Firmenkredite Schuldenlast der Unternehmen wächst in der Pandemie rasant

Viele Händler werden den Corona-Lockdown nicht überleben.
Düsseldorf In der Corona-Pandemie ist die Schuldenlast deutscher Unternehmen deutlich gewachsen. Das zeigt eine Untersuchung der Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group (BCG) von mehr als 400 Firmen aus 30 Branchen, die dem Handelsblatt vorliegt. Allein bis zum Sommer 2020 ist deren Verschuldung im Vergleich zum Vorjahr um 13 Prozent auf 1,5 Billionen Euro gestiegen.
Gründe sind die staatlichen Hilfsfinanzierungen und Kredite in vielen notleidenden Branchen sowie die in der Krise gestiegene Aufnahme von Bankkrediten. Die Zahl dürfte seit dem Herbst 2020 im Zuge des erneuten Lockdowns weiter gestiegen sein.
Die BCG-Analyse zeigt, dass sich bei vielen Firmen zugleich wichtige Kennzahlen klar verschlechtern. In der Krise sinken Gewinne und Eigenkapitalquoten teilweise kräftig. Das gilt vor allem für die typischen von den Pandemie betroffenen Branchen wie Handel und Touristik – aber nicht nur.
Auch bei Automobilzulieferern beobachten die Experten die Entwicklung. „In den Bilanzen vieler Unternehmen zeigt sich eine Schere: Die Verschuldung steigt, zugleich verschlechtern sich aber die Ergebnisse“, sagt Jochen Schönfelder, Leiter Restrukturierungspraxis und Transformation bei BCG.
Diese Schere wird in den kommenden Monaten zu deutlich mehr Sanierungsfällen und Insolvenzen führen, erwarten viele Experten. Aktuell ist die Pflicht zu Insolvenzanmeldung in bestimmten Fällen weiterhin ausgesetzt, was als wesentlicher Grund für die anhaltend niedrige Zahl gesehen wird. 2020 war die Zahl der Insolvenzen sogar rückläufig, sie hat sich im Februar nach Berechnungen des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) auf niedrigem Niveau stabilisiert.
Das wird aber nicht so weitergehen. Die Bundesregierung selbst erwartet zwar im weiteren Jahresverlauf keine große Pleitewelle, geht aber von einer deutlich steigenden Zahl an Insolvenzen aus, wie aus einer aktuellen Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervorgeht. Denn wenn die staatlichen Hilfsgelder und Kredite enden, stehen viele Firmen vor einer schwierigen Situation.
„Die deutlich gestiegene Verschuldung wird die Unternehmen auf Dauer schwer belasten“, sagt BCG-Restrukturierungsexperte Schönfelder. „Wenn die Konjunktur wieder voll anspringt, werden vor allem die derzeit angeschlagenen Firmen Probleme in der Refinanzierung bekommen.“
Zwar müssen sie aktuell kaum Zinsen zahlen. Doch mit hohen Lasten und schwachen Geschäften werden sie schwieriger an neues Kapital kommen. Zudem werden die angeschlagenen Firmen auf absehbare Zeit kaum zum Schuldenabbau fähig sein. „Das Bangen um die Zukunft geht dann weiter“, sagt Schönfelder.
Das sehen auch Wirtschaftsexperten so. „Die Stunde der Wahrheit wird für viele Unternehmen dann schlagen, wenn der Staat mit dem Abklingen der Pandemie die Wirtschaftshilfen zurückfährt“, erwartet Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Unter der drückenden Schuldenlast würden viele die nötigen Investitionen kaum tätigen können.
Händlern fehlt die Perspektive
Dabei geht es zunächst nicht einmal um Investitionen in langfristige Themen wie die digitale Transformation. Unternehmen brauchen Kapital, wenn sie ihre Geschäft wieder hochfahren: Einzelhändler müssen die Waren ordern und Läger auffüllen. Industriebetriebe müssen ihre Bestände vorfinanzieren.
Das wird aber mit hoher Verschuldung und pandemiebedingt fehlenden Umsätzen für Unternehmen herausfordernd. So sind die Einnahmen der Händler im Januar noch einmal kräftig gefallen. Ihnen fehlt eine Perspektive der Besserung. „Viele werden das rettende Ufer trotz Lockdown-Lockerungen nicht erreichen“, erwartet Alexander Krüger, Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe.
Die Schließung von Mode- und Luxuswarengeschäften in den Innenstädten zeugt bereits von dieser Entwicklung. In diesem Segment brach der Umsatz im Januar um 76,3 Prozent im Vergleich zum Januar 2020 ein. Dennoch müssen die Modehändler jetzt für die Sommersaison planen und Ware ordern – dafür fehlt es vielen schlicht an Finanzkraft.
