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Heckler & Koch Illegale Waffenexporte: Was das Mexiko-Urteil des BGH für die Rüstungsbranche bedeutet

Heckler & Koch muss wegen illegaler Lieferungen Millionen an die Staatskasse zahlen. Der Richterspruch bestätigt eine Lücke im Kriegswaffenkontrollgesetz.
30.03.2021 Update: 30.03.2021 - 14:57 Uhr Kommentieren
Zwei Sturmgewehre G36 von Heckler & Koch liegen in der Firmenzentrale auf einem Tisch vor einem Logo des Waffenproduzenten. Quelle: dpa
Das G36 wurde illegal nach Mexiko verkauft

Zwei Sturmgewehre G36 von Heckler & Koch liegen in der Firmenzentrale auf einem Tisch vor einem Logo des Waffenproduzenten.

(Foto: dpa)

Karlsruhe Fast am Ende seines Vortrags angekommen, gab der Vorsitzende Richter des dritten Strafsenats am Bundesgerichtshof (BGH) der Berliner Politik Hausaufgaben auf: „Diese Rechtslage zu ändern wäre Aufgabe des Gesetzgebers, nicht der Gerichte, auch nicht des Bundesgerichtshofs“, sagte Jürgen Schäfer am Dienstag in Karlsruhe.

Was er meint: das Kriegswaffenkontrollgesetz, das ausgerechnet bei den in diesem Fall verhandelten illegalen Exporten von Kriegswaffen nicht greift. Schäfer und seine vier Kollegen und Kolleginnen bestätigten ein Urteil des Landgerichts Stuttgart von 2019, wonach die Ausfuhr von Sturmgewehren von Heckler & Koch nach Mexiko illegal war, aber nur nach dem weniger scharfen Außenwirtschaftsgesetz strafbar ist. Konkret geht es in dem Fall um Sturmgewehre, die von mexikanischen Sicherheitskräften in einer instabilen Region des Landes gegen Demonstranten eingesetzt wurden.

Die Bundesrichter folgten weitgehend dem vorangegangenen Urteil, das zwei Ex-Angestellte des Waffenherstellers Heckler & Koch zu Bewährungsstrafen verurteilt hatte. Zwei ehemalige Geschäftsführer und ein früherer Vertriebsleiter waren freigesprochen worden. Diese Teile des Urteils sind rechtskräftig.

Heckler & Koch muss zudem drei Millionen Euro an die Staatskasse zahlen. Einen Betrag von rund 700.000 Euro, die der Oberndorfer Waffenhersteller womöglich ebenfalls zahlen muss, hat der BGH wegen einer möglichen Verjährung noch mit Fragezeichen versehen. Hierüber wollen die Karlsruher Richter später gesondert entscheiden.

Das Urteil des BGH hat Bedeutung weit über die Mexiko-Affäre von Heckler & Koch hinaus. Denn in dem Prozess ging es indirekt um die für die gesamte Rüstungsbranche entscheidende Frage, wie wirksam Waffengeschäfte mithilfe sogenannter Endverbleibserklärungen (EVE) kontrolliert werden können.

Die Entscheidung am BGH hat eine lange Vorgeschichte. Ihr blutiger Höhepunkt: Im Jahr 2014 schossen mexikanische Polizisten in der Stadt Iguala mit vom deutschen Waffenhersteller produzierten G36-Gewehren auf Studenten, die sich gegen das organisierte Verbrechen in der Region Guerrero engagierten. Sechs junge Menschen starben, 43 wurden verschleppt und tauchten nie wieder auf.

Waffengegner zeigen Fotos von 43 Studenten, die 2014 in Mexiko entführt und mutmaßlich ermordet wurden. Bei den Verbrechen sollen Waffen von Heckler & Koch eingesetzt worden sein. Quelle: dpa
Mahnwache für die Opfer

Waffengegner zeigen Fotos von 43 Studenten, die 2014 in Mexiko entführt und mutmaßlich ermordet wurden. Bei den Verbrechen sollen Waffen von Heckler & Koch eingesetzt worden sein.

(Foto: dpa)

Im Rückblick wirkt es, als wäre der Albtraum der Genehmigungsbehörden wahr geworden: deutsche Waffen, die auf unschuldige Zivilisten gerichtet werden. Eine wirksame Rüstungsexportkontrolle hätte ein solches Szenario verhindern müssen.

Es ist daher kein Zufall, dass fast die Hälfte der deutschen Rüstungsexporte Schiffe und U-Boote ausmachen. Bei der Marine lässt sich leicht argumentieren, dass von dieser keine Gefahr für friedliche Demonstranten ausgeht. Bei den übrigen Waffen verlässt sich das Wirtschaftsministerium des viertgrößten Waffenexporteurs der Welt vor allem auf die EVE.

In den Erklärungen stellen die Empfängerstaaten dar, wo sie importierte Waffen einsetzen wollen. Der Verkäufer holt sie ein und legt sie dem Exportantrag bei, den er beim Bundesausfuhramt einreicht. Der nun am BGH verhandelte Fall zeigt die Schwächen dieser Selbstverpflichtungen.

