Grammer-Chef Hartmut Müller „Wir haben unisono ein Störgefühl“

„Wenn ich das Problem sein sollte, ist das ganz schnell lösbar.“
Seit 30 Jahren ist Hartmut Müller, 54, bei Autozulieferern tätig, erst bei Continental, dann bei Valeo. 2007 wurde er Vorstandschef der Grammer AG aus Amberg. Dort kämpft der Maschinenbauingenieur seinen härtesten Kampf.
Herr Müller, bei Ihnen greift die Familie Hastor mit ihrer Firma Prevent nach der Macht – gegen erbitterten Widerstand. Haben Sie die Fälle feindlicher Übernahmen in Deutschland noch mal studiert?
Natürlich, aber jeder Fall ist speziell. Und das Aktiengesetz lässt nicht allzu viel Spielraum für Gegenmaßnahmen. Am Ende zählt das Faktische auf der Hauptversammlung: Wer hat die meisten Stimmen?
Sind Sie vom Vorgehen der Brüder Kenan und Damir Hastor überrascht worden, die mindestens 20,23 Prozent halten?
Im Januar 2016 haben sich die Hastors erstmals als Aktionäre zu erkennen gegeben, im März erklärten sie sich als Besitzer von mehr als zehn Prozent der Anteile. Da schaut man schon genauer hin.
Offenbar kam es 13 Monate lang zu keinem Gespräch zwischen Ihnen und dem Großaktionär. Seltsam.
Wir wollten immer Gespräche ohne Vorbedingungen. An uns lautete die Ansage: „Laden Sie zur außerordentlichen Hauptversammlung ein, dann sind wir gesprächsbereit!“ Wir bekamen leider nie Antwort, warum das Ganze erfolgen soll. Weder die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner noch unsere Kunden wie BMW brachten einen Dialog zustande.
Sie hätten die Aktionäre einfach einladen können.
Wir dürfen kein Geld verschwenden. Für den 24. Mai ist ja die ordentliche Hauptversammlung angesetzt. Das liegt in zeitlicher Nähe. Deshalb haben die Gerichte in Amberg und Nürnberg auch das Verlangen von Hastor, noch davor eine weitere Hauptversammlung einzuberufen, als rechtsmissbräuchlich angesehen.
Was meinen Sie: Handelt es sich um einen kalten Putsch?
Wenn ein Investor 20 Prozent und eventuell mehr hat, wäre es normal, die eigene Strategie zu erklären: den anderen Aktionären, dem Management, dem Aufsichtsrat. Es wird suspekt, wenn die Chance zum Gespräch dauerhaft abgelehnt wird.
Wann ging Ihre rote Lampe an?
Wir haben die Entwicklung natürlich genau verfolgt. Auch unsere Kunden haben den Aktienaufbau beobachtet. Im Spätsommer kamen die ersten starken Bedenken von dort bei uns an. In den Gesprächen mit den Abteilungen für Risikomanagement großer Autohersteller merkten wir, dass wir es bei Hastor offenbar nicht mit einem normalen Aktionär zu tun haben.
Bei VW standen bei einem Streit mit der Hastor-Firma Prevent die Bänder still, Daimler zankt sich vor Gericht mit der Firma.
Als Außenstehender kann ich das nicht beurteilen. Aber für die Geschäftsentwicklung ist es relevant, dass die Kunden eine starke Beteiligung der Hastor-Familie an Grammer als Risiko ansehen. Unser aktuelles operatives Geschäft läuft sehr gut, es gibt aber einen verhaltenen Auftragseingang. Das Niveau liegt um die Hälfte unter den gewohnten Zahlen.
Hastor beantragt, Sie sowie die Aufsichtsräte der Anteilseigner auszuwechseln.
Wenn ich das Problem sein sollte, ist das ganz schnell lösbar. Dann trete ich zurück. Es kann ja sein, dass man feststellt, dass die Strategien nicht zusammenpassen. Ich möchte aber sicher sein, dass Grammer nach einem anderen Plan ebenfalls für die Zukunft gesichert ist. Dieser Plan wurde bisher mit niemandem kommuniziert. Wäre das in der Hauptversammlung erst der Fall, würde nur ein Teil der Aktionäre erreicht. Im Gegensatz dazu befinden wir uns bereits im intensiven Dialog mit unserem strategischen Partner Ningbo Jifeng. Deshalb sehe ich derzeit keinen Grund zu gehen.
Es wird über Sie auf der Hauptversammlung abgestimmt.
In einem Ergänzungsverlangen ist zuletzt von Vertrauensentzug gegenüber Vorstandsmitgliedern die Rede. Damit geht es Hastor offenbar nicht nur um mich, sondern auch um meine beiden Kollegen im Vorstand. Auch deshalb fürchte ich, es ist keine Abstimmung über Personen, sondern indirekt eine über die Zukunft des Unternehmens. Denn die Autohersteller haben öffentlich angekündigt, ihre Geschäftsbeziehung zu überprüfen und sie bei einem Erfolg der Hastors womöglich zu kappen.
Passt die Prevent-Gruppe überhaupt zu Grammer?
Aus unserer Sicht und aus öffentlich verfügbaren Informationen fokussiert sich die Prevent-Gruppe im Automobilbereich auf die Fertigung von Sitzbezügen und -strukturen. Das sind eher Aktivitäten mit relativ niedrigem technischem Niveau. Für Grammer wäre Prevent lediglich eine Erweiterung der Wertschöpfungskette und kein technologischer Zugewinn. Auch aus wirtschaftlicher Perspektive wäre das wahrscheinlich keine Verbesserung.
Hastor wirft Ihnen vor, die Gewinne seien zu gering.
Ich weise das entschieden zurück. Ich habe vor zehn Jahren bei meinem Start ein sehr lokal ausgerichtetes Unternehmen vorgefunden. Die Aufgabe war zu internationalisieren. So etwas sorgt für immensen Aufwand. Das haben wir kommuniziert. Seit der Finanzkrise hat sich der Umsatz auf 1,7 Milliarden Euro fast verdoppelt, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung wuchsen seit 2012 von 70 Millionen auf über 150 Millionen Euro.
Was ist mit der Marge?
Sie ist vergleichsweise normal, eine Spitzenleistung ist es sicher noch nicht. Die Investmentbank Morgan Stanley hat uns mit direkten Rivalen verglichen: Die erreichen im Mittel 4,7 Prozent Rendite. Wir hatten zuletzt 4,3 Prozent und peilen für 2017 rund fünf Prozent an. 2022 wollen wir sieben Prozent.
Im Hastor-Umfeld heißt es, Grammer könne bei Autokunden höhere Preise durchsetzen.
Es ist normal, ab und an mit den Autobauern hart zu diskutieren. Aber flächendeckend und öffentlich in einen solchen Kampf zu gehen ist ein unvertretbares Risiko. Nicht nur wir, sondern die Autoindustrie, die Gewerkschaften und die Politik haben unisono ein Störgefühl.
Herr Müller, vielen Dank für das Gespräch.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.