Handelsblatt Auto-Gipfel 2021 Opel-Chef Hochgeschurtz will die Lieferzeit von E-Autos deutlich verkürzen

Der 58-Jährige will Elektroautos schneller zum Durchbruch verhelfen.
München Der Autobauer Opel leidet derzeit wie der Rest der Branche unter zwei großen Problemen: den Folgen der Coronapandemie und dem Engpass an Halbleitern. „Beide Themen haben einen ganz wesentlichen Einfluss auf unsere Produktions- und Verkaufsvolumina“, sagte Firmenchef Uwe Hochgeschurtz am Donnerstag beim Handelsblatt Auto-Gipfel. Soll heißen: Die Stellantis-Tochter kann derzeit weit weniger Fahrzeuge verkaufen als theoretisch möglich.
Insbesondere die Nachfrage nach Elektroautos ist bei Opel groß. Die Folge: Interessierte mussten laut dem Neuwagen-Vergleichsportal Carwow zuletzt im Schnitt fünf Monate oder länger auf Modelle wie den Corsa-e warten. Die Lieferzeit für die beiden Strom-Vans Zafira-e Life und Combo-e Life beträgt aktuell sogar bis zu zehn Monate. Beim Kompakt-SUV Mokka-e sind es drei Monate.
Opel-Boss Hochgeschurtz verspricht nun Besserung. „Die Halbleiterkrise ist für uns ein starker Einschnitt, aber wir sind mit unseren Elektrofahrzeugen verfügbar“, erklärte der Manager. Insbesondere bei den beiden Pkw-Bestsellern – dem Corsa-e und dem Mokka-e – sei Opel künftig „innerhalb von zwölf Wochen lieferfähig“, kündigte Hochgeschurtz an. Damit verkürzt sich die Wartedauer für viele Kunden um immerhin acht Wochen.
Umsetzen will Opel dieses Vorhaben, indem der Traditionsbetrieb aus Rüsselsheim alle verfügbaren Chips priorisiert in Elektroautos lenkt. „Ein ganz einfaches Beispiel: In jedem Auto gibt es heute eine Klimaanlage. Wenn Sie zehn Bestellungen haben, aber nur fünf Chips, dann packen wir diese fünf Chips in die elektrischen Fahrzeuge rein“, erklärte Hochgeschurtz.
Der 58-Jährige will Elektroautos so schneller zum Durchbruch verhelfen. „Die Auftragseingänge steigen viel stärker an bei den rein elektrisch betriebenen Batteriefahrzeugen als bei den klassischen Verbrennern“, sagte Hochgeschurtz. Opel hat aktuell neun elektrifizierte Modelle im Angebot. Bis 2024 soll dann jede Baureihe auch als Stromvariante erhältlich sein.
Hochgeschurtz ist überzeugt, dass dem E-Auto die Zukunft gehört
Drohende Verbote von Verbrennern in einigen Märkten bis zum Ende des Jahrzehnts sieht Hochgeschurtz gelassen. „Wir sind darauf vorbereitet. Wir haben das richtige Produktportfolio“, sagte der Manager. Ab 2028 werde die Marke mit dem Blitz ohnehin rein elektrisch sein. „Das gilt erst mal nur für Westeuropa. Trotzdem ist das ein ganz wichtiger Schritt“, betonte der ehemalige Geschäftsführer von Renault in Deutschland.
Hochgeschurtz ist davon überzeugt, dass dem Elektroauto die Zukunft gehört. Die Angst vor zu geringen Reichweiten teilt er nicht. Das Thema werde in Zukunft an „Bedeutung verlieren“, sagte der Manager. Einerseits, weil der Ausbau von Ladepunkten voranschreitet; andererseits, weil die Ladegeschwindigkeit schnell steigen werde. „Wir streben zum Beispiel an, dass wir in Zukunft in einer Minute bis zu 30 Kilometer laden können“, bekundete Hochgeschurtz.
Das hieße: In zehn Minuten könnte der Akku wieder so voll sein, dass man damit 300 Kilometer weit kommt. „Das wird das Thema Laden und Reichweite komplett entschärfen. Da werden noch ganz tolle Dinge passieren“, frohlockte Hochgeschurtz. Der Manager ließ aber offen, wann genau die schnellere Ladetechnologie im Alltag für die Kunden verfügbar sein wird.
Hochgeschurtz ist erst seit September der neue Frontmann von Opel. Sein Vorgänger Michael Lohscheller wechselte zuvor überraschend zum vietnamesischen Autobauer Vinfast Global, unter anderem, weil er bei Opel den Durchgriff auf die eigene Entwicklung verloren hatte. Hochgeschurtz hat dagegen weniger Probleme damit, sich vorwiegend um Vertrieb, Marketing und Design des nach Daimler zweitältesten deutschen Fahrzeugherstellers zu kümmern.
Der gebürtige Kölner hat in Rüsselsheim eine schwere Aufgabe übernommen. Zwar wirtschaftet Opel nach Jahren mit hohen Verlusten seit 2018 wieder profitabel, aber der Absatz der Marke dümpelt weiter auf historisch niedrigem Niveau. In den ersten acht Monaten konnte Opel in seinem Kernmarkt Europa lediglich 341.000 Pkw verkaufen. Das ist zwar ein Plus von 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, aber es sind 260.000 Einheiten weniger als im gleichen Zeitraum 2019 – also vor der Corona- und Chipkrise.
Der Marktanteil von Opel in Europa ist allein in den vergangenen beiden Jahren von 5,5 auf 4,2 Prozent abgestürzt. Immerhin: In Deutschland konnten die Hessen zuletzt punkten. Insgesamt ist aber noch kein klarer Aufwärtstrend erkennbar. Auch der Abbau von 2100 Jobs bis Ende des Jahres kommt nur schleppend voran.
Gewerkschaft und Betriebsrat lehnen zudem vehement den Plan ab, die Produktion in Rüsselsheim und Eisenach in eigene Rechtsgesellschaften auszugliedern. Sie fürchten, dass damit die Mitbestimmung ausgehöhlt und so etwas wie eine Zerschlagung von Opel eingeleitet werden könnte. Firmenchef Hochgeschurtz widerspricht zwar energisch, macht zugleich aber klar, dass Opel im Stellantis-Verbund wettbewerbsfähiger werden muss.
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