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Handelsblatt-Chemietagung Chemiepräsident Kullmann: „Das Grünen-Programm ist eine Eistonne für Wachstum“

Die Chemiebranche unterstützt die Klimaziele, fürchtet aber Fesseln durch zu viel Regulierung. Grünen-Co-Chef Robert Habeck macht der Industrie ein Angebot.
22.04.2021 - 19:40 Uhr 1 Kommentar
Der Vorstandsvorsitzende von Evonik ist auch Gesamtverbandschef der Chemie. Quelle: www.imago-images.de
Christian Kullmann

Der Vorstandsvorsitzende von Evonik ist auch Gesamtverbandschef der Chemie.

(Foto: www.imago-images.de)

Düsseldorf Die deutsche Chemieindustrie schaut mit Skepsis und Sorge auf eine Regierung oder Regierungsbeteiligung der Grünen auf Bundesebene. Das wurde auf der Handelsblatt-Jahrestagung Chemie am Donnerstag deutlich. „Wer Klimaschutzziele so weit heraufschraubt, dass sie nur unter größten Opfern erreichbar sind, der versündigt sich an Gegenwart und Zukunft“, sagte Christian Kullmann, Präsident des Verbands der Chemischen Industrie (VCI).

Dabei stellt sich die Industrie nicht gegen das Ziel des Klimaschutzes und des Green Deals der EU. „Unser Unternehmen – und ich denke auch die gesamte europäische Chemie – steht voll dahinter. Das Projekt muss ein Erfolg werden“, sagte BASF-Chef Martin Brudermüller auf der Tagung. Man sei aber gegen die geplante Umsetzung.

Die Chemieunternehmen fürchten, dass beim wirtschaftspolitischen und gesellschaftlichen Fokus auf den Klimaschutz ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren geht. Dabei sei die grüne Transformation ohne Chemie gar nicht machbar: Die Industrie sei Basis für die nötigen Innovationen in Green Tech.

Dafür aber sei eine starke und innovative Chemiewirtschaft nötig, sagte Kullmann. Die sieht er durch zu starke Regulierung und staatliche Eingriffe in Gefahr, sollten die Grünen ihre Vorstellungen umsetzen. „Das Grünen-Programm ist eine Eistonne für Wachstum und Wohlstand“, formulierte es Kullmann wortgewaltig.

Grünen-Co-Chef Robert Habeck, ebenfalls Gast auf der Handelsblatt-Tagung, hatte seinen Auftritt da schon hinter sich. Ihm sei bewusst, dass die Chemie eine Branche sei, in der Deutschland international noch keinen Boden verloren habe: „Jetzt kommt es darauf, die Transformation in diese starken Industrien zu bringen.“

„Wir arbeiten nicht nur Fridays for Future“

Habeck erklärte, die Chemie brauche Rahmenbedingungen, in denen sie sich innovativ frei entfalten und qualitativ hochwertig produzieren könne. Dies müsse aber in eine gewünschte Richtung gelenkt werden, ergänzte er – und bezog sich dabei vor allem auf den Klimaschutz. Je stärker es in die falsche Richtung gehe, desto nötiger sei der Eingriff des Staates.

Dagegen wehrte sich Kullmann in seiner Rede. „Das grüne Programm atmet für mich viel zu viel Bevormundung“, sagte der Evonik-Vorstandschef. Den Klimawandel sehe auch die Chemie als wohl größte Aufgabe, die Branche entwickele ständig neue nachhaltige Technologien. „Wir arbeiten nicht nur Fridays for Future, sondern sieben Tage die Woche.“

Der BASF-Chef sprach ebenfalls auf der digital stattfindenden Jahrestagung Chemie des Handelsblatts. Quelle: Handelsblatt
Martin Brudermüller

Der BASF-Chef sprach ebenfalls auf der digital stattfindenden Jahrestagung Chemie des Handelsblatts.

(Foto: Handelsblatt)

Die im Parteiprogramm der Grünen genannten Ziele von 70 Prozent weniger CO2 bis 2030, verbunden mit einem höheren CO2-Preis und einer CO2-Steuer, sind aus Sicht des VCI-Chefs nicht ambitioniert, sondern „willkürlich und unverantwortlich“.

