Elektromobilität Porsche steigt bei Customcells ein – und sendet einen letzten Weckruf an die deutschen Zulieferer

Die Produktion soll 2024 starten und ist zunächst für den Rennsport und spezielle Modelle von teuren Sonderserien gedacht.
Stuttgart, Düsseldorf Vor vier Wochen sorgte Porsche für Aufsehen mit der Ankündigung, in Tübingen eine Fabrik für Hochleistungsbatterien in einem Joint Venture mit dem Partner Customcells zu bauen. Jetzt beteiligt sich Porsche Ventures im Rahmen einer Finanzierungsrunde sogar direkt am Batteriepartner, wie aus einer Mitteilung hervorgeht.
Die Höhe der Beteiligung, heißt es in Branchenkreisen, soll bei über zehn Prozent liegen. Die Anteile stammen von der P3-Group. Der Sportwagenbauer wollte zu den Details nichts sagen.
„Die Beteiligung zahlt auf die Batteriestrategie von Porsche ein“, sagte Ulrich Thiem von Porsche Ventures. Die Zuffenhausener stoßen mit ihrer Beteiligung zu den Leadinvestoren Vsquared Ventures und 468 Capital. Bei der Finanzierungsrunde geht es laut Brancheninformationen um 20 bis 30 Millionen Euro. Die Gründer von Customcells, Leopold König und Torge Thönnessen, bleiben auch nach dem Funding Mehrheitsgesellschafter des Unternehmens.
Porsches Engagement ist überschaubar. Berücksichtigt man jedoch den Bau der Batteriefabrik, dann untermauert der aktuelle Schritt, wie ernst es der hochprofitable Autobauer mit dem Einstieg in die Batteriezelle meint. „Die Batteriezelle ist der Brennraum der Zukunft“, ist Porsche-Chef Oliver Blume überzeugt. Und hier will sich die exklusive VW-Tochter von der Konkurrenz abheben.
Customcells konzipiert und fertigt Lithium-Ionen-Batterien nach den spezifischen Wünschen von Kunden. Bislang hat das Unternehmen vor allem Nischen bedient. Das könnte sich mit der Porsche-Kooperation ändern. „Wir sind stolz darauf, diesen Weltmarktführer in der Zellinnovation, bei der Skalierung und dem Aufbau des Geschäfts in Richtung Großserienfertigung von neuartigen Klassen von Hochleistungsbatterien in Europa zu unterstützen“, sagt Herbert Mangesius von Vsquared Ventures.
Die Produktion soll 2024 mit einer Jahreskapazität von 1000 Batterien starten – zunächst für den Rennsport und spezielle Modelle von teuren Sonderserien. Eine spätere Ausdehnung der Technologie auf andere Topmodelle schloss Blume nicht aus.

Porsche holt sich Anteile am Startup Customcells.
Customcells ist das jüngste Beispiel dafür, dass die deutschen Autobauer nach jahrelangem Zögern jetzt doch versuchen, die Produktion von Lithium-Ionen-Batteriezellen für Elektroautos selbst voranzutreiben. Porsches Mutter Volkswagen nimmt Milliarden in die Hand, um mit Partnern Zellfabriken aus dem Boden zu stampfen. Auch Daimler hat vergangene Woche angekündigt, selbst Zellfabriken mit Partnern hochzuziehen. Bei BMW steht die Entscheidung noch aus.
Bei Daimler war das Ansinnen, eine eigene Wertschöpfung bei Batteriezellen aufzubauen, bis vor zwei Jahren noch ein absolutes Tabuthema. Schließlich ist der Mercedes-Hersteller Ende 2015 schon einmal beim Versuch gescheitert, in die Massenproduktion des Herzstücks von Akkus für Elektroautos einzusteigen. Das Trauma von Kamenz wirkte lange nach.