Angeschlagen ist aber nicht nur der Handel oder die Touristik, wie die Analyse von BCG zeigt. Die Experten der Unternehmensberatung haben bei 42 Prozent der untersuchten Unternehmen Krisensymptome entdeckt. Umsatz- und Gewinnrückgänge treffen auch hier auf höhere Verschuldung: etwa bei Autozulieferern und Medienunternehmen.
Die Daten von BCG zeigen, dass Unternehmen aus den genannten Branchen schon vor Corona in einer Abwärtsspirale bei den Ergebnissen steckten. Die Pandemie hat diesen Effekt noch verstärkt.
Die zunehmende Verschuldung jedenfalls ist schon seit mehreren Jahren zu beobachten: Bei den von BCG analysierten 414 Unternehmen lag der Schuldenstand 2015 noch bei 995 Milliarden Euro – danach stieg er kontinuierlich auf den für 2020 ermittelten Wert von 1,5 Billionen Euro.
Die Entwicklung liegt auch daran, dass frisches Kapital für Unternehmen seit Jahren billig ist und ihnen bisher bereitwillig Geld gegeben wurde. „Der Anlagedruck des Kapitalmarkts ist hoch, es gibt viel Geld auch für Firmen in angeschlagenen Sektoren oder mit keinem stabilen Geschäftsmodell“, beobachtet Sascha Haghani, Leiter der Restrukturierungspraxis bei Roland Berger. Aus seiner Sicht baut sich da eine gefährliche Situation auch für die Kreditgeber auf.
Die Bundesbank sieht die deutschen Banken angesichts steigender Kreditausfälle in der Coronakrise vor einem Härtetest. Noch ist die Lage aber unübersichtlich: Sparkassen wie die in Hamburg bauen ihre Risikovorsorge wegen möglicher Zahlungsausfälle bei Firmenkunden bereits kräftig aus. Die Sparkassen in Westfalen zeigen sich da aktuell noch optimistischer.
Lang anhaltender „Reparaturmodus“
Das dürfte auch daran liegen, dass in Nordrhein-Westfalen viele Industrieunternehmen sitzen, die bisher recht gut durch die Krise kommen. Sie nutzen ihre teils kreditfinanzierte Flexibilität schon wieder für Zukäufe, wie es etwa der Kunststoffhersteller Covestro jüngst zeigte.
Auch BCG geht davon aus, dass die deutsche Wirtschaft in den kommenden Monaten ein zwiespältiges Bild abgeben wird. Einige Firmen werden bei einer Markterholung recht schnell wieder auf eine altes Performance-Niveau kommen, erwartet BCG-Experte Schönfelder. Zugleich werde es bei den angeschlagenen Firmen einen länger anhaltenden „Reparaturmodus“ geben – also eine Phase von Restrukturierungen im operativen Geschäft und bei der Finanzierung.
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billiges Geld - kein Allheilmittel!
Seit Beginn der Einschränkungen der Wirtschaft zur Bekämpfung der Pandemie werden die Förderungen durch Zuschüsse und Kredite stetig erhöht. Zuschüsse kompensieren direkt ausgefallene Gewinne und müssen nicht zurückbezahlt werden. Sie helfen den Selbstständigen und Unternehmen also direkt und dauerhaft. Soweit ausbleibende Erträge selbst nicht zu beeinflussen waren, ist die Unterstützung für mich legitim.
Die öffentlichen Kreditförderungen werden stetig ausgeweitet. Grundsätzlich bin ich ein Befürworter, Unternehmen mit sehr viel Liquidität(spuffer) auszustatten! So baut man eine Brandmauer auf. Diese soll und kann aber nur dafür genutzt werden, das Unternehmen durch temporäre Krisen zu führen und um es auf die Zukunft auszurichten.
„Die Zeiten“ ändern sich zwar stetig und vermutlich tatsächlich immer schneller, aber das Darwinsche Gesetz hat weiterhin Bestand – heute und morgen vielleicht mehr denn je!
Wir müssen unsere Unternehmen heu-te so ausrichten, dass wir damit die Bedürfnisse unserer Kunden morgen und übermorgen befriedigen! Nutzen Sie die Liquiditätshilfen heute, um sich die Zeit und gedanklichen Freiräume zu erschaffen, damit Sie an der Zukunft Ihres Unternehmens arbeiten. Dies soweit möglich konsequent vom Kundennutzen gedacht. Überprüfen Sie hierzu auch, anhand welchen Kennziffern Sie Ihr Unternehmen steuern. Kennen Sie die Werttreiber Ihres Unternehmens heute und für die Zukunft und erarbeiten sich einfache und transparente Kennziffern, mit denen Sie sich ein Frühwarnsystem aufbauen und Leitplanken setzen.
Die Hilfs- und Förderkredite mit ihren günstigen Zinsen mögen heute helfen, müssen aber von den Erträgen morgen und übermorgen bedient werden.
Christopher Käser-Ströbel