Halbjahresbilanz Chemiegeschäft bricht ein – die Branche ist trotzdem zuversichtlich

Unter dem Druck wegbrechender Aufträge in der Coronakrise bangt die Chemieindustrie um die Zukunft vieler mittelständischer Betriebe.
Düsseldorf Länger als viele andere Branchen hat sich die Chemie- und Pharmaindustrie erfolgreich gegen die Auswirkungen der weltweiten Pandemie gestemmt – im zweiten Quartal sind nun aber auch deren Unternehmen von der Coronakrise erfasst worden.
Die chemisch-pharmazeutische Industrie habe sich dem „Abwärtssog durch die Covid-19-Pandemie nicht entziehen können – trotz zeitweise steigender Nachfrage nach Desinfektions- und Reinigungsmitteln, Medikamenten und Seifen“, sagte der Verbandspräsident der chemischen Industrie (VCI), Christian Kullmann, bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen am Dienstag.
Deutschlands drittgrößte Industrie kämpfte in den vergangenen drei Monaten mit einer stark sinkenden Nachfrage. Die Produktion ging in Folge um 7,5 Prozent im Vergleich zum Vorquartal zurück, die Preise für Chemikalien gaben um 2,7 Prozent nach und der Umsatz sank mit 44,3 Milliarden Euro sogar um 11,5 Prozent.
Besonders der wochenlange Produktionsstopp der Autohersteller hat die Unternehmen schwer getroffen. Die weltweiten Beschränkungen führten außerdem bei vielen Betrieben zu massiven Störungen in den Lieferketten und der Logistik.
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Mittlerweile rechnet laut einer aktuellen Umfrage des VCI nur noch jedes zweite Unternehmen (49 Prozent) damit, das Vorkrisenniveau bis Ende 2021 wieder zu erreichen. „Unsere Unternehmen kamen trotz dieses Einbruchs deutlich besser durch die weltweite Krise als andere Branchen“, betonte Kullmann. Die Erwartungen hellten sich insgesamt wieder auf.
Und so äußern sich viele Unternehmen mit Blick auf das restliche Jahr trotz aller Risiken wieder etwas positiver. Matthias Zachert, Vorstandsvorsitzender des Spezialchemieherstellers Lanxess, spürt seit einigen Wochen „eine langsame, aber stetige Besserung der Nachfrage“, wie der CEO erst kürzlich im Interview mit dem Handelsblatt bestätigte.
Das sind wichtige Nachrichten, denn die Signale aus der Chemieindustrie sind für die gesamte verarbeitende Industrie von großer Bedeutung. Der Sektor beliefert nahezu alle Branchen mit Chemikalien und Kunststoffen und spürt Nachfrageveränderungen früh. Damit gilt er als ein guter Indikator für die globale wirtschaftliche Lage.
Zahl der Beschäftigten stabil
Zwar rechnet der Verband für das Gesamtjahr 2020 mit einem Produktionsminus von drei und einem Umsatzrückgang von sechs Prozent, „aber wenn ein erneuter Shutdown verhindert werden kann, dürfte sich die Nachfrage nach Chemikalien und Pharmazeutika im zweiten Halbjahr stabilisieren“, so Kullmann.
Von der weltweit schwachen Nachfrage waren im ersten Halbjahr alle Chemie- und Pharmaunternehmen betroffen. Trotzdem bleibt die Zahl der Beschäftigten in der Branche unverändert. Aktuell arbeiten 464.000 Männer und Frauen in der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Rund 15 Prozent davon sind seit dem Frühjahr in Kurzarbeit, ein Großteil davon in Zulieferbetrieben für die Autoindustrie.
Jetzt brauche es allerdings einen neuen Aufbruch, betonte der VCI-Präsident. „Unser Land muss wieder attraktiv werden für industrielle Großprojekte: steuerpolitisch, innovationspolitisch und regulatorisch. Daher gilt es, Wachstumsbremsen zu lösen, damit sich Investitionen und Innovationen mobilisieren lassen“, forderte Kullmann und spielt damit vor allem auf die schon lange geforderte Senkung von Unternehmenssteuern und Energiekosten an.
Das Konjunkturpaket der Bundesregierung enthalte zwar „wichtige Akzente“, könne aber nur der Anfang für ein „nachhaltiges Zukunftsprogramm“ sein. Dann könne die Industrie „Deutschland auch ein zweites Mal, wie schon 2009, aus der Krise ziehen.“
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