Elektromobilität Der Anti-Tesla: Warum Fisker seine Autos nicht selbst baut

Das erste Modell soll ab November 2022 von Magna Steyr in Graz gefertigt werden.
San Francisco, Düsseldorf Henrik Fisker hat bislang noch kein einziges Auto selbst produziert, dafür aber große Pläne. Der dänische Designer, bekannt für Luxusmodelle für BMW und Aston Martin, will ein „klassenloses Auto“ bauen, das weniger als 30.000 Dollar kosten soll. Vorbilder sind der VW Käfer und der Mini Cooper. „Das waren Autos, die Popstars und normale Menschen fahren konnten“, sagt Fisker dem Handelsblatt.
Der Däne sprüht vor Selbstbewusstsein – trotz einiger „Totalschäden“, die er in den vergangenen Jahren erlitten hat. Der Aktienmarkt und die Analysten geben ihm derzeit recht: Der Börsenwert der Fisker Inc. hat sich seit Anfang Februar auf rund sechs Milliarden Dollar stark erhöht. Morgan-Stanley-Analyst Adam Jonas nennt das Unternehmen den „Geheimtipp der Branche“. Ein Grund dafür ist jenes mysteriöse Auto.
Fisker reiht sich in eine Gruppe von amerikanischen und chinesischen Start-ups ein, die mit ihren Elektrofahrzeugen an die Börse gehen und hohe Bewertungen erzielen. Allerdings spielt Fisker mit Sitz in Los Angeles im Vergleich zu Senkrechtstartern wie Lucid, das auf eine Börsenbewertung von rund 30 Milliarden Dollar kommt, nur die zweite Geige.
Fisker verfolgt eine grundsätzlich andere Strategie als Lucid oder Tesla: Das geplante Massenfahrzeug soll Foxconn herstellen, das bislang weniger für die Autoproduktion bekannt war. Der taiwanesische Auftragsfertiger hat sich seine Sporen als Apples effizienter Produktionspartner für das iPhone verdient. Der vorläufige Vertrag mit Fisker sieht vor, ab Ende 2023 auf einer gemeinsam entwickelten Plattform Elektroautos zu bauen – 250.000 pro Jahr sind das Ziel.
Lucid und Tesla bauen dagegen ihre Autos selbst. Tesla stellt bis zum Fahrersitz möglichst viele Einzelteile selbst her – um Qualität und Autonomie zu wahren. Ein Irrtum, wie ein größerer Fisker-Investor sagt. Elektroautos würden sich anders als Verbrenner zu wenig voneinander unterscheiden. „Sie besitzen viel weniger Komponenten und sind einfacher gebaut.“ Daher würden sich die hohen Investitionen in die Produktion nicht lohnen.
Der Codename bei Fisker für das Projekt mit Foxconn lautet „PEAR“. Das steht für „Personal Electric Automotive Revolution“, die persönliche Elektroauto-Revolution. Gleichzeitig ist es das englische Wort für „Birne“. „Äpfel sind schön und gut, aber nichts geht über eine frische, saftige Birne“, sagte Analyst Jonas kürzlich in Fiskers erster Analystenkonferenz.
Foxconn habe das Apple der Autoindustrie gesucht – ein Unternehmen, das ein bekanntes Produkt völlig neu designt und erfindet – und habe Fisker gefunden. Sagt Fisker. Der Vergleich mit dem Giganten Apple – Marktwert jenseits von zwei Billionen Dollar – wirkt frech und am Rande der Hybris.
Viele Fehlschläge
Fiskers größte Erfolge liegen in den 90ern und frühen 2000ern. Eine Partnerschaft mit Tesla-Chef Elon Musk endete im Rechtsstreit und ramponierte Fiskers Ruf: Einer von Musks Adjutanten verglich seine Entwürfe mit einem „riesigen Ei“. Fiskers erster eigener, ebenfalls nach ihm benannter Autobauer ging später pleite.
Auch mit seinem neuen Unternehmen hat Fisker schon Rückschläge erlitten. Noch 2019 plante er, sein erstes Modell mit einer intern entwickelten Feststoffbatterie auf den Markt zu bringen. Die Technologie verspricht höhere Reichweite und kürzere Ladezeiten, konnte aber noch nie im industriellen Maßstab produziert werden.

Eine Partnerschaft mit Tesla-Chef Elon Musk endete im Rechtsstreit und ramponierte Fiskers Ruf.
Fisker brachte das Vorhaben einen Gerichtsprozess mit der VW-Beteiligung Quantumscape ein, weil eine Ex-Mitarbeiterin Geschäftsgeheimnisse zu Fisker weitergetragen haben soll. Fisker legte den Streit kürzlich bei und gab das Forschungsprojekt auf. „Wir haben auf die harte Tour gelernt, dass wir kein Batteriehersteller sind“, sagt Fisker.
Nun heißt die Strategie: Risiken minimieren, fokussieren und die Produktion an Partner auslagern. Das erste Modell, der SUV Fisker Ocean, soll ab November 2022 von Magna Steyr in Graz gefertigt werden. 12.500 Stück haben Kunden bereits reserviert. Mit einem angekündigten Startpreis von 37.500 Dollar liegt der Ocean in einer Preisklasse mit Teslas Model 3 und unterhalb von VWs ID.4.
Design-Innovationen zu einem niedrigen Preis
Ursprünglich wollte Fisker den Ocean auf VWs Elektro-Plattform MEB bauen, doch der angekündigte Vertrag platzte. Über die Gründe schweigt Fisker, sagt dann aber: „Wir konnten an Magnas Plattform ziemlich viel an unsere Bedürfnisse anpassen. Das ist nicht immer möglich, wenn die Plattform schon komplett fertig ist.“ Einen Deal mit VW, gemeinsam einige Karosserie- und Interieur-Teile einzukaufen, hat Fisker dagegen erfolgreich abgeschlossen.
All das soll die Kosten niedrig halten. Beim Preis versucht Fisker mit Massenherstellern zu konkurrieren, gleichzeitig sollen Design-Innovationen wie das vegane Interieur oder der „California Mode“, der auf Knopfdruck alle Fenster gleichzeitig öffnet, an den modernen Chic von Tesla heranreichen. Foxconns Erfahrung, an jeder Kostenschraube zu drehen, helfe dabei: „Irgendwo müssen wir Kosten rausnehmen“, sagt Fisker.
Mit dem Outsourcing verliert Fisker aber auch die Kontrolle über die Qualität – gerade im Fall von Foxconn, das zwar etliche Smartphone-Modelle, aber noch nie Autos in Masse produziert hat. „Es ist ein großes Risiko“, räumt Fisker ein, „aber darum geht es als Unternehmer ja.“
Morgan-Stanley-Analyst Jonas hält das Modell dennoch für „eine der überzeugendsten Strategien“ im ständig weiter wuchernden Dschungel der E-Auto-Start-ups. Fiskers Kapitaleinsatz sei gering, das Risiko daher auch. Andere Experten sind vorsichtiger und verweisen auf den wachsenden Wettbewerb von traditionellen Autoherstellern und Start-ups, die 2023 längst am Markt sein werden.
Eins davon ist Lucid Motors. „Ich halte es für ein bisschen ignorant, eine Fabrik in die Wüste zu stellen und zu glauben, man könne direkt in der Qualität von VW oder Toyota produzieren“, sagt Fisker, ohne den Konkurrenten direkt zu nennen. „Du gibst Milliarden an Investoren-Geld aus, gehst massiv ins Risiko und musst am Ende trotzdem deinen Start verschieben“, spottet Fisker.
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