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Infotainmentsystem „Weg von PS hin zu Bytes“ – Digitale Dienste werden zum Knock-out-Kriterium beim Autokauf

Eine Zeitenwende kündigt sich an: Bis zu 40 Prozent der Europäer und 80 Prozent der Chinesen würden die Automarke wechseln, wenn sie dadurch ein besseres Infotainmentsystem erhalten könnten.
27.09.2021 - 14:06 Uhr Kommentieren
Das Auto wird von einem überwiegend elektromechanisch-hydraulischen zu einem softwaredefinierten Produkt. Quelle: Getty Images; Per-Anders Pettersson
Touchscreen im Tesla Model 3

Das Auto wird von einem überwiegend elektromechanisch-hydraulischen zu einem softwaredefinierten Produkt.

(Foto: Getty Images; Per-Anders Pettersson)

München Zuverlässigkeit, Design, Preis: Auf diese drei Faktoren achten die Deutschen seit jeher besonders, wenn sie sich einen Neuwagen anschaffen. Ob das Fahrzeug über große Bildschirme verfügt, WLAN bereitstellen kann oder sich mit dem Smartphone koppeln lässt, spielte dagegen für die meisten Interessenten nur eine untergeordnete Rolle. Zumindest war dies in der Vergangenheit so.

Allmählich ändern sich die Präferenzen der Pkw-Kunden aber radikal. Konnektivität wird zum neuen Knock-out-Kriterium beim Autokauf, zeigt eine neue Studie der Unternehmensberatung Oliver Wyman, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt. Demnach wären bis zu 40 Prozent der Fahrzeughalter in Europa und 80 Prozent in China bereit, ihre bevorzugte Automarke zu wechseln, wenn sie bei einem anderen Anbieter bessere digitale Dienste erhielten.

„Das ist ein Paradigmenwechsel bei den Bedürfnissen der Kunden weg von PS hin zu Bytes“, konstatiert Andreas Nienhaus, Partner bei Oliver Wyman. Die eigentliche Tragweite des Themas werde in der Autoindustrie teilweise noch „unterschätzt“, mahnt der Branchenkenner. Nienhaus geht davon aus, dass die Zahl der Wechselwilligen in den kommenden Jahren merklich ansteigen wird.

Etablierte Hersteller wie Volkswagen, Mercedes-Benz oder BMW müssten nun schnell auf die neuen Präferenzen ihrer Kunden reagieren. Andernfalls würden die Konzerne langfristig Gefahr laufen, zum „Foxconn der Autoindustrie degradiert zu werden“, warnt der Autofachmann.

Der Grund: Tech-Konzerne wie Google oder Apple würden die Infotainment-Schnittstelle verstärkt als „Einfallstor“ nutzen, um künftig alle Ebenen der Fahrzeugsoftware bespielen zu können. „Das Auto droht zur reinen Hardware zu werden, die dann von den Tech-Playern mit IT gefüllt wird“, fürchtet Nienhaus.

Digitales Erlebnis für Jüngere wichtiger als Prestige

Gerade jüngeren Nutzern sei das digitale Erlebnis im Auto wichtiger als das Prestige, das mit einer bestimmen Marke einhergeht. Mehr als die Hälfte der unter 40-Jährigen erwarte ein voll integriertes Infotainmentsystem. Dynamische Routenplanung, datenbasierte Fahrzeugdiagnose und Multimedia-Angebote zählen für sie zur Pflichtausstattung.

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Um die Bedeutung digitaler Dienste beim Autokauf zu untersuchen, hat Oliver Wyman in Deutschland, China, Frankreich, Italien, Spanien, Großbritannien und den USA mehr als 5600 Personen zu ihren Präferenzen befragt. Über alle Alterskohorten hinweg zeigte sich dabei: Kunden werden illoyaler, einzelne Logos unbedeutender.

Das Auto verliert zunehmend seinen Charakter als Statussymbol. Schlimmer noch für die Fahrzeughersteller: Konnten sie sich früher über die Anzahl der Zylinder differenzieren, taugt der Antrieb im Elektrozeitalter kaum noch als Alleinstellungsmerkmal. Auch exakte Spaltmaße zählen künftig wenig. Stattdessen rückt das digitale Nervensystem der Karossen in den Fokus.

