrer Autos durchzusetzen.
„Gemeinsames Ziel von VZBV und Volkswagen ist eine pragmatische Lösung im Sinne der Kunden“, hieß es in der kurzen Mitteilung beider Seiten. Die Gespräche seien in einem sehr frühen Stadium. „Ob es zu einem Vergleich kommt, ist offen.“ Mit den jetzt begonnenen Vergleichsverhandlungen deutet der VW-Konzern zum ersten Mal an, dass auch hierzulande Entschädigungen ausgezahlt werden könnten.
Aus Sicht von Volkswagen ist in Deutschland und in Europa alles regelkonform verlaufen. Mit den seit 2016 umgesetzten Softwareupdates hätten die betroffenen Dieselfahrzeuge ihre Betriebserlaubnis behalten. Deutsche und europäische Kunden seien deshalb nicht zu Schaden gekommen.
Der VW-Konzern äußert sich nicht dazu, wie hoch mögliche Schadenersatzzahlungen in Deutschland ausfallen könnten. Ein Sprecher lehnte dazu jede Stellungnahme ab. Rückstellungen für mögliche Vergleichszahlungen in Deutschland hat der Konzern noch nicht gebildet.
In den USA, wo Volkswagen die Gesetzesverstöße eingestanden hatte, musste der Wolfsburger Autohersteller für rund 600.000 betroffene Autofahrer mehr als zehn Milliarden US-Dollar an Entschädigungen bereitstellen. In Einzelfällen wurden den Käufern von größeren Fahrzeugen in den USA bis zu 40.000 Dollar von Volkswagen überwiesen.
Für die Bewältigung des Skandals hat der VW-Konzern seit 2015 rund 30 Milliarden Euro an Rückstellungen gebildet. Wie hoch die Entschädigung am Ende in Deutschland ausfallen könnte, ist im Moment noch völlig offen. Die Summen dürften allerdings nicht so hoch wie in den USA sein, weil die meisten Autos in Deutschland weitergefahren wurden.
Würde sich der VW-Konzern etwa zur Zahlung von durchschnittlich 1000 Euro bereit erklären, kämen auf den Konzern zusätzliche Belastungen in Höhe eines mittleren dreistelligen Millionenbetrags zu. Daimler hatte im vergangenen Jahr an Dieselkunden in Deutschland einen Werkstattgutschein über 100 Euro ausgegeben, wenn sie ihren Wagen für ein Softwareupdate in die Werkstatt gebracht hatten.
Einen entscheidenden Impuls für den Sinneswandel von Volkswagen dürfte das Oberlandesgericht Braunschweig am 18. November gegeben haben. An diesem Tag stand die zweite mündliche Verhandlung der Musterfeststellungsklage auf dem Programm.
Der Vorsitzende Richter Michael Neef appellierte damals in Richtung VW: „Sie sollten versuchen, zu einem Vergleich zu finden. Die Kunden würden es auch Ihnen danken, wenn das Verfahren abgekürzt würde. Und sich vielleicht mal wieder für ein Konzernauto entscheiden.“ Einen Tag später teilte der Autokonzern trotzdem mit, dass für ihn „ein Vergleich bisher kaum vorstellbar ist“.
Wahrscheinlich spielte auch die Verjährungsfrage eine ganz entscheidende Rolle dabei, dass VW gleich am ersten Arbeitstag des neuen Jahres die Vergleichsgespräche bekanntgegeben hat. Volkswagen ist sich seiner Sache sicher, dass der Dieselbetrug in Deutschland spätestens mit dem 1. Januar 2020 verjährt ist. Schadenersatz können nach dieser Rechtsauffassung nur die Kläger der Musterfeststellungsklage bekommen.
Millionen andere Dieselfahrer blieben außen vor. Die finanziellen Konsequenzen für Volkswagen würden sich damit in deutlichen Grenzen halten. Einige Oberlandesgerichte (OLG) teilen diese Auffassung. Volkswagen begründete den Sinneswandel mit dem „Interesse an einem zügigen Verfahren“.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.