Industrie 4.0 Siemens holt neuen Digital-CTO von Amazon Web Services

Auch bei der Vernetzung von Maschinen will der Konzern eine führende Rolle spielen.
München Im Milliardenmarkt mit der Digitalisierung der Fabriken gibt es einen harten Wettbewerb zwischen IT-Konzernen wie Microsoft und Amazon sowie Industrie-Spezialisten wie Siemens. Jetzt hat Siemens einen Topmanager von Amazon Web Services (AWS) angeworben.
Dirk Didascalou wird nach Informationen des Handelsblatts Chief Technology Officer (CTO) der Siemens-Kernsparte Digitale Industrien. Der 51-Jährige soll den neu geschaffenen Posten zum 1. September übernehmen. Bei AWS war er zuletzt als Vizepräsident für das Internet der Dinge zuständig.
Dieses spielt auch in der Industriesparte von Siemens eine Schlüsselrolle. Die Münchener wollen als Weltmarktführer in der Automatisierung und bei Industriesoftware auch bei der Vernetzung der Maschinen eine führende Rolle spielen. „Mit Dirk Didascalou beschleunigen wir unsere Aktivitäten weiter“, sagte Siemens-Vorstand Cedrik Neike dem Handelsblatt. Der Manager sei in der Branche sehr gut vernetzt und stecke tief in den Digitalisierungsthemen.
Didascalou solle die Vernetzung der Maschinen ebenso voranbringen wie die Geschäfte mit der Industriesoftware. Die Personalie zeige, dass in der IT-Branche anerkannt werde, „was wir für ein Veränderungspotenzial nach vorn haben“, sagte Neike. Cloud-Konzerne wie Amazon und Microsoft dringen allerdings immer tiefer in das Geschäft mit Industriesoftware vor. So bietet AWS neuerdings einen Service an, mit dem Industriekunden ihre Maschinen ohne großen Aufwand vorausschauend warten können.

Der Manager begann seine Karriere bei Siemens, danach arbeitete er für Microsoft und Amazon.
Experten sehen darin eine große Herausforderung für die etablierten Spieler. Man brauche eine Unmenge von Daten, um die nötigen Algorithmen für die Analyse zu trainieren, sagte Boston-Consulting-Experte Daniel Küpper. „Hier haben die Cloud-Anbieter einen strategischen Vorteil: Auf ihren Plattformen laufen diese Daten zusammen. Zudem haben sie die Kompetenzen, die nötigen Algorithmen für die Analyse und Interpretation zu entwickeln.“
Keine Angst vor Google und Microsoft
Doch Siemens sieht sich in einer starken Ausgangsposition. „Ich habe keine Angst vor Google und Microsoft“, sagte Siemens-CEO Roland Busch dem Handelsblatt. Auch die finanzstarken US-Unternehmen könnten die Welt nicht allein erobern. „Sie brauchen Partner.“ In der Tat arbeitet Siemens auf vielen Feldern auch mit AWS zusammen, zum Beispiel bei der Vernetzung der Fabriken von Volkswagen. Didascalou soll nun solche Partnerschaften pflegen und weiter ausbauen.
Der Manager hatte seine Karriere als Plattform-Spezialist in der einstigen Mobilfunksparte von Siemens begonnen. Als diese von BenQ übernommen wurde, war er für das Unternehmen in China tätig, um dann sieben Jahre für Nokia zu arbeiten. Als Microsoft Teile der Mobilfunksparte von Nokia übernahm, wechselte er mit zu dem US-Techriesen. Seit 2016 arbeitet er für AWS.
Didascalou ist also ein später Siemens-Rückkehrer – ähnlich wie Neike. Dieser hatte seine Karriere ebenfalls bei Siemens begonnen, um dann lange Jahre für Cisco zu arbeiten. Bei Siemens übernahm Neike unter Busch das Schlüsselressort Industrie. Didascalou berichtet direkt an ihn.
Damit nimmt Neikes Team immer stärker Gestalt an. Der Vorstand hatte bereits Scott Gardner von Cisco als Vertriebschef zu den Digitalen Industrien geholt. Brenda Discher kam 2018 von Autodesk zu Digital Industries und übernimmt nun das weltweite Marketing und die Kommunikation. Beim Großteil der gut ein Dutzend Neubesetzungen, die Neike in den vergangenen Monaten vornahm, wählte er aber interne Talente aus. „Wir haben sehr viel Expertise im eigenen Haus“, sagte Neike.
Seit der Abspaltung der Energietechnik als Siemens Energy sind die Digitalen Industrien der industrielle Kern von Siemens. Im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres 2020/21 konnte Siemens den Umsatz der Sparte um vergleichbar fünf Prozent auf 3,8 Milliarden Euro steigern und dabei teilweise Marktanteile gewinnen.
Das Interesse in der Industrie sei weiter enorm, sagte Neike. „Wir sehen eine große Digitalisierungswelle, die auf uns zurollt.“ Dabei werde Siemens mit den Plattformbetreibern wie Amazon mal im Wettbewerb stehen, mal als Partner zusammenarbeiten.
Angesichts der riesigen Datenmengen, die in den Fabriken generiert werden, gewinne aber Edge-Computing an Bedeutung. Die Daten werden also oft direkt an der Maschine verarbeitet und gar nicht erst in die Cloud geschickt. Das kommt Anbietern wie Siemens zugute.
Die operative Marge lag bei üppigen 22,5 Prozent. Noch also muss sich Siemens vor den Plattformbetreibern wie Amazon und Microsoft nicht verstecken. Didascalou soll dabei helfen, dass es so bleibt.
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