Interview Airbus-Finanzchef Asam zur Offensive bei Frachtflugzeugen: „Es ist ein sehr profitabler Markt“

„Die Lage für das zweite Halbjahr ist wegen der Pandemie noch etwas unwägbar.“
München, Paris Der europäische Flugzeugbauer Airbus plant eine Offensive im Geschäft mit Frachtflugzeugen und will dem US-Rivalen Boeing stärker Konkurrenz machen. „Es ist ein sehr profitabler Markt, in dem Boeing bislang ziemlich allein auf weiter Flur war“, sagte Finanzvorstand Dominik Asam im Interview mit dem Handelsblatt. Ab Mitte des Jahrzehnts werde es bei den Frachtflotten eine Welle der Erneuerung geben, auch getrieben durch die Notwendigkeit, weniger Treibhausgase zu emittieren.
„Wir sehen hier die Möglichkeit, mit einem modernen Großraumfrachter auf Basis unserer effizienten A350-Familie deutlich schneller am Markt zu sein als unser Wettbewerber“, sagte Asam. Bei den Passagierflugzeugen habe insbesondere die A320-Familie die Covidkrise „extrem gut überstanden“.
Anders als Boeing habe der europäische Flugzeugbauer im Kurzstreckenbereich im Auftragsbestand fast nichts verloren und im Prinzip die vor der Coronakrise vereinbarten Preise halten können, „anstatt nach Stornierungen zu Kampfpreisen neue Aufträge anzunehmen“. Asam sagte: „Unser Fokus liegt darauf, den hohen Auftragsbestand erfolgreich abzuarbeiten.“
Der deutsche Topmanager, der seit 2019 den Finanzbereich im Airbus-Vorstand verantwortet, erwartet im Langstreckenbereich dagegen eine langsamere Erholung des Marktes. Die guten Halbjahreszahlen und die Anhebung der Gewinnprognose für 2021 führt er auch auf Kostensenkungen und Umstrukturierungen im Konzern während der Coronakrise zurück.
Asam bekräftigte den umstrittenen Plan, die Einzelteilfertigung der deutschen Zuliefertochter Premium Aerotec auszugliedern. „Wir wollen alle Teile des Konzerns auf ein wettbewerbsfähiges Niveau heben. Das ist bei Premium Aerotec leider nicht der Fall“, sagte er. Airbus sei nicht bereit, „eine Quersubventionierung für diesen Bereich durch andere Konzernbereiche zu tolerieren“.
Lesen Sie hier das komplette Interview:
Herr Asam, Airbus hat seine Prognose für 2021 angehoben. Was stimmt Sie optimistisch?
Unsere Zuversicht lässt sich in erster Linie von den Auslieferungsdaten ableiten. Die Gespräche mit unseren Kunden über ihren Bedarf zur Abnahme von Flugzeugen zeigen eine deutliche Verbesserung der Situation. Die Zahlen des ersten Halbjahres belegen auch, dass wir die Früchte unserer Arbeit an der Kostenstruktur und der Wettbewerbsfähigkeit von Airbus ernten. Die Lage für das zweite Halbjahr bleibt allerdings wegen der Pandemie noch weiter etwas unwägbar.
Die Auslieferung von Flugzeugen zieht an, bei den Neubestellungen sind die Fluggesellschaften noch zurückhaltend. Wann erwarten Sie eine Erholung des Marktes?
Zunächst muss man zur Kenntnis nehmen, dass unser Auftragsbestand bei der A320-Familie die Covidkrise extrem gut überstanden hat. Wenn man die Auftragseingänge von uns und Boeing vergleicht, muss man sehen, dass bei unserem Wettbewerber viele Stornierungen zu niedrigeren Preisen wieder neu eingebucht wurden. Wir haben insbesondere beim Kurzstreckenbereich im Auftragsbestand fast nichts verloren und im Prinzip die vor Covid vereinbarten Preise halten können, anstatt nach Stornierungen zu Kampfpreisen neue Aufträge anzunehmen. Unser Fokus liegt darauf, den hohen Auftragsbestand erfolgreich abzuarbeiten.
Bei den Langstreckenfliegern ist die Lage aber komplizierter.
Das stimmt. Während wir im Kurz- und Mittelstreckenbereich mit einer Erholung des Marktes zwischen 2023 und 2025 rechnen, werden wir auf der Langstrecke wohl frühestens Mitte der Dekade das Vorkrisenniveau erreichen.
Airbus will nun auch stärker ins Frachtgeschäft einsteigen. Welches Potenzial sehen Sie dort?
Weltweit sind grob 2000 Frachtflugzeuge im Markt. Das sind deutlich weniger als die etwa 25.000 Maschinen im Passagierbereich. Aber: Es ist ein sehr profitabler Markt, in dem Boeing bislang ziemlich allein auf weiter Flur war. Ab Mitte des Jahrzehnts wird es bei den Frachtflotten eine Welle der Erneuerung geben, auch getrieben durch die Notwendigkeit, weniger CO2 zu emittieren. Wir sehen hier die Möglichkeit, mit einem modernen Großraumfrachter auf Basis unserer effizienten A350-Familie deutlich schneller am Markt zu sein als unser Wettbewerber.
Die Frachtversion des A350 ist also eine Kampfansage an Boeing?
Wir stehen immer in einem gesunden Wettbewerb zu unserem Konkurrenten aus den USA.
Wie schätzen Sie die Wettbewerbsposition gegenüber Boeing insgesamt ein?
