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Dieselskandal Justiz stellt reihenweise Verfahren gegen Audi-Beschuldigte ein

Der Strafprozess gegen den ehemaligen Audi-Chef Rupert Stadler und drei andere Angeklagte kommt nur schleppend voran. Die Staatsanwaltschaft nutzt nun einen Hebel.
19.08.2021 - 14:20 Uhr Kommentieren
Der unter anderem wegen Betrugs angeklagte langjährige Audi-Chef Rupert Stadler (2. v. l.) in München vor Gericht. Quelle: dpa
Prozess gegen früheren Audi-Chef Stadler

Der unter anderem wegen Betrugs angeklagte langjährige Audi-Chef Rupert Stadler (2. v. l.) in München vor Gericht.

(Foto: dpa)

Köln Mal sind es 3000 Euro, mal 5000 Euro: Einige Beschuldigte müssen fünfstellige Beträge an die Justizkasse zahlen. Das Ergebnis ist immer gleich: Die Münchener Staatsanwaltschaft hat in der Dieselaffäre die Ermittlungsverfahren gegen rund ein Dutzend aktive und ehemalige Mitarbeiter des Münchener Fahrzeugherstellers Audi eingestellt. Weitere Verfahren dürften ebenfalls beendet werden.

Die Justiz verfolgt mit diesem Vorgehen ein Ziel: Die Ex-Beschuldigten sollen „zeugenfähig gemacht“ werden, wie ein beteiligter Anwalt es nennt. Denn als nicht mehr von der Staatsanwaltschaft Verdächtigte verlieren sie das Recht, vor Gericht die Auskunft zu verweigern. Im Gegenzug bleibt ihnen mit der Zahlung der Geldauflage eine Hauptverhandlung erspart.

Die neuen Zeugen haben am Landgericht München II bereits für neuen Schwung gesorgt – auch wenn sich das Verfahren weiterhin zieht. Seit fast einem Jahr verhandelt dort die 5. Große Strafkammer den ersten Strafprozess in der Dieselaffäre. Beschuldigt sind der ehemalige Audi-Vorstandsvorsitzende Rupert Stadler und Ex-Motorenchef Wolfgang Hatz. Neben ihnen auf der Anklagebank sitzen die Ingenieure Giovanni Pamio und Henning L.

Hatz, Pamio und L. sollen sich für einen Schaden von bis zu 3,3 Milliarden Euro verantworten. Die Vorwürfe lauten auf Betrug, mittelbare Falschbeurkundung und strafbare Werbung. Die Staatsanwaltschaft wirft den Managern vor, Motoren für Fahrzeuge der Marken Audi, VW und Porsche entwickelt zu haben, deren Steuerung mit einer unzulässigen Softwarefunktion ausgestattet gewesen sei.

Stadler muss sich wegen Betrugs, mittelbarer Falschbeurkundung und strafbarer Werbung verantworten. Die Vorwürfe gegen ihn sind weniger schwerwiegend. Die Staatsanwaltschaft hält Stadler nicht vor, für die Manipulationen selbst verantwortlich zu sein. Er habe aber den Verkauf manipulierter Autos noch ermöglicht, als längst bekannt war, dass auch in ihren Dieselmotoren eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist.

Staatsanwaltschaft hofft auf neue Beweise

Der Angeklagte Hatz war bis 2009 für die Motorenentwicklungen von Benzinern und Selbstzündern bei Audi verantwortlich. Seit 2007 leitete er parallel den Bereich Aggregate im VW-Konzern. Er behauptet, in seiner Zeit habe es keine Manipulationen gegeben. Sowohl Hatz als auch Stadler saßen wegen des dringenden Tatverdachts und der Flucht- oder Verdunkelungsgefahr sogar monatelang in Untersuchungshaft.

Während Stadler und Hatz eine Schuld vehement bestreiten, werden sie teilweise von Pamio und L. belastet. Nach 67 Verhandlungstagen ist ein Urteil noch immer in weiter Ferne. Prozessbeobachter berichten davon, dass bisher hauptsächlich über technische Details diskutiert wurde. Das soll vor allem daran liegen, dass die Staatsanwaltschaft die für die Manipulation notwendige Software nicht richtig durchdrungen habe. Diese Aufgabe übernehme jetzt die Strafkammer und vor allem der Vorsitzende Richter Stefan Weickert. Ein beteiligter Jurist: „Weickert lässt sich alles haarklein erklären.“ In der Sache kam der Prozess deshalb kaum voran.

Die Staatsanwaltschaft kann ihre Betrugsvorwürfe nur erhärten, wenn sie Beweise auf den Tisch legt. Die Einstellung zahlreicher Verfahren hat nun Beschuldigte zu Zeugen gemacht. Von ihnen erhofft sich die Staatsanwaltschaft genau diese Beweise.

Bei einigen, die mit dem Prozess vertraut sind, sorgt das Vorgehen für Kritik. Sie halten manche Einstellungen für voreilig und ungerecht gegenüber anderen Beschuldigten. Schließlich seien unter denen, deren Verfahren eingestellt wurden, auch Ingenieure, die eng in die Entwicklungsprozesse mit eingebunden gewesen sein sollen – etwa zwei Spezialisten für Abgasnachbehandlung. Aus den Ermittlungsakten ist ersichtlich, dass diese Ingenieure über die kritischen Vorgänge bei Audi durchaus gut informiert waren.

Gericht setzt auf Zeugen und Gutachter

Die Staatsanwälte sollen bei ihren Entscheidungen jedoch weniger auf die mögliche Beteiligung Einzelner an den Manipulationen geschaut haben. Eher ging es um die formale Hierarchieebene – vor allem unterhalb der Teamleiterebene wurden die Aktendeckel geschlossen.

Große Hoffnung bei der Aufklärung des Sachverhalts setzt das Gericht unterdessen auch auf ein Gutachten von Professor Thomas Heinze von der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes. Es soll klären, an welchen Stellen die Software zur Motorensteuerung so programmiert wurde, dass sie zwischen Prüfstand und Straße unterscheiden konnte.

Die neuen Zeugen und das Gutachten könnten auf anstehende Hauptverhandlungen ausstrahlen. Auch die ehemaligen Audi-Entwicklungsvorstände Ulrich Hackenberg und Stefan Knirsch, Ex-Beschaffungsvorstand Bernd Martens sowie der langjährige Diesel-Chefentwickler Richard Bauder sollen vor Gericht kommen.

Aus Anwalts- und Justizkreisen erfuhr das Handelsblatt zudem, dass auch eine dritte Anklage gegen eine weitere Gruppe von Beschuldigten wahrscheinlich ist. Treffen soll es wiederum Audi-Manager aus höheren Hierarchieebenen. Sie müssen vermutlich bis Ende 2022 warten. Der erste Prozess sollte bis dahin abgeschlossen sein.

Mehr: Ex-Audi Chef Rupert Stadler einigt sich mit dem VW-Konzern. Warum der Deal für Kritik sorgt

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