Handelsblatt-Tagung Wie die Pharmabranche bereits von der Digitalisierung profitiert

Die Pharmabranche will die Möglichkeiten nutzen, die Digitalisierung und Big Data bieten.
Berlin Daten sind das neue Gold, heißt es so schön. Für die Pharmaindustrie sind Daten auf jeden Fall ein ganz wichtiger Treiber von Innovation. Da ist klar, dass die Branche kritisiert, dass sie künftig nicht direkt davon profitieren können soll, wenn Patienten in Deutschland ihre Daten freiwillig für Forschungszwecke zur Verfügung stellen. Das zeigten die Diskussionen auf der diesjährigen Handelsblatt Pharmatagung.
Die Kritik richtet sich gegen einen Passus im Ende Januar vorgelegten Referentenentwurf für ein neues Patientendatenschutzgesetz (PDSG). Das sieht vor, dass Versicherte künftig das Recht haben, die Daten ihrer elektronischen Patientenakte freiwillig für die wissenschaftliche Forschung zur Verfügung zu stellen.
Pharmaunternehmen dürfen laut Entwurf aber nicht direkt auf die gespendeten Daten zugreifen. Die Patientendaten sollen zunächst an ein Forschungszentrum fließen. Das mag Han Steutel, Präsident des Verbandes der forschenden Pharmaunternehmen, nicht hinnehmen.
„Bis zur Zulassung eines Medikaments liegen alle Daten beim Hersteller. Danach sollen wir nicht mehr beteiligt werden. Das wird die Qualität der Forschungsergebnisse nicht verbessern“, beklagt der vfa-Präsident. Der Verband setzt darauf, dass bei diesem Gesetz noch nachgebessert wird, zumal es den Krankenkassen erlaubt sei, einen Datenpool zu bilden.
Fast 87 Prozent der klinischen Studien in Deutschland 2018 wurden von der Industrie initiiert, so Steutel. Würde der Zugriff auf den Datenpool forschungskompatibel gestaltet, werde auch Deutschland als Forschungsstandort gestärkt, so der Verbandspräsident weiter.

Der Vfa-Präsident setzt darauf, dass bei dem Patientendatenschutzgesetz noch nachgebessert wird.
Auch Susanne Schach von der Roche Pharma AG plädiert für eine datenschutzkonforme und transparente Nutzung von Daten auch durch die privatwirtschaftliche Forschung. Das Unternehmen hat die Erfahrung gemacht, dass so genannte Real World Daten aus elektronischen Patientenakten die Entwicklung von Medikamenten beschleunigen können.
Roche hatte 2018 den US-Datenspezialisten Flatiron übernommen, der mit mehr als 270 Krebskliniken und Forschungszentren zusammenarbeitet. Bei der Entwicklung eines Medikaments gegen Lungenkrebs konnte dank des Zugriffs auf die Patientenakten der Datensatz einer Patientengruppe geformt werden, die als Vergleich zu der echten Patientengruppe aus der klinischen Studie herangezogen werden konnte.
„Die Zukunft der Medizin sind personalisierte Gesundheitslösungen. Wir glauben, wenn wir aussagekräftige Daten aus der Forschung und der realen Welt zusammenbringen und nutzen, wird man zu viel besseren Ergebnissen kommen“, sagt Schach, die bei der Roche Pharma AG Direktorin für den Bereich Real World Data ist.
Die Deutschen sind anscheinend überwiegend bereit, ihre Daten der klinischen Forschung zur Verfügung zu stellen. Nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov, die der vfa in Auftrag gegeben hat, würden 41 Prozent der Befragten ihre Gesundheitsdaten für die medizinische Forschung anonymisiert zur Verfügung zu stellen, wenn sie dafür bezahlt würden oder finanzielle Vorteile bei ihrer Versicherung hätten.
Apps auf Rezept
25 Prozent würden das auch ohne Bezahlung tun. Knapp ein Viertel der Deutschen (23 Prozent) lehnt die Datenspende aber grundsätzlich ab. Bei der Weitergabe von Gesundheitsdaten finden die Deutschen vor allem staatliche Forschungseinrichtungen und Universitäten vertrauenswürdig (62 Prozent).
37 Prozent würden die Daten den Krankenkassen zur Verfügung stellen und 34 Prozent den Anbietern von Gesundheitslösungen wie Arzneimittelherstellern oder Medizintechnikunternehmen. Die Pharmabranche nutzt die Möglichkeiten, die Digitalisierung und Big Data bieten, mittlerweile über die ganze Wertschöpfungskette. Auch das zeigte die diesjährige Handelsblatt Pharmatagung.
Abbvie beispielsweise analysiert mit Künstlicher Intelligenz die wissenschaftliche Literatur. „Jeden Tag erscheinen mehr als 8000 wissenschaftliche Publikationen. Da können wir als Forscher kaum Schritt halten“, sagt Stefan Simianer, verantwortlich für Forschung und Entwicklung bei Abbvie Deutschland.
Jetzt hat das Unternehmen eine Art Spotify für die Wissenschaftsliteratur, das den Forschern regelmäßig die für sie relevanten Inhalte empfiehlt. Eine Zeitenwende erwartet die Branche von dem neuen Digitale Versorgung Gesetz. Wenn Apps auf Rezept erstattet werden können, wird es nach Ansicht von Matthias Suermondt von Sanofi noch einmal einen technologischen Schub in Deutschland geben.
Das Unternehmen selbst, das unter anderem im Bereich Diabetes engagiert ist, plant, eigene Apps zertifizieren zu lassen, die die Patienten bei ihrer chronischen Erkrankung im Alltag unterstützen sollen.
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