Auf diese Ziele war Habeck bei der Chemietagung nicht konkret eingegangen. Dafür machte er der Industrie für die Umsetzung das Angebot von deutlich mehr finanzieller Förderung und Investitionen durch den Staat – auf Basis neuer Kredite. „Wir müssen die Schulden in der Wirklichkeit gegen die Schulden im Haushalt stellen“, sagte der Grünen-Vorsitzende. Der Staat könne heute Kredite zu Null- oder Negativzinsen aufnehmen. „Lassen wir das Geld zum Wohle der Gesellschaft arbeiten, für Arbeitsplätze, Klimaneutralität und einen starken Wirtschaftsstandort.“ Der Staat könne die Richtung vorgeben, die Entwicklung klimafreundlicher Technologien sei aber allein Sache der Industrie. „Da bin ich sehr marktgläubig.“

„Die Chemie ist die Mutter aller Industrien“

Einer stärkeren staatlichen Förderung grüner Technologie zeigte sich BASF-Chef Brudermüller zugeneigt. Die schnelle Umsetzung sei wichtig, um bei Green Tech nicht das Feld für China oder die USA zu räumen. „Europas Chemie hat eine starke Stellung bei Lösungen für mehr Nachhaltigkeit“, sagte Conrad Keijzer, CEO der Schweizer Clariant. „Die dürfen wir nicht verlieren.“

Brudermüller, der im Wirtschaftsbeirat der Grünen sitzt, will die Chemie beim Thema Klimaschutz aus der Defensive holen. Er hat BASF jüngst ambitioniertere Ziele für die CO2-Senkung gesetzt. „Das ist unser Angebot an die Gesellschaft. Wir müssen zeigen, was geht, aber zugleich klarmachen, was wir dafür brauchen.“

Covestro-Chef Markus Steilemann sieht dies ähnlich. „Die Chemie ist die Mutter aller Industrien und hat eine Vorbildfunktion“, sagt er. Die Branche komme nicht umhin, sich komplett auf Klimaschutz auszurichten. Doch alle Chemiemanager wissen um den eigentlichen Schmerzpunkt beim grünen Umbau: den Strompreis.

„Das Grünen-Programm ist eine Eistonne für Wachstum und Wohlstand.“ Quelle: Handelsblatt
Kullmann im Videostream der Tagung

„Das Grünen-Programm ist eine Eistonne für Wachstum und Wohlstand.“

(Foto: Handelsblatt)

Die Chemie kann sich theoretisch komplett von Öl und Gas als Energielieferanten und Rohstoffquellen verabschieden. Nur braucht sie dafür riesige Mengen an billiger erneuerbarer Energie. Die sei nicht in Sicht, kritisierte VCI-Chef Kullmann. Deutschland sei ein Standort mit den höchsten Industriestrompreisen der Welt.

Für die Grünen dürfte dies eines der entscheidenden Themen werden, wenn sie die Chemie-Transformation mit staatlichen Mitteln vorantreiben wollen. Habeck ist sich bewusst, dass die nötige Menge an klimafreundlicher Energie nicht allein aus Deutschland kommen kann.

Zwei Prozent der Landesfläche könnten mit Windanlagen bestückt werden, dazu soll jedes verfügbare Dach für Photovoltaik genutzt werden, erläuterte er. Die Restmenge müsse man aus dem Ausland beziehen, bevorzugt dem europäischen. Doch kann sich Habeck auch eine Energiepartnerschaf mit Ländern wie der Ukraine oder sogar Russland vorstellen, etwa beim Thema Wasserstoff.

Mehr: Chemiebranche erwartet starkes Jahr – und fordert „Pandemiepakt“ in der Corona-Politik.

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1 Kommentar zu "Handelsblatt-Chemietagung : Chemiepräsident Kullmann: „Das Grünen-Programm ist eine Eistonne für Wachstum“"

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  • Russland und Ukraine werden in den nächsten Jahren sicherlich keine nennenswerten Mengen g r ü n e n Wasserstoff herstellen. Wenn wir für den Wasserstoff genug zahlen, dann rechnet es sich für diese Länder zwar auch, aus Uran (Tschernobyl), Kohle, Erdöl oder Erdgas die Energie zu erzeugen, die für Wasserstoff-Herstellung erforderlich ist. Deutschland importiert dann von dort den Wasserstoff, den wir bei uns “klimaneutral“ verbrennen. Das anfallende CO2 und den radioaktiven Abfall lassen wir einfach dort. Für Sonnenenergie ist dort das Potential eher gering, besonders im Winterhalbjahr. Natürlich könnte man in der Bukowina oder in den Weiten Sibiriens die Wälder abholzen, um damit „grüne“ Energie zu gewinnen, sofern keiner was dagegen hat. Bis wieder ein richtiger Wald nachwächst, vergehen 80 bis 100 Jahre. Der Trickserei sind offensichtlich keine Grenzen gesetzt.

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