Exyte-Chef Büchele: Großanlagenbauer profitiert von Chipkrise und ist bereit für Börsengang
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InterviewExyte-Chef Büchele: „Wir sind jetzt absolut börsenfähig“
Die hohe Nachfrage nach Chips, Batterien und Biotechnologie spielt Exyte in die Karten. Im Interview erklärt Chef Wolfgang Büchele das erfolgreiche Comeback des Anlagenbauers.
Der Unternehmen sieht sich gerüstet für den Börsengang.
(Foto: picture alliance / SvenSimon)
Stuttgart Vor drei Jahren zog Exyte-Eigentümer Georg Stumpf kurzfristig den Börsengang des Großanlagenbauers zurück. In der Zwischenzeit hat Vorstandschef Wolfgang Büchele, einen kräftigen Wachstumskurs hingelegt.
„Wir sind jetzt absolut börsenfähig“, sagt Büchele im Interview mit dem Handelsblatt und gibt sogleich eine Prognose. „In diesem Jahr werden wir zweistellig wachsen. Wir haben einen substanziellen Auftragseingang, sodass das Wachstum für nächstes Jahr bereits gesichert ist. Auch das Ergebnis wird deutlich höher ausfallen.“
2017 hatte das Unternehmen noch 2,5 Milliarden Euro Umsatz. Im Corona-Jahr 2020 lag er bereits bei 4,1 Milliarden Euro. Darüber hinaus wurde ein Rekordergebnis von 213 Millionen Euro Ebit erwirtschaftet. Zum damals gescheiterten Börsengang sagt der Topmanager heute: „Wir hatten 2018 auch die Ziele und Visionen, aber keine Belege.“ Damals sah es so aus, als sei der ehemalige Linde-Chef nur gekommen, um das Unternehmen an der Börse zu versilbern und dann wieder zu gehen. Er ist immer noch da und wird länger bleiben. „Ich habe gerade meinen Vertrag verlängert“, vertraut Büchele dem Handelsblatt an.
Exyte baut derzeit die größte Chipfabrik der Welt in Irland und die erste große Batteriezellfabrik in Deutschland.
Lesen Sie hier das gesamte Interview:
Herr Büchele, Sie kamen vor über vier Jahren als Manager mit Erfahrung bei Dax-Konzernen wie Linde und BASF zu dem für Ihre Verhältnisse kleinen Spezialisten für den Bau von Reinräumen. Vor drei Jahren sollten Sie das Unternehmen an die Börse bringen. Kurz vorher wurde das Unterfangen aber abgesagt. Wie erholt man sich von so einem Schlag? Unsere Strategie und unsere Börsenstory war die gleiche wie heute, nur hat sie uns damals keiner geglaubt. In der Zwischenzeit haben wir geliefert, was wir 2018 versprochen haben.
Es sah ja auch so aus, als ob der Eigentümer sie nur als Aushängeschild geholt hat, um die Firma erst aufzuhübschen und dann zu versilbern. Das war nie der Plan. Exyte ist eine Erfolgsgeschichte. Wir haben beim Carve-out von Exyte die gleiche glasklare Strategie gehabt wie heute, und von der weichen wir keinen Millimeter ab.
Und die wäre? Wir sind der Experte für kontrollierte und regulatorisch geprägte Produktions-Umgebungen. Unter diesem Schirm subsumieren wir die Halbleiterindustrie mit Batterietechnologie und Photovoltaik, Life Sciences und Specialty Chemicals sowie Datencenter. Wir fokussieren uns anders als früher mit schlüsselfertigem Anlagenbau auf diese drei Säulen. Wir sind heute Weltmarktführer für die Erstellung komplexer Hightech-Anlagen.
Unter Ihnen gibt es keine defizitären Projekte mehr? Wir machen eben keine Projekte, die wir nicht können. Das heißt vor allem, dass wir keine allgemeinen Industrieprojekte mehr machen.
Vita Wolfgang Büchele
Der gebürtige Geislinger machte erst im väterlichen Betrieb eine Maurerlehre, studierte danach Chemie in Ulm und promovierte. Seine berufliche Karriere war vielfältig. Sie begann für den heute 62-Jährigen 1987 bei BASF. Eigentlich sollte er 2007 in den Vorstand aufrücken. Als sich das zerschlug, wechselte er zum Finanzinvestor Blackstone. Zwei Jahre später war er über den Finanzinvestor Permira CEO von BordsoChem in Budapest, bis das Unternehmen an Chinesen verkauft wurde. Von 2012 bis 2014 führte er den finnischen Spezialisten für Wasserchemikalien Kemira. 2014 holte ihn Wolfgang Reitzle als seinen Nachfolger an die Spitze des damaligen Dax-Konzerns Linde. Aber nach zwei Jahren quittierte der selbstbewusste Manager den Job. März 2017 wurde er CEO der M+W Group, die nach einer Umorganisation Exyte heißt.
Exyte hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich. Im Jahr 1912 wurde das Unternehmen von Karl Meissner und Paul Wurst gegründet. Unter dem Namen Meissner + Wurst baute es zunächst Absauganlagen für Späne und Holzmehl später dann ganze Lüftungssysteme. Ab 1960 begann M+W als Pionier mit der Entwicklung der Reinraumtechnologie. In den 90er Jahren expandierte das Unternehmen weltweit und baute Industrieanlagen für viele Branchen. 1994 übernahm Jenoptik unter seinem Vorstandschef Lothar Späth und früheren Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg das Unternehmen und fusionierte es 1998 mit mit der Zander Klimatechnik AG. In der Folgezeit wurden Unternehmensteile wie die Gebäudetechnik und das Facility Management wieder abgegeben. Seitdem firmierte das Unternehmen unter M+W Group. 2009 übernahm der österreichische Unternehmer Georg Stumpf das Unternehmen. Es folgten einige CEO-Wechsel. 2018 kam die Umbenennung in Exyte.
Aber die sind vergleichsweise doch einfacher als Reinräume für Halbleiterfertigung oder Trockenräume für Batteriezellfabriken? Ja, aber da fehlt uns die Expertise fürs Massengeschäft. Da ist der Wettbewerb härter, und alles geht über den Preis. Die Margen sind deutlich kleiner, und damit ist das Risiko für Projekte, defizitär zu werden, größer. Wir haben früher mal Reifenwerke in Indien gebaut und alles Mögliche andere. Das ist heute einfach nicht mehr unser Kerngeschäft. Das haben wir alles abgeschnitten.
„In diesem Jahr werden wir zweistellig wachsen“
Aus Not oder Prinzip? Aus Prinzip. Ich bin ein starker Verfechter des Kerngeschäfts. Sