Dieselmotoren Mercedes-Benz C 220 CDI: BGH schließt sittenwidrige Schädigung bei Thermofenster nicht generell aus

Am 23. Februar will der BGH über eine weitere Klage zum Thema Thermofenster verhandeln.
Karlsruhe Im Streit um angebliche Täuschungen bei seinen Diesel-Abgaswerten sieht sich der Autobauer Daimler durch einen Spruch des Bundesgerichtshofs (BGH) gestärkt. Der BGH habe festgestellt, dass das so genannte Thermofenster, eine temperaturabhängige Abgassteuerung, als solches nicht sittenwidrig sei und daher kein Anspruch auf Schadenersatz bestehe, erklärte Daimler am Dienstag.
Der BGH hatte erklärt, der Fall liege bei Mercedes anders als beim VW-Konzern, der wahrheitswidrig die Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte vorgespiegelt habe. „Bei dem Einsatz eines Thermofensters wie im vorliegenden Fall fehlt es dagegen an einem derartigen arglistigen Vorgehen des beklagten Automobilherstellers, das die Qualifikation seines Verhaltens als objektiv sittenwidrig rechtfertigen würde“, erklärte der BGH. Denn die Abgasreinigung richte sich nach der Temperatur, aber nicht danach, ob das Fahrzeug auf dem Prüfstand für die Zulassung steht oder nicht.
Andererseits ließ der BGH aber offen, ob nicht doch eine sittenwidrige Täuschung vorliege, die der klagende Mercedes-Besitzer vor dem Oberlandesgericht Köln noch nachweisen könnte. Dazu müsse geprüft werden, ob Daimler im Genehmigungsverfahren unzutreffende Angaben über die Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems gemacht habe.
Autobauer interpretierten das geltende EU-Recht so, dass die Abgasreinigung bei niedrigen Temperaturen gedrosselt werden durfte, um Schaden am Motor zu vermeiden. „Aus unserer Sicht und aus Sicht vieler Experten sind Thermofenster technisch notwendig und haben nichts mit einer Täuschungsabsicht zu tun“, bekräftigte Daimler.
Es bestehe kein Anspruch auf Schadenersatz. „Wir sind zuversichtlich, dass das OLG Köln das Verfahren abweisen wird“, erklärte Daimler. In rund 95 Prozent hätten Land- und Oberlandesgerichte schon so entschieden. Eine fünfstellige Zahl von Klagen ist in Deutschland noch anhängig.
OLG Köln muss Vorwürfe prüfen
Nun muss sich das Oberlandesgericht Köln noch einmal mit dem Fall auseinandersetzen. Der Kläger hatte 2012 einen Neuwagen vom Typ Mercedes-Benz C 220 CDI für rund 32.000 Euro gekauft. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 ausgestattet und unterliegt keinem Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt. Im Abgassystem ist das sogenannte Thermofenster eingebaut. Das bewirkt, dass die Reinigung von Stickoxiden nur innerhalb bestimmter Temperaturen funktioniert, um den Motor zu schonen. Bei Temperaturen unter zehn Grad Celsius werden die niedrigen Stickoxid-Werte nicht eingehalten.
Der Kläger macht in seinem Fall zum Thema Thermofenster sittenwidrige Schädigung geltend, hatte damit aber weder vor dem Landgericht noch vor dem Oberlandesgericht Köln Erfolg. Er wirft Daimler vor, bei der Typenzulassung falsche Angaben gemacht zu haben. Das OLG hatte aber weder dem Kläger Gelegenheit gegeben, das nachzuweisen, noch Daimler, dagegen zu halten. Der BGH hob die Entscheidung deshalb jetzt wegen „Verletzung des rechtlichen Gehörs“ auf. Das Vorbringen falscher Angaben müsse überprüft werden. Davon könnte das Urteil einer sittenwidrigen Schädigung abhängen. (AZ: VI ZR 433/19)
Am 23. Februar will der BGH über eine weitere Klage zum Thema Thermofenster verhandeln, dann geht es um eine Klage gegen VW. Im Dieselskandal hatte Volkswagen zugegeben, die Abgasreinigung über eine Software bewusst so manipuliert zu haben, das sie nur auf dem Prüfstand voll funktionierte. Das hatte der BGH als Betrug gewertet.
Im Dezember hatte der Europäische Gerichtshof die EU-Regelung zum Thermofenster eng ausgelegt: Das generelle Verbot einer Software zur Abgasmanipulation würde ausgehöhlt, wenn es durch Ausnahmeregeln möglich wäre, den Motor dadurch vor Verschmutzung und Verschleiß zu schützen. Sie urteilten, dass solche Techniken nur eingesetzt werden dürften, um vor einem plötzlichen Motorschaden zu bewahren, der eine konkrete Gefahr beim Fahren bedeute. (Az: C-693/18)
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