Erich, Martin und Philipp Kollmar Ein Trio auf Einkaufstour für den Maschinenbauer Bellmer

Brüderlich geteilte Aufgaben.
Niefern Sie heißen Erich, Martin und Philipp Kollmar, und eigentlich ist egal, dass Philipp nicht beim Gespräch dabei ist. Einer der drei Brüder ist immer weg – im Ausland, beim Kunden oder in der Produktion. Aber auch in der Zwei-Drittel-Besetzung wird schnell klar, warum den drei Brüdern das Kunststück gelingt, seit fast 20 Jahren gemeinsam den Maschinenbauer Bellmer zu führen: Hier wird gemeinsam entschieden, brüderlich und kollegial.
Das Unternehmen ist auf besondere Papiermaschinen spezialisiert: für Banknoten, Verpackungspapiere und auch Maschinen für Umwelttechnik. Mit dieser Spezialisierung gelang es, der großen Krise der Papiermaschinen für Zeitungsdruck auszuweichen. Massenentlassungen wie bei Voith blieben der Firma aus Niefern nahe Pforzheim im Nordschwarzwald erspart. Mitten in dem beschaulichen Örtchen liegt der Firmensitz von Bellmer – ein Bau mit dem Charme der 1920er-Jahre.
Das Foyer mit Ahnengalerie wirkt authentisch wie der Besprechungsraum, aber eben heutzutage etwas aus der Zeit gefallen. Die Brüder Kollmar stört das nur wenig. Sie geben sich uneitel und bodenständig. Erst hatten sie überlegt, auch die Firmenleitung in das topmoderne Werk am Ortsrand zu verlegen, sind aber dann doch geblieben. Die neuen Kunden sollen die Tradition spüren und wie nachhaltig das Unternehmen seit 150 Jahren und heute in der sechsten Generation geführt wird.
Erfolg durch bedachte Akquisitionen
Eines der Erfolgsgeheimnisse liegt in einer klaren Aufgabenteilung, die auf die jeweiligen Fähigkeiten der Brüder zugeschnitten ist. Das Resultat kann sich sehen lassen mit Wachstumsraten zwischen acht und zehn Prozent. In den vergangenen fünf Jahren hat sich der Umsatz auf mehr als 150 Millionen Euro fast verdoppelt. Und anders als beim Radeln geht der Finanzchef nur kalkulierbare Risiken ein. Akquisitionen streben sie an, wenn sie nicht zu groß sind. Die Brüder müssen gar nicht groß suchen. Die Firmen werden ihnen angeboten – wie 2013 das finnische Familienunternehmen Vaahto oder 2015 die spanische GapCon, der größte Brocken mit 25 Millionen Euro Umsatz. Und die Expansion in Spanien zahlt sich auch als Brückenkopf für Südamerika aus. 80 Prozent der Erträge erzielt Bellmer im Ausland.
In der Branche brachten ihnen die Firmenkäufe Anerkennung und Kritik zugleich. „Sie sind sehr stark durch Akquisitionen gewachsen. Und sie sind nicht so stark von der Krise betroffen gewesen, weil sie in Nischen aktiv sind“, sagt ein Firmenkenner, der nicht namentlich genannt werden möchte. Ein kleinerer Konkurrent spricht von einer aggressiven Preispolitik des Trios.
Jeder der Brüder hat seine Domäne. „Philipp hat schon immer an allem rumgebastelt. Irgendwie war klar, dass er ein Ingenieur wird“, sagt Martin Kollmar, an diesem Tag mit einem gebrochenen Ellenbogen gehandicapt. Aber der Sturz vom Mountainbike ist für ihn kein Grund, den Termin abzusagen. Unter den Brüdern gilt er als der mutige mit den meisten Knochenbrüchen. Sein Job im Unternehmen ist freilich ein ganz anderer. Der 51-Jährige kümmert sich um die Finanzen. „Seit ich dabei bin, gab es immer einen Gewinn und Wachstum.“ Der Absolvent der EBS wollte erst fertig studieren und dann entscheiden, ob er im Familienbetrieb anfängt.
Der Vater nahm dies für den Sohn allzu wörtlich. Direkt bei der Diplomfeier, stand der Senior da und sagte: „Du kannst Montag anfangen.“ Der kaufmännische Leiter würde in zwei Jahren aufhören. Die Pause zwischen Studium und Firmeneintritt dauerte dann doch länger als ein Wochenende, aber er kam. Martin Kollmar war der erste der Brüder im Unternehmen, weil das Ingenieurstudium des ältesten etwas länger dauerte. Als Finanzchef verpasste er der Firma gleich ein neues Controlling-System.
Am schwersten tat sich zunächst der Jüngste mit dem Eintritt ins Unternehmen. Erich Kollmar, wollte eigentlich etwas mit Grafikdesign machen. Er merkte aber schnell, dass die Kommunikation zwischen Kunden und Werbern häufig nicht funktioniert. „Weil die Werber meist keine Ahnung von dem haben, was die Unternehmen tun“, sagt Erich. Er studierte dann lieber Wirtschaftsingenieurwesen in Darmstadt und kam 1996 ins Unternehmen. Er konzentriert sich seitdem mit seinem kommunikativen Talent auf den Vertrieb.
Seither bestimmen die drei Brüder die Geschicke des Unternehmens mit seiner beachtlichen Tradition. 1842 verkaufte Gottlieb Casanova für 1700 Gulden eine Papiermühle in Niefern an die Mechaniker Franz Bauer und Carl Bellmer. Die Kompagnons allerdings wollten nicht einfach eine der rund 800 Papiermühlen in Deutschland betreiben, sondern setzten auf die Mechanik und Handwerk. Mit einem Hobel- und einer Bohrmaschine, einem Schleifstein, drei Ambossen und acht Schraubstöcken – begann die Urzelle der heutigen Maschinenfabrik. 1844 wurde mit dem Bau von Ausrüstungen für die Papier- und Kartonherstellung begonnen, 1861 mit der Produktion von Papiermaschinen. Bereits im Jahre 1900 wurden Anlagen zur Wiederaufbereitung von Altpapier fabriziert. Zehn Jahre später wagte sich das Unternehmen an die Erstellung kompletter Papier- und Zellstofffabriken im In- und Ausland. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde mit zunächst 40 Beschäftigten der Betrieb wieder aufgenommen.
Wichtig sind für das Familienunternehmen auch die Entscheidungen, etwas nicht mehr zu tun. Ende der 80er-Jahre verabschieden sich die Bellmers aus der hochwettbewerbsintensiven Fertigung von Maschinen für Tissue- und Hygienepapier. Auch das kleinere regionale Geschäft mit Pressen für den Weinbau geben sie auf, obwohl das in der Region schmerzt. In Branchenkreisen wird den Kollmars bescheinigt: „Die Brüder treten bei Kunden sehr forsch und selbstbewusst auf.“
Und warum funktioniert das Bellmer-Trio heute. Nur wegen der Arbeitsteilung? „Jeder hat seinen Spezialbereich“, räumt Martin Kollmar ein, „aber gleichzeitig kann jeder auch jeden jederzeit vertreten.“ Und haben sie sich nie geprügelt oder um die besten Stücke vom Kuchen gestritten? „Es gab immer das Gesetz, einer teilt und darf erst als Letzter nehmen. Bei uns wurde immer sehr präzise geteilt“, sagt Erich und lächelt. Im Unternehmen war freilich eine andere Regel wichtiger: „Kein Veto ohne konstruktiven Gegenvorschlag“, betont Martin Kollmar. Und bei den wichtigen Entscheidungen haben sie sich immer arrangiert.
Und ein weiteres Geheimnis, warum das Trio als Familienunternehmen funktioniert, ist die Einbindung der Ehefrauen. „Wir haben früh mit einem gemeinsamen Ausflug aller Familien zum 1. Mai begonnen“, sagt Martin Kollmar. Sie gingen sogar gemeinsam in den Urlaub. Die Harmonie der Brüder habe sich auf die gesamten Familien übertragen. Insgesamt gibt es in der nächsten Generation schon acht Kollmars im Alter von zwölf bis 22 Jahre. Die nächste Generation steht bereit.
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