Als Mexikos Beschaffungsbehörde 2006 Tausende Waffen bei Heckler & Koch bestellte, gab es in Berlin zunächst Bedenken. In dem mittelamerikanischen Land tobte ein Drogenkrieg, Menschenrechtler warnten vor korrupten Polizisten, die willkürlich Menschen verhafteten, und vor Kartellen, die Zivilisten folterten und ermordeten.

Am Ende stand ein Kompromiss: Heckler & Koch erhielt die Genehmigung. Das mexikanische Verteidigungsministerium sicherte in den EVE jedoch zu, dass es die Waffen nicht an vier besonders problematische Bundesstaaten weiterreichen würde. Genau dort tauchten später etwa 4500 G36-Sturmgewehre auf.

Kritiker fordern Konsequenzen

Der BGH schloss sich nun der Sichtweise des Landgerichts Stuttgart an, nach der die verurteilten Mitarbeiter von Heckler & Koch die Genehmigungen für den Waffenexport durch falsche Angaben in der EVE erschlichen haben. Sie täuschten die Behörden über den Empfänger und verstießen damit gegen das Außenwirtschaftsgesetz.

Der Friedensaktivist Jürgen Grässlin, der das Verfahren 2010 mit seiner Anzeige in Gang gesetzt hatte, sprach von einem Präzedenzfall und einer „klatschenden Niederlage“ für das Unternehmen. Das Urteil zeige, dass illegaler Waffenhandel sich nicht lohne und die Verantwortlichen teuer zu stehen komme.

Hubert Gorke, der Anwalt von Heckler & Koch, hob hingegen die Verantwortung Einzelner hervor. Die Richter hätten bestätigt, dass sich nicht die Geschäftsführung falsch verhalten habe, sondern „einzelne Mitarbeiter gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen“ hätten. Das Gericht habe für Rechtsklarheit gesorgt, die Exportwirtschaft wisse nun, „wie sie handeln kann“.

Zugleich wurde jedoch das große Paradox der Rüstungskontrolle deutlich: Obwohl die Kriegswaffen illegal nach Mexiko exportiert worden waren, konnte das nicht nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz bestraft werden. Dieses Gesetz kennt nur eine Lieferung „ohne Genehmigung“, nicht aber eine Lieferung mit einer „erschlichenen“ Genehmigung.

Der Tübinger Anwalt Rothbauer, der die Anzeige für Grässlin verfasst hat, sprach von einem „politischen Erdbeben“. Das Gericht habe festgestellt, dass ein „bisheriges Kernstück der deutschen Exportkontrolle ad absurdum“ geführt worden sei.

Sturmgewehre G36 sind in der Firmenzentrale zur Werksinstandsetzung aufgereiht. Quelle: dpa
Fabrikhalle von Heckler & Koch

Sturmgewehre G36 sind in der Firmenzentrale zur Werksinstandsetzung aufgereiht.

(Foto: dpa)

Wie Grässlin und Rothbauer forderte auch die Umweltorganisation Greenpeace am Dienstag Konsequenzen. Deutschland brauche ein Rüstungsexportgesetz „ohne Grauzonen, Schlupflöcher und Exporte an Diktaturen und Menschenrechtsverletzer“. Sonst könne Betrug mit der EVE nicht abschreckend genug bestraft werden.

Nicht nur die beiden verurteilten Angeklagten, auch Heckler & Koch als Nebenbeteiligter und die mit den Bewährungsstrafen unzufriedene Staatsanwaltschaft hatten beim BGH Revision gegen das Urteil eingelegt.

Die Karlsruher Richter stellten fest, dass die problematischen Provinzen zwar in der EVE, nicht aber in der letztlich entscheidenden Exportgenehmigung aus dem Berliner Wirtschaftsministerium aufgeführt waren. Dort stand lediglich „für den Endverbleib in Mexiko“. Damit sei der Export zumindest formal gedeckt gewesen. Es liege nun an der Legislative, diese Lücke zu schließen.

Den Waffenhersteller Heckler & Koch, dessen neuer Eigentümer eigentlich seinen Schuldenberg abbauen will, dürfte das Urteil treffen. Zuletzt ging es aufwärts: Im vergangenen Jahr schrieb der Rüstungskonzern zum zweiten Mal in Folge schwarze Zahlen, nach Steuern lag der Gewinn bei 13,5 Millionen Euro.

Die vielen Jahre der juristischen Aufarbeitung der Mexiko-Affäre haben bei Heckler & Koch auch sonst Spuren hinterlassen. 2019 rief der Vorstand eine Grüne-Länder-Strategie aus. Darin heißt es: „Grundsätzlich beliefern wir nur Staaten, die der Europäischen Union und / oder der Nato angehören oder Nato-gleichgestellt sind (Japan, Australien, Neuseeland, Schweiz).“ Mexiko kann keine Sturmgewehre mehr kaufen, egal für welche Provinz.

Mehr: Wie Wirecards Ex-Finanzvorstand bei der Übernahme von Heckler & Koch half.

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