Handelsblatt Auto-Gipfel 2021 Daimler will noch jahrelang von Diesel und Benzinern profitieren – „Verbrenner sind keine Bad Bank“
München „Electric only“, alles unter Strom: Das ist die klare Marschrichtung von Ola Källenius. Der Daimler-Chef will den Anteil rein elektrischer Pkw an der Neuwagenflotte des Konzerns von derzeit vier auf hundert Prozent bis 2030 erhöhen. Beim Umstieg von konventionellen auf alternative Antriebe setzt der Schwede auf den Grundsatz: „Schneller ist besser“, wie er beim Handelsblatt Auto-Gipfel am Mittwoch zu Protokoll gab.
Källenius hatte am Dienstag bei der Weltklimakonferenz im schottischen Glasgow eine Erklärung von mehreren Staaten und Unternehmen unterzeichnet, bis 2035 in führenden Märkten nur noch emissionsfreie Neuwagen anzubieten. Zugleich sieht der 52-Jährige das Geschäft mit Diesel und Benzinern aber keineswegs als Altlast an. „Verbrenner sind keine Bad Bank“, erklärte Källenius.
Dies wäre nur dann der Fall, wenn im Zuge der Umstellung der Modellpallette plötzlich eine „enorme Restabschreibung“ bei konventionellen Aggregaten anfallen würde. „Aus reiner Cashflow-Sicht sehen wir das aber nicht“, sagte Källenius. Sein Konzern habe vielmehr das „große Glück“, seine Palette an Verbrennungsmotoren gerade erst komplett erneuert zu haben.
Das heißt: Daimler müsse kaum noch Geld in die arrivierte Technologie stecken. „Wir werden mehrere Jahre danach noch positive Deckungsbeiträge aus dieser Investition machen“, sagte Källenius. Schließlich werde der Übergang zu rein elektrischen Antrieben schrittweise erfolgen und nicht abrupt.
Solange es noch keine omnipräsente Ladeinfrastruktur gebe, sei es auch „absolut sinnvoll“, die umstrittenen Plug-in-Hybride weiter zu fördern, erklärte der Mercedes-Manager. In den nächsten vier, fünf Jahren seien diese somit auf jeden Fall noch „Teil der Lösung“.
Gleichzeitig setzt Källenius für die Technologie ein klares Enddatum: „Den Plug-in-Hybrid werden wir Ende der Dekade ausphasen.“ Der Skandinavier will die Entwicklungsaufwendungen von Mercedes nicht zu lange auf mehrere Antriebsvarianten aufteilen, sondern legt den Fokus klar auf reine Stromer.
Kampfansage an Tesla
Anders als der Rivale Volvo und dessen Mutterkonzern Geely will Mercedes-Benz sein Geschäft mit Verbrennungsmotoren allerdings nicht in eine eigene Gesellschaft auslagern. „Wir machen nur rationale Dinge, die auch etwas bringen“, sagte Källenius. Der Konzern werde sein Produktionsportfolio aber ebenfalls Zug um Zug umstellen.
Klar ist bereits: Das Stammwerk in Stuttgart-Untertürkheim wird in einen grünen Campus umgebaut. Die Entwicklung und Fertigung von Getrieben für Kompaktfahrzeuge übernimmt zudem künftig der Zulieferer Magna für Daimler, die Eigenmontage wird ab Mitte des Jahrzehnts aufgelassen. Zugleich investiert Mercedes-Benz im ACC-Konsortium in den Aufbau mehrerer Batteriezellfabriken rund um den Globus.
Investoren ziehen reine Elektroautomarken den etablierten Konzernen vor. Allein Tesla wird derzeit mit mehr als einer Billion Dollar an der Börse gehandelt – gut zehnmal so viel wie Daimler. Källenius hofft, die Diskrepanz bei der Marktkapitalisierung mit der Abspaltung der Trucksparte im Dezember etwas verringern zu können.
Es sei aber für ein etabliertes Industrieunternehmen wie Daimler „unrealistisch“, bald mit einem Multiple von 50,60 oder gar 100 bewertet zu werden. Gleichwohl sieht der Skandinavier aber noch Luft nach oben. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von Daimler sei mit sechs bis sieben derzeit klar zu niedrig bemessen. Über die Kombination von Luxus und Tech sei mehr möglich. „Da ist was drin“, sagte Källenius.
Allein die Tatsache, dass Tesla mehr als eine Billion Dollar wert ist, ließe sich als „good news“ bezeichnen, konstatierte der Mercedes-Manager. Denn das zeige, dass der Finanzmarkt grundsätzlich an die Zukunft von Autokonzernen glaube und hier viel Potenzial sieht. Gegenüber Tesla zeigte sich Källenius schließlich auch kämpferisch: „In den nächsten zehn Jahren müssen wir an einer Umverteilung dieser Marktkapitalisierung arbeiten“, so der Daimler-Chef. „Das wird unsere Aufgabe sein.“
Mehr: „Hier wird zu kurz gedacht“: BMW-Chef lehnt vorzeitige Verbrennerverbote ab
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Da hätte ich mir doch ein paar klarere Worte von Herrn Källenius gewünscht:
Man will den Verbrenner nicht "abspalten".
Will man also die Produktion des Verbrenners nicht abspalten UND die Entwicklung auch nicht und die Entwicklung auslaufen lassen?
Oder macht es vielleicht Sinn, die Entwicklung von Verbrennern mit anderen Herstellern gemeinsam zu betreiben? Vielleicht sollte man die Entwicklung etwas zurückfahren, aber doch nicht aufgeben!
Schließlich zeigt uns Siemens mit Aufgabe des Atomkraftwerk-Geschäftes, dass sie aus politischen Gründen eine gute Technologie verworfen haben zum Schaden der Menschheit!