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Impfstoff-Technologien Impfen gegen Krebs, Tuberkulose oder HIV: Die mRNA-Revolution hat schon begonnen

Nach dem Erfolg gegen Covid forcieren mRNA-Pioniere und Pharmakonzerne den Einsatz der Technologie. Besonders bei der Prophylaxe von Krankheiten dürfte es Fortschritte geben.
17.07.2021 - 10:15 Uhr Kommentieren
Im Vordergrund steht bei fast allen großen mRNA-Impfstoffherstellern noch die Corona-Pandemie. Quelle: AP
Befüllung von Spritzen mit Covid-Impfstoff

Im Vordergrund steht bei fast allen großen mRNA-Impfstoffherstellern noch die Corona-Pandemie.

(Foto: AP)

Frankfurt Mit ihren erfolgreichen Covid-Impfstoffen haben die Biotechfirmen Biontech und Moderna Messenger-Ribonukleinsäuren (mRNA) als neue starke Pharmatechnologie etabliert. Viele Branchenkenner gehen nun von einer Revolution in der Impfstoffentwicklung aus. Und zumindest in Ansätzen ist dieser Umbruch auch bereits zu erkennen.

So laufen inzwischen bereits mehrere klinische Studien mit mRNA-basierten Grippe-Impfstoffen. Vor wenigen Tagen etwa nahm das Unternehmen Moderna den ersten Patienten in seine Studie mit einem neuartigen Influenza-Vakzin auf. Weitere Studien in dem Bereich dürften in den nächsten Monaten starten.

Neben den mRNA-Pionieren aus dem Biotechsektor setzen inzwischen auch etablierte Impfstoffhersteller wie Sanofi, Glaxo-Smithkline oder auch die australische CSL verstärkt auf die neue Technologie. Der Pharmariese Pfizer, die bisherige Nummer drei der Impfstoffindustrie, ist ohnehin bereits durch seine Partnerschaft mit Biontech massiv im Bereich mRNA-engagiert und erkundet nach den Worten von Firmenchef Albert Bourla nun „eine Vielzahl von Möglichkeiten für die Technologie“.

Im Vordergrund steht bei fast allen Akteuren vorerst allerdings noch die Covid-Pandemie. Die WHO listet in ihrer jüngsten Übersicht insgesamt 17 mRNA-basierte Covid-Impfstoffe auf, die sich in klinischen Tests befinden, also am Menschen erprobt werden. Hinzu kommen weitere 19 präklinische Projekte und ein halbes Dutzend Ansätze, die zwar nicht auf mRNA, aber auf anderen Formen von Ribonukleinsäuren basieren.

Verfolgt werden solche Projekte nicht nur von den westlichen Biotech- und Pharmafirmen, sondern auch von diversen Firmen und Universitäten in Fernost. Die vor wenigen Jahren noch relativ exotische Technologie stellt damit inzwischen nicht nur die beiden wirksamsten Impfstoffe, sondern auch das zweitgrößte Kontingent unter den fast 300 Entwicklungsprojekten im Bereich Covid-Impfstoffe.

Vorteile in Entwicklung und Produktion

Noch drastischer ist der Effekt auf die Umsatzzahlen der Impfstoffbranche: Bedingt vor allem durch die enormen Liefervolumen und Erlöse für die beiden zugelassenen mRNA-Covid-Impfstoffe von Biontech und Moderna wird sich der bislang etwa 35 Milliarden Dollar große Impfstoffmarkt 2021 womöglich mehr als verdreifachen.

Biontech, der US-Partner Pfizer und Moderna prognostizieren allein auf Basis der bisher vorliegenden Aufträge für das laufende Jahr bereits Umsätze von zusammen knapp 60 Milliarden Dollar mit ihren mRNA-Vakzinen. Und dieses Volumen dürfte im Jahresverlauf eher noch steigen.

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Die mRNA-Technologie zeichnet sich dadurch aus, dass sie die eigentliche Impfsubstanz – das sogenannte Antigen, auf das die Immunabwehr reagiert – von den Körperzellen selbst produzieren lässt. Die mRNA transportiert lediglich den Bauplan für das Antigen in die Zellen. Im Falle der Covid-Impfstoffe ist es der Code für das Spike-Protein auf der Oberfläche des Virus.

Das Konzept bietet besonders große Flexibilität und Geschwindigkeit in der Entwicklung und lässt sich vergleichsweise schnell hochskalieren und in größere Produktionsmengen umsetzen, wie sich jetzt bei den Covid-Vakzinen zeigte. Der Herstellprozess ist tendenziell unkomplizierter und kalkulierbarer als Verfahren für herkömmliche Impfstoffe, die überwiegend auf eine Produktion von Impfstoffen in Zellkulturen angewiesen sind.

Nicht zuletzt angesichts dieser Vorteile richtet sich bei praktisch allen führenden Akteuren das Augenmerk längst auch auf Bereiche jenseits von Covid. Dass dabei zunächst die Entwicklung neuer Grippeimpfstoffe im Vordergrund steht, ist kein Zufall: Auch hier besteht ein relativ großer Bedarf, der bisher nur durch mäßig erfolgreiche Produkte abgedeckt wird. Der Wirkungsgrad der typischen Grippeimpfstoffe bewegte sich in den letzten Jahren nur zwischen 20 und knapp 50 Prozent.

Längerfristig indessen steckt das Potenzial der neuen Technologie nach Einschätzung von Branchenkennern vor allem in der Prophylaxe von Krankheiten, für die es bisher noch gar keine Impfstoffe gibt.