Boeing hat sehr viel Druck gehabt. Nicht nur durch die Covidkrise, sondern auch durch die Probleme mit der 737 Max und der 787. Boeing hat sehr viel unternommen, um seine Kostenstrukturen zu optimieren. Der Personalabbau fällt bei unserem Wettbewerber etwa deutlich höher aus als bei uns.
„Kriegskasse für dekarbonisierte Flugzeuge“
Sie müssen sich auch auf neue Konkurrenz aus China einstellen. Erwarten Sie mittelfristig ein Aufbrechen des Duopols?
Ich glaube, davon muss man früher oder später ausgehen. Die Frage ist allerdings: Werden die chinesischen Flugzeuge über den starken Heimatmarkt, wo viel politische Unterstützung vorhanden ist, auch ein Exporterfolg? Das ist heute schwer abzuschätzen.
In den nächsten Jahren stehen viele Investitionen an – durch das Hochfahren der Produktion und der Entwicklung klimafreundlicher Flugzeuge. Ist dafür genügend Kapital vorhanden?
Zunächst einmal: Wir werden nicht massiv investieren müssen, um die Produktion nach der Krise wieder hochzufahren. Wir waren ja bereits 2019 mit einer monatlichen A320-Rate um 60 unterwegs, und alle Endmontagen wurden während der Krise ja weiterbetrieben, wenn auch auf niedrigerem Niveau. Das war eine bewusste Entscheidung, um unsere Fähigkeiten intakt zu halten. Mit Sicherheit werden wir die Anstrengungen in Forschung und Entwicklung wieder entsprechend nach oben anpassen, wenn wir beim Geschäft wieder auf dem Niveau von 2019 sind. Die Ausgaben in diesem Bereich haben wir übrigens weniger gekürzt als unser Wettbewerber.
Und das Geld fließt in die Dekarbonisierung der Luftfahrt?
Das ist ein wichtiger Teil. Wir entwickeln jetzt die Technologiebausteine, um dann Mitte des Jahrzehnts in diesem Bereich ein neues Programm starten zu können. Wir werden an dieser Stelle wahrscheinlich deutlich mehr in die Zukunft investieren als unser Wettbewerber.

Airbus will bis 2035 einen Wasserstoff-Jet entwickeln und in den kommerziellen Betrieb bringen.
Wie soll die Finanzierung ablaufen?
Wir haben heute 6,5 Milliarden Euro netto in Cash. Das wollen wir auf zehn Milliarden Euro hochfahren, um eine Kriegskasse für ein Programm für dekarbonisierte Flugzeuge zu haben. Wir werden künftig auch alles versuchen, das bewährte Werkzeug von zurückzuzahlenden staatlichen Krediten in Anspruch nehmen zu können.
Müssten Sie bei staatlicher Unterstützung nicht vorsichtig sein? Der Subventionsstreit mit den USA ist gerade beigelegt.
Der Staat ist hier ja nicht karitativ unterwegs, die Kredite werden zurückgezahlt. Diese Instrumente wurden von der Welthandelsorganisation zudem ausdrücklich als legitim und legal akzeptiert, und natürlich werden wir auch weiterhin sicherstellen, im Rahmen internationaler Richtlinien zu handeln.
„Nicht bereit, Quersubventionierung zu tolerieren“
In Deutschland bringt die geplante Ausgliederung der Einzelteilfertigung die Gewerkschaften auf die Barrikaden. Halten Sie an Ihren Plänen fest, den Bereich an einen externen Investor abzugeben?
Wir wollen alle Teile des Konzerns auf ein wettbewerbsfähiges Niveau heben. Das ist bei Premium Aerotec leider nicht der Fall, die Fertigung von kleineren Einzelteilen ist auch nicht unser Kerngeschäft. Unsere bevorzugte Variante ist daher, einen starken industriellen Partner an Bord zu holen, der uns nachhaltige Lieferungen zur richtigen Qualität und Quantität ermöglicht. Denn natürlich werden wir weiter auf diese Teile angewiesen sein, um unsere Flugzeuge zu bauen.
Dennoch könnten Jobverluste drohen.
Wir sind an einer nachhaltigen Lösung interessiert. Ein externer Partner, der auch aus anderen Industrien kommen kann, hat das Potenzial, höhere Volumeneffekte zu generieren und notwendige Investitionen zu tätigen, während wir uns auf unser Kerngeschäft und die Entwicklung eines emissionsfreien Flugzeugs konzentrieren. Wir haben uns bereit erklärt, auch eine Alternative zur Ausgliederung auszuloten und interne Restrukturierungen zu prüfen, um die Einzelteilfertigung besser aufzustellen. Wir sind allerdings nicht bereit, eine Quersubventionierung für diesen Bereich durch andere Konzernbereiche zu tolerieren.
Aber können Sie eine derartige Entscheidung am Ende ohne ein Einvernehmen mit der Bundesregierung überhaupt treffen? Der deutsche Staat ist Großaktionär…
Natürlich versuchen unsere Sozialpartner, über die politische Schiene Einfluss zu nehmen. Wir legen die Fakten auf den Tisch und versuchen zu erklären, warum aus unserer Sicht die Veräußerung attraktiv und auch aus Sicht der Sozialverträglichkeit und der Arbeitnehmer besser sein kann. Aber es stimmt: Eine Lösung wird nur in einem breiteren Konsens mit unseren Sozialpartnern möglich sein.
Herr Asam, vielen Dank für das Interview.
Mehr: Kommentar: Airbus hat vor und während der Coronakrise alles richtig gemacht
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