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Flugzeughersteller Airbus und Boeing stecken in der Klimafalle

Trotz CO2-Debatte zeigen die Flugzeugkonzerne wenig Bereitschaft zum Umdenken. Experten sehen bei Airbus und Boeing gefährliche Parallelen zur Autoindustrie.
06.02.2020 - 08:07 Uhr 1 Kommentar
Rechnet man ein, dass ein Flugzeug seine Abgase in zehn Kilometer Höhe freisetzt, beziffern Klimaforscher den Beitrag der Zivilflotte zu Emissionen mit Klimafolgen auf sechs bis acht Prozent – einer der größten überhaupt. Quelle: imago images/rheinmainfoto
Airbus A330

Rechnet man ein, dass ein Flugzeug seine Abgase in zehn Kilometer Höhe freisetzt, beziffern Klimaforscher den Beitrag der Zivilflotte zu Emissionen mit Klimafolgen auf sechs bis acht Prozent – einer der größten überhaupt.

(Foto: imago images/rheinmainfoto)

Paris, Frankfurt Eine gefährliche Mischung aus Risikoscheu und dem Gefühl der Unangreifbarkeit führt die großen Flugzeugbauer Airbus und Boeing auf Abwege: Sie sind dabei, die Herausforderungen des Klimawandels zu ignorieren.

Nicht nur die krisengeschüttelte Boeing, auch der erfolgsverwöhnte deutsch-französische Musterkonzern Airbus erkennt zwar allgemein die Notwendigkeit an, die CO2-Emissionen zu mindern. Doch konkret setzen sie wie in der Vergangenheit auf ein Vorgehen in kleinen Schritten.

Das Duopol will nicht wahrhaben, dass ein Gewitter aufzieht: Weder die Fluggäste noch die Politik werden noch lange hinnehmen, dass Zivilflugzeuge ständig mehr klimaschädliches CO2 in die Luft blasen, während der Globus unter den Folgen des Treibhauseffektes ächzt. „Die Luftfahrt steuert auf ein ähnlich dramatisches Szenario zu wie die Autoindustrie“, fürchtet Pascal Fabre von der Unternehmensberatung Alix Partners.

Die Autobranche redete lange übers Klima, tat wenig und wurde dann von harten EU-Normen überrascht. Heute sieht sie „ihre Existenz gefährdet“,  wie Peugeot-Chef Carlos Tavares gerne in Interviews sagt.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat ein klares Ziel verordnet: In 30 Jahren muss die Staatengemeinschaft klimaneutral sein. Das bedeutet: Es darf nur noch so viele vom Menschen gemachte CO2-Emissionen geben, wie Wälder und andere Klimasenken aufnehmen.

Die Luftfahrt aber fährt ihren Ausstoß nicht zurück, sie legt sogar jedes Jahr noch zu. „Jedes Jahr nehmen die CO2-Emissionen der zivilen Luftfahrt um drei Prozent zu“, stellt Damien Lasou von Expleo fest. Expleo ist eine weltweit tätige Ingenieurgesellschaft, die vor allem für die Luftfahrtindustrie arbeitet.

Lasou erläutert die Lage in knappen Sätzen: „Seit Jahrzehnten bringt jede neue Generation von Flugzeugen eine Treibstoff-Ersparnis von zehn bis 15 Prozent.“ Doch weil der Markt weltweit wächst, das Verkehrsaufkommen sich alle zwölf Jahre verdoppelt, pustet die Flotte der Zivilflugzeuge trotzdem mehr Klimagift in die Atmosphäre.

Konzerne blenden die Realität aus

Der Hinweis der Branche, man stehe nur für zwei bis drei Prozent der gesamten CO2-Belastung, verfängt nicht. Rechnet man ein, dass ein Flugzeug seine Abgase in zehn Kilometer Höhe freisetzt, beziffern Klimaforscher den Beitrag der Zivilflotte zu Emissionen mit Klimafolgen auf sechs bis acht Prozent – einer der größten überhaupt.  

Nach Ansicht eines Top-Experten blenden die großen Flugzeughersteller diese Realität aus. „Airbus glaubt offenbar, auch in 30 Jahren noch Flugzeuge so bauen zu können wie heute: man nehme eine Röhre, klebe zwei Flügel dran und hänge zwei Motoren drunter – fertig. Aber so wird es nicht mehr laufen“ warnt Philippe Petitcolin.

Der Mann ist kein Grüner oder Chef einer NGO – er führt den Technologiekonzern Safran, einer der wichtigsten Zulieferer von Airbus. Die von Safran und GE gebauten Leap-Motoren sind für den größten Teil der Verbrauchsminderungen verantwortlich, auf die Boeing und Airbus gern verweisen

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Petitcolin, selber Franzose, vermisst beim deutsch-französischen Paradeunternehmen den nötigen Ehrgeiz, wenn es um weitere CO2-Minderungen geht. Der aktuelle Rhythmus reiche nicht mehr. „In der nächsten Generation von Flugzeugen brauchen wir einen Quantensprung“, stellt der Manager fest. Die Emissionen jedes Fliegers müssten um 35 Prozent sinken.

Das gehe nur mit völlig neuen Konzepten. Safran arbeitet daran: Seine Vision sind Flieger, bei denen Motoren mit offenem Rotor am Heck der Maschine sitzen, nicht mehr unter den Tragflächen, weil dort der Platz nicht mehr ausreicht.