Daimler macht große Schritte in Richtung Elektromobilität
Doch seither haben sich die Rahmenbedingungen geändert. Der Umstieg auf alternative Antriebe kommt durch verschärfte Klimaziele schneller als erwartet – Engpässe und Abhängigkeiten in der Batterieversorgung drohen. Auch Daimler ist gezwungen, das Modellportfolio im Eiltempo unter Strom zu setzen. Mercedes bereitet sich darauf vor, schon ab 2030 nur noch Neuwagen mit Elektroantrieben zu verkaufen.
Im Zuge der neuen „Electric only“-Strategie will der Konzern nun mittelfristig acht Gigafabriken zur Fertigung von Batteriezellen hochziehen. Vier Werke sollen in Europa entstehen, drei in Asien und eine Produktion in den USA. Geplant ist eine jährliche Kapazität von insgesamt 200 Gigawattstunden. Der Wiedereinstieg in die Zellfertigung soll nicht zuletzt dazu beitragen, dass „Europa auch im Elektrozeitalter ein Zentrum der Autoindustrie bleibt“, betont Daimler.
Der Konzern will insbesondere seine Verbrenner-Standorte mit der Ansiedlung von Batterietechnik „transformieren“. Offiziell beteuert Daimler, dass die Standortauswahl noch nicht gefällt ist. Klar ist: Der Konzern will unabhängiger von seinen asiatischen Zelllieferanten werden und zumindest auch mit einem europäischen Anbieter paktieren. Für die geplanten Werke in Asien dürften die Schwaben aber vollends auf ihre beiden chinesischen Partner CATL und Farasis setzen.
Der Strategieschwenk bei Daimler zeigt: Batterie ist nicht Batterie. Nur wer in der Lage ist, die beste Elektrochemie bei Zellen zu entwickeln und zu produzieren, wird eine führende Rolle im Stromzeitalter einnehmen können. Die Batterie samt Leistungselektronik und die Zellen als Kern sind der neue Differenziator.
Zulieferer können sich dem Trend kaum entziehen
Dieser Logik können sich auch die großen deutschen Zulieferer nicht entziehen. Sie stehen verstärkt unter Druck, sich in geeigneter Form an der Aufgabe zu beteiligen. Bosch, Continental und ZF haben bislang keine Ambitionen gezeigt, in das kapitalintensive Geschäft einzusteigen.
Bosch bleibt bislang bei der 2018 getätigten Absage. Auch der neue Conti-Chef Nikolai Setzer ist kein Freund der Batteriefertigung, ebenso wie sein Vorgänger Elmar Degenhart. Sie habe nie zum Kerngeschäft gezählt, sagte Setzer zuletzt dem Handelsblatt. So argumentieren fast alle Zulieferer.
Dabei wäre auf Basis der Industrielogik die Batterie ein typisches Geschäftsfeld für die Zulieferer. Bei den Zellen geht es um die Produktion hoher Mengen von denselben beziehungsweise sehr ähnlichen Komponenten in hoher Qualität. Zulieferer können hier über Skaleneffekte ihre Margen erzielen. Sie können die Zellen nämlich an viele verschiedene Hersteller verkaufen.
Das Problem: die Kosten. Um jetzt noch Batteriezellfabriken zu bauen, die den künftigen Bedarf decken, müssten die Zulieferer innerhalb kürzester Zeit zweistellige Milliardensummen aufbringen. Für Bosch wäre es finanziell gesehen ein existenzieller Kraftakt, Continental könnte die Investitionen allein nicht stemmen. Und ZF verschwendet nicht einmal einen Gedanken an Zellchemie.
Die Autoindustrie übt direkte Kritik
Auf dem letztjährigen Handelsblatt-Autogipfel kritisierte VW-Chef Herbert Diess das Zaudern der deutschen Autozulieferer. „Die Batteriezellfertigung wäre eigentlich ein Betätigungsfeld für die deutsche Zuliefererindustrie“, sagte Diess. Das erklärt auch, warum die deutschen Auto-CEOs nicht lockerlassen.