Das Auto wird von einem überwiegend elektromechanisch-hydraulischen zu einem softwaredefinierten Produkt. Ein Zentralcomputer fungiert als oberste Instanz für Motor, Klima und Navigation und ersetzt Hunderte herkömmliche Steuergeräte. Tesla ist mit diesem Ansatz zum weltgrößten Hersteller von Elektroautos aufgestiegen und düpiert die arrivierten Anbieter in puncto Vernetzung.

Betriebssysteme werden damit zur Überlebensfrage für die Industrie. Dabei zeichnet sich eine Zweiteilung des Marktes ab. Große Volumenhersteller wie General Motors, Ford oder Stellantis und kleinere Premiumanbieter wie Volvo sparen sich lieber die hohen Entwicklungskosten eigener Lösungen und setzen auf das Rundum-Sorglos-Paket von Google.

Mit „Android Automotive OS“ bettet der Suchmaschinenriese stark nachgefragte Services wie Google Maps geschickt in sein Multimediasystem ein und überzeugt mit einem einigermaßen ausgereiften Sprachassistenten. Eine ziemlich gute Lösung für relativ wenig Aufwand, konstatiert Branchenkenner Nienhaus. Doch der Preis für die Nutzung des Systems ist hoch. Fahrzeughersteller und Kunden zahlen letztlich mit ihren Daten.

Eigenes Betriebssystem bietet großes Potenzial

Volkswagen, Daimler und BMW entwickeln daher als Gegengewicht eigene Betriebssysteme, die ab Mitte der Dekade verfügbar sein sollen und vom Fensterheber über den Antriebsstrang bis hin zum Infotainment alles steuern sollen. Drahtlose Updates sollen die Softwareplattformen ständig mit Neuerungen versorgen. Allein Daimler dürfte insgesamt mehr als vier Milliarden Euro in die Entwicklung von MB.OS pumpen. Die große Frage ist aber: Lohnt sich dieser Aufwand?

„Die ersten Jahre beim Aufbau eigener Betriebssysteme werden für die deutschen Hersteller schwierig werden“, erklärt Steffen Rilling, Mobilitätsexperte bei Oliver Wyman. „Dennoch ist es ein sinnvoller Ansatz.“ Der Grund: Gelinge es Daimler, VW und BMW erst einmal, ihre Softwareplattformen am Markt zu platzieren, böte sich ihnen ein ganz neues Potenzial, um sich von Wettbewerbern zu differenzieren.

„Wir alle kennen das bereits vom Smartphone. Wer ein iPhone nutzt, hat über das iOS-System ein anderes Erlebnis als jemand, der ein Android-Smartphone besitzt“, bekundet Rilling. Die Autobauer täten daher gut daran, ihre eigenen Systeme aufzubauen. „Das sind teure Wetten, die hier platziert werden, aber es sind ganz entscheidende für die Zukunft der deutschen Autoindustrie“, so Rilling.

Der Berater glaubt sogar, dass das heimische Fahrzeugtrio im Kampf gegen Google und Tesla zwei entscheidende Vorteile hat. Einerseits würden Daimler, VW und BMW das Produkt Auto deutlich besser verstehen als die Spieler aus dem Silicon Valley. Und andererseits glaube man den Deutschen viel eher, dass sie mit den Daten der Kunden vertrauensvoll umgehen werden.

„Dieser Vertrauensvorsprung wird noch eine ganze Weile bestehen bleiben“, meint Rilling und verweist auf seine Studie. Dabei wurden die Teilnehmer auch gefragt, mit wem sie am ehesten die Daten teilen würden, die in und von den Fahrzeugen generiert werden. Das Ergebnis: Die Autobauer landeten auf Platz eins – vor staatlichen Einrichtungen, Tech-Konzernen und Start-ups.

Mehr: VWs Software-Einheit Cariad will Bosch, Conti und ZF entmachten

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