Die US-Weltraumbehörde Nasa will bereits in diesem Jahrzehnt ein Passagierflugzeug mit völlig neuer Motorenanordnung starten, ähnlich wie bei einem Kampfflieger integriert in die Außenhülle, was hohe Verbrauchsminderungen erlaubt. Andere Firmen arbeiten an einem „fliegenden Flügel“, der die Passagiere in breiten Reihen aufnimmt. Die Arbeit an disruptiven Technologien hat längst begonnen. Doch Boeing und Airbus setzen weiter auf Röhre, Flügel, Motor.

Gerade Boeing zeigt, wie gefährlich es ist, nur auf die bekannte Technologie zu vertrauen und Innovationen hinten an zu stellen. Der US-Konzern hat über Jahre beim Thema Neuentwicklung von Flugzeugen gezaudert. Man scheute das Investitionsrisiko, gab den Gewinn stattdessen lieber in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen an die Aktionäre zurück. Auf der Produktseite versuchte man im Gegenzug, die vorhandenen Flugzeugmuster zu modernisieren.

Max-Krise setzt Boeing zu

Doch das ging gründlich daneben, wie die schwere Krise um die 737 Max zeigt. Zwar hatte der Konzern vor Jahren die Planungen für einen komplett neuen Nachfolger für die betagte 737 begonnen. Doch die Pläne wanderten in die Schublade.

Als Airbus mit der Modernisierung seiner A320-Familie vorpreschte, startete Boeing hektisch seinerseits die Überholung der 737, die zur Max wurde. Doch der Jet hat erhebliche technische Mängel, auch weil die grundsätzliche Flugzeugstruktur des Jets schlicht überholt ist und seine Grenze erreicht hat.

Ähnliches wiederfuhr Boeing später beim Thema Langstrecke. Auch hier sollte eigentlich ein komplett neuer Jet her. Doch wieder scheute das Management die Entscheidung. Nun soll eine überholte Boeing 777, die 777-X, Boeing in diesem Segment in die Zukunft führen. Das Flugzeug absolvierte vor wenigen Tagen seinen Jungfernflug.

Ob und wann der US-Konzern an die Entwicklung eines komplett neuen Flugzeugmusters geht, ist derzeit offener denn je. Denn die Max-Krise zehrt an der Bilanz. Das Boeing-Management will sich erst einmal um andere Dinge kümmern.  

Airbus ist in einer besseren Lage: Der Korruptionsskandal schwebte lange wie ein drohendes Verhängnis über ihm. Seit der vergangenen Woche kann er ihn fürs erste abhaken, wenn auch mit einer extrem hohen Geldbuße von 3,6 Milliarden Euro. Die aber ist zu verkraften: Die Kunden stehen Schlange, mit der A320-Familie fährt Airbus Milliarden Euro an Gewinnen ein.

Am Hauptsitz in Toulouse zeigt sich Nicolas Chrétien, der Verantwortliche für Nachhaltigkeit bei Airbus, sehr umweltbewusst: „Viel ist schon erreicht worden, die Flugzeugindustrie hat den Treibstoffverbrauch und die CO2-Emissionen je Sitz und Kilometer um 80 Prozent verringert, den NOx-Ausstoß um 90 Prozent und den Lärmpegel um 75 Prozent. Umweltbewusst zu sein bleibt dennoch eine Top-Priorität für Airbus, und wir nehmen diese Verantwortung sehr ernst.“

Weiter Weg zum emissionsfreien Fliegen

Die Zahlen stimmen, ändern aber nichts daran, dass aufgrund des Flottenwachstums die Gesamtbelastung mit klimaschädlichen Abgasen steigt und nicht stagniert oder sinkt. Wie der Rest der Flugzeugindustrie auch will Airbus von der Klimaneutralität bis2050 nichts wissen. Die Hersteller und Airlines verlangen für sich eine Ausnahme: „Bis 2050 wollen wir die Emissionen halbieren im Vergleich zum Stand von 2005.“ präzisiert Chrétien.

Irgendwann in der ferneren Zukunft soll es besser werden: „Wir setzen uns für eine nachhaltige Zukunft des Fliegens ein und streben erste Flieger mit null Emissionen um 2035 an.“ verspricht der Airbus-Manager.

Das sind gerade mal 15 Jahre, wie soll das gehen? An diesem Punkt weicht Airbus aus, spricht von einem Bündel von Maßnahmen, die von besseren Flugrouten über alternative und Bio-Kraftstoffe, neuartige Flügelformen bis zum elektrischen Fliegen reichen.

Elektroflugzeuge sind in der Tat emissionsfrei. Der Haken an der Sache ist, dass Flugzeuge mit 200 Passagieren oder mehr, wie sie auf Mittel- und Langstrecken benötigt werden, auf absehbare Zeit nicht, vielleicht sogar nie mit Elektromotoren betrieben werden dürften. Das Verhältnis von Leistung und Gewicht ist bei den Batterien viel zu schlecht.

„Nicht einmal kleinere Maschinen mit einem Gang (single aisle) werden mit Elektromotoren betrieben werden“, erwartet Luftfahrt-Berater Fabre. Die Strom-Variante komme wohl nur für Business-Flugzeuge mit sechs bis acht Plätzen in Frage.

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1 Kommentar zu "Flugzeughersteller: Airbus und Boeing stecken in der Klimafalle"

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  • Viel ist schon erreicht worden, die Flugzeugindustrie hat den Treibstoffverbrauch und die CO2-Emissionen je Sitz und Kilometer um 80 Prozent verringert, den NOx-Ausstoß um 90 Prozent und den Lärmpegel um 75 Prozent.
    Wieso wird wird so etwas in dem Artikel wiedergegeben ohne zu erklären in welchen Zusammenhang es jemals stand.

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