Aus Branchenkreisen heißt es, dass sowohl Daimler-Chef Ola Källenius als auch Diess auf Conti und Bosch immer wieder einreden, um sie doch noch von einem Einstieg zu überzeugen –womöglich mit einem Kooperationsmodell mit den jeweiligen Autobauern, um die finanziellen Anfangsbelastungen auf mehreren Schultern zu verteilen. „Das ist der letzte Aufruf für die Autozulieferer, doch noch in die Zellfertigung einzusteigen“, ist Autoprofessor Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management überzeugt.
Offiziell zählt Volkswagen in der Batteriefrage nicht mehr auf die deutschen Zulieferer – und versucht, aus der Not eine Tugend zu machen: „Wir erleben noch echte Quantensprünge in der technologischen Entwicklung“, sagte Technikvorstand Thomas Schmall dem Handelsblatt. „Damit gehen wir auch stärker ins Risiko – was man als Autohersteller sonst eher den Zulieferern überlässt.“

Branchenkreisen zufolge versucht der VW-Chef ebenso wie Daimler-CEO Källenius die deutschen Zulieferer von einem stärkeren Engagement zu überzeugen.
Bis zum Jahr 2030 wird der Konzern allein in Europa sechs sogenannte „Gigafactories“ mit einer Jahreskapazität von jeweils 40 Gigawattstunden (GWh) errichten. Diese Menge sollte ausreichen, um jährlich gut fünf Millionen Elektroautos mit den nötigen Batterien zu bestücken. Über die Höhe der dafür notwendigen Investitionen schweigt sich Volkswagen aus. Branchenschätzungen sprechen von 15 bis 20 Milliarden Euro.
Auch für die Wolfsburger ist das allein zu viel. VW ist deshalb auf Partnersuche gegangen: Andere Unternehmen sollen mit ihrem Geld dabei helfen, die benötigten Zellwerke zu errichten. Es sind neue Partner, eben nicht die klassischen Zulieferer wie Bosch und Conti.
Im nordschwedischen Skelleftea etwa errichtet Northvolt für den Autobauer eine neue Zellfabrik für Hochleistungsbatterien, die vor allem die Premiumtöchter Audi und Porsche mit Zellen versorgen soll. Für den Bau der Zellfabrik im niedersächsischen Salzgitter kooperiert Volkswagen mit dem chinesischen Batteriehersteller Gotion. Für eine weitere Zellfabrik in Spanien dürfte sich Volkswagen mit dem Energiekonzern Iberdrola zusammentun.
Bleibt der Finanzbedarf für den Aufbau der eigenen Zellfertigung hoch, kann sich Volkswagen auch vorstellen, das neue Zellgeschäft an die Börse zu bringen. „Wir schließen zunächst nichts aus“, so Technikvorstand Schmall. Ein größeres Problem ist die Zeit. Die neuen Zellfabriken müssen rechtzeitig fertig werden. Wegen der verschärften EU-Emissionswerte rechnet VW damit, dass etwa auf dem deutschen Markt im Jahr 2030 rund 80 Prozent aller verkauften Neuwagen elektrisch angetrieben sein müssen.
Der Batterieplan von Volkswagen ist auf Kante genäht – doch Rückschläge sind nicht vollends ausgeschlossen. Das muss auch Konzernchef Diess eingestehen. „Batterien werden eine Zeit lang knapp sein“, sagte er dem Handelsblatt. Das wird den Chef von Europas größtem Autobauer schmerzen. Und er wird sich erinnern, wer ihm dabei geholfen hat, mit den Konsequenzen umzugehen. Das dürfte auch den künftigen Bosch-Chef Stefan Hartung umtreiben
Mehr: Daimlers Wiedereinstieg in die Batteriezellfertigung ist richtig – er kommt aber reichlich spät.
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