Die mit Abstand größten Ambitionen in der mRNA-Impfstoffentwicklung verfolgt bisher der US-Biotechkonzern Moderna. Schon vor der Corona-Pandemie war er mit dem Ziel angetreten, die Impfstoffentwicklung zu revolutionieren. Seither ist der Ehrgeiz noch gewachsen.

Auch Firmenchef Stephane Bancel sieht dabei das Potenzial vor allem bei neuen Erkrankungen, weniger in der Verdrängung etablierter Impfstoffe. Er verweist vielmehr auf mehr als 80 neu entdeckte, krankheitserregende Viren. „Nur gegen drei dieser Erreger wurden bisher Impfstoffe entwickelt.“ Den potenziellen Markt für Impfstoffe gegen diese Erkrankungen schätzt er auf mehr als 100 Milliarden Dollar.

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Forschung an mRNA-Wirkstoffen gegen Krebs und HIV

Neben dem Covid-Impfstoff arbeitet das Unternehmen an neun weiteren mRNA-Vakzinprojekten, sechs davon befinden sich bereits in klinischen Tests. Neben dem Grippeprojekt gehören dazu potenzielle Impfstoffe gegen Zika und das Cytomegalovirus.

Impfstoffe repräsentieren damit in etwa die Hälfte des Forschungsprogramms von Moderna. Darüber hinaus arbeitet das US-Unternehmen auch an mRNA-basierten Wirkstoffen gegen Krebs, Herzkreislauf- und diverse Stoffwechselerkrankungen.

Wie hoch Investoren das Potenzial der Technik inzwischen einschätzen, zeigt die Börsenbewertung, die Mitte Juli erstmals die Marke von 100 Milliarden Dollar überschritt. Moderna ist damit inzwischen mehr Wert als der etablierte Pharmakonzern und bisherige Marktführer im Impfstoffgeschäft Glaxo-Smithkline (GSK).

Auch bei Biontech und dem Partner Pfizer reichen die Impfstoffpläne längst über Covid hinaus. Schon 2018 besiegelten die beiden Unternehmen eine Allianz zur Entwicklung von Grippeimpfstoffen aus mRNA. Ein erster Produktkandidat aus dieser Kooperation soll noch im laufenden Jahr in die klinischen Studien gehen.

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Darüber hinaus arbeitet Biontech an sieben weiteren mRNA-Impfstoffprojekten gegen Infektionskrankheiten in präklinischen Phasen, darunter Produktkandidaten gegen Tuberkulose und HIV. Relativ zur umfangreichen F+E-Pipeline in der Onkologie hat das Impfstoffprogramm der Mainzer allerdings nicht ganz so großes Gewicht wie beim Konkurrenten Moderna.

Unter dem Eindruck der erfolgreichen Covid-Vakzine haben unterdessen auch die Pharmariesen und Impfstoffhersteller GSK und Sanofi inzwischen ihr Engagement im Bereich mRNA massiv verstärkt. GSK setzt dabei weiter auf die Technologie der Tübinger Curevac, obwohl deren Covid-Impfstoff im Gegensatz zu den Produkten von Biontech und Moderna nur einen enttäuschenden Wirkungsgrad von 48 Prozent zeigte. An diesem Projekt war GSK allerdings auch nicht beteiligt.

Massive Investitionen in mRNA-Forschungszentrum von Sanofi

Die Briten vertrauen vielmehr auf einen optimierten mRNA-Impfstoff von Curevac, der im Tierversuch deutlich stärkere Immunreaktionen erzeugte. Auf Basis dieser Technik wollen GSK und Curevac in den nächsten zwölf Monaten einen weiteren Covid-Impfstoff und einen Grippeimpfstoff in die klinischen Tests bringen, weitere vier Projekte sollen später folgen.

„Ich bin überzeugt, dass mRNA ein wichtiger Teil der zukünftigen Impfstoffentwicklung sein wird. Und wir haben die Absicht, dabei vorne mitzuspielen“, formulierte der Chef der GSK-Impfstoffsparte, Roger Conner, jüngst die Ambitionen des Konzerns. Neben der Allianz mit Curevac setzt GSK dabei auch auf eigene Entwicklungsaktivitäten im Bereich mRNA.

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Eine ähnliche Strategie fährt der französische Pharmariese Sanofi, der seit mehreren Jahren bereits mit der US-Biotechfirma Translate Bio an mRNA-Impfstoffen arbeitet. Im Rahmen dieser Kooperation befinden sich ein mRNA-basierter Covid-Impfstoff sowie ein Grippevakzin im frühen Stadium der klinischen Entwicklung.

Sanofi engagiert sich darüber hinaus als Produktionspartner für Biontech und Moderna. Zudem kündigte der Konzern Ende Juni ein massives Investitionsprogramm von jährlich 400 Millionen Euro für den Aufbau eines eigenen neuen mRNA-Forschungszentrums an. Erklärtes Ziel ist es, in den kommenden Jahren über das Covid-Projekt hinaus sechs weitere mRNA-Vakzine in die klinische Entwicklung zu bringen.

mRNA werde zwar sicherlich nicht für jede Infektionskrankheit eine Lösung bieten, ihr Einsatz könne aber immensen Einfluss haben auf die Verbesserung der öffentlichen Gesundheit, erklärte Thomas Triomphe, der Chef der Sanofi-Impfstoffsparte Sanofi Pasteur. „Sie wird zu einer kritischen neuen Technologie in unserem Impfstoffbaukasten und könnte helfen, die Gesundheitsvorsorge der Zukunft neu zu erfinden.“

Mehr: Wann kommt die dritte Impfung mit dem Biontech-Vakzin – und wie wirkt sie?

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