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Dieselskandal Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Diess, Winterkorn und Pötsch

Ein in Deutschland einmaliger Vorgang: Gegen einen Vorstands- und einen Aufsichtsratschef sowie Ex-Chef eines Dax-Konzerns wird Anklage erhoben. Der Aufsichtsrat stellt sich hinter die Manager.
24.09.2019 Update: 24.09.2019 - 17:53 Uhr 4 Kommentare

Staatsanwaltschaft klagt VW-Spitze im Dieselskandal an

Düsseldorf Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat im Dieselskandal eine zweite Anklage auf den Weg gebracht und erhebt Anklage gegen führende Manager von Volkswagen. Neben Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch gehe die Behörde gegen VW-Chef Herbert Diess und dessen Vor-Vorgänger Martin Winterkorn vor.

Die Anklage ist an diesem Dienstag den Betroffenen zugestellt worden. Das Landgericht Braunschweig werde dann in den kommenden Wochen entscheiden, ob sie die Anklage zulasse.

Die Aufsichtsratsspitze hält an Pötsch und Diess fest. Aus heutiger Sicht könne das Präsidium des Aufsichtsrates weiterhin keine vorsätzlich unterlassene Information des Kapitalmarkts erkennen, teilte der innere Zirkel des VW-Kontrollgremiums am Dienstagnachmittag nach einer kurzfristig einberufenen Sitzung in Wolfsburg mit. „Aus diesem Grund soll die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden und dem Vorstandsvorsitzenden fortgesetzt werden“, hieß es in der Erklärung.

Die Märkte reagierten prompt: Nach anfänglichen Tagesgewinnen gab die VW-Aktie wegen der Anklagen gegen die drei Volkswagen-Manager spürbar nach. Kurz nachdem die Anklagen bekannt geworden waren, fiel das Volkswagen-Papier um gut 1,5 Prozent. Zum Mittag ist die VW-Aktie damit das Schlusslicht im Frankfurter Börsenindex Dax.

Das Manager-Trio hat nach Ansicht der Strafverfolger die VW-Anleger im Jahr 2015 zu spät über den Abgasbetrug bei Millionen Dieselautos und die damit verbundenen finanziellen Folgen informiert. Alle drei bestreiten die gegen sie erhobenen Vorwürfe.

Erst vier Tage nachdem der Skandal von den US-Umweltbehörden am 18. September 2015 öffentlich gemacht worden war, hatte das Unternehmen den Betrug eingestanden. Der Aktienkurs war da schon in Erwartung hoher Strafen eingebrochen.

Die folgten auch in der Realität: Bislang hat Volkswagen nach eigenen Angaben rund 30 Milliarden Euro für die Aufarbeitung des Abgasbetrugs bezahlen müssen. Dieser gigantische Betrag hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig beschäftigt.

In den vergangenen Monaten haben sich die Ermittler durch Berge von Akten gekämpft, um Be- und Entlastendes gegen die drei Männer zu finden. Nun haben sie ihre Arbeit abgeschlossen und die Anklage erhoben.

Beschuldigte bestreiten die Vorwürfe

Alle drei Beschuldigten bestreiten die gegen sie erhobenen Vorwürfe. Auch das Unternehmen hatte die Anschuldigungen zurückgewiesen.

Es ist ein in Deutschland bisher einmaliger Vorgang, dass gegen einen Vorstandsvorsitzenden und Aufsichtsratschef eines Dax-Konzerns gleichzeitig Anklage erhoben wird. Diess und Pötsch wollen nach bisherigem Stand auf ihren Positionen verbleiben.

Dazu haben sie nach Angaben aus hochrangigen Konzernkreisen auch die Rückendeckung der Familie Porsche/Piech sowie des Land Niedersachsens, also der größten Aktionäre.

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Zu Angeklagten würden die drei Beschuldigten auch erst in dem Moment werden, wenn das Gericht die Klage annimmt. Im Konzern hat daran allerdings kaum jemand Zweifel. „Der öffentliche Druck ist dafür schon jetzt zu hoch“, sagte jüngst eine Führungskraft, die mit dem Fall vertraut ist.

Der Fall würde sich von vergleichbaren Verfahren gegen Top-Führungskräfte etwa der Deutschen Bank unterscheiden, bei denen lediglich Mitglieder eines Gremiums angeklagt worden waren.

Anders als in dem Betrugsverfahren geht es in der jetzigen Anklage insbesondere um den Zeitpunkt, zu dem VW die Öffentlichkeit darüber informierte, Dieselfahrzeuge durch eine Software so manipuliert zu haben, dass sie schadstoffärmer erschienen als sie tatsächlich waren.

Das geschah erst am 22. September 2015, als VW in einer Ad-hoc-Mitteilung zudem ankündigte, für die Bewältigung des Skandals Rückstellungen in Höhe von 6,5 Milliarden Euro zu bilden. Zu diesem Zeitpunkt war der Kurs der VW-Aktien bereits massiv eingebrochen und zweistellige Milliardensummen an der Börse vernichtet.

Denn am 18. September hatte die US-Umweltbehörde EPA den größten Skandal in der VW-Unternehmensgeschichte öffentlich gemacht, der Deutschlands größten Konzern bis heute bereits mehr als 30 Milliarden Euro kostete.

Rechtsvorständin Werner: „Die Vorwürfe sind unbegründet“

Laut Gesetz müssen Nachrichten, die den Firmenwert beeinflussen können, umgehend („ad hoc“) veröffentlicht werden. Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer 636 Seiten umfassenden Anklageschrift davon aus, dass Winterkorn spätestens seit Mai 2015, Pötsch seit dem 29. Juni 2015 und Diess seit dem 27. Juli 2015 „jeweils vollständige Kenntnis von den Sachverhalten und den daraus sich ergebenden erheblichen Schadensfolgen hatten und jeder für sich ab jenem Zeitpunkt die erforderliche Ad-hoc-Mitteilung hätte veranlassen müssen, was nicht geschah.“

VW reagierte auf die Anklage umgehend. Die Rechtsvorständin Hiltrud Werner sagte, dass das Unternehmen den Sachverhalt in den zurückliegenden nahezu vier Jahren akribisch mit Unterstützung von internen und externen Experten untersucht habe.

Das Ergebnis sei eindeutig: „Die Vorwürfe sind unbegründet.“ VW sei dementsprechend „weiterhin der festen Überzeugung, alle kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten erfüllt zu haben. Sollte es zu einem Prozess kommen, sind wir überzeugt davon, dass sämtliche Vorwürfe sich als haltlos erweisen werden“.

Ähnlich äußert sich Hiltrud Werner in einem Mitarbeiterbrief, in dem sie sich zusammen mit Personalvorstand Gunnar Kilian an alle 660.000 Beschäftigten des Konzerns wendet. „Jetzt stehen wir in der Verantwortung, das Unternehmen vor Schaden aufgrund von aus unserer Sicht ungerechtfertigten Vorwürfen zu bewahren. Diese Aufgabe ist bei unseren Juristen und Beratern in den besten, professionellen Händen“, erklären die beiden Vorstände. Mit Ausnahme von Herbert Diess als Beschuldigtem haben auch alle anderen Konzernvorstände den Mitarbeiterbrief unterschrieben. Die Vorstände appellieren an die Mitarbeiter, auch nach der jüngsten Anklageerhebung durch die Braunschweiger Staatsanwälte zusammenzuhalten. Um dafür zu sorgen, „dass Volkswagen auch in zehn Jahren ein starkes und respektiertes Unternehmen sein wird“, schreiben sie.

Auch Herbert Diess und sein Verteidiger Tido Park äußerten sich: Die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft Braunschweig sei „vollkommen unverständlich“.

Und: „Weder die Fakten- noch die Rechtslage rechtfertigen den Vorwurf, Diess habe durch Unterlassen der Abgabe einer Ad-hoc-Mitteilung nach Kenntniserlangung von der Dieselproblematik in den USA den Tatbestand einer strafbaren Marktmanipulation verwirklicht. Wir weisen diesen Vorwurf deshalb mit aller Entschiedenheit zurück.“

Mehr: VW rüstet sich für den Ernstfall: Auch bei einer Anklage will das Führungspersonal im Amt bleiben.

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4 Kommentare zu "Dieselskandal: Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Diess, Winterkorn und Pötsch"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Die Arroganz seitens Volkswagen ist himmelschreiend! Demut und Respekt gegenüber Kunden, Anlegern und der Bevölkerung fehlen gänzlich. Ich bin sehr gespannt, ob sich das Gericht jetzt durchsetzen kann.

  • Vorstände u. Manager müssen persönlich voll haften, wenn Sie betrügerisch handeln und dem Unternehmen
    dadurch großer Schaden entsteht !

  • Endlich! Jetzt habe ich wieder Vertrauen in die deutsche Gerichtsbarkeit.
    Wunschurteil:Höchststrafe und Reduzierung der Ruhegehaltsbezüge auf Harz IV Niveau.

  • Die Mühlen der Justiz mahlen langsam, aber sie mahlen noch.
    Die noch amtierenden Vorstände sollte meiner Meinung nach sofort abgelöst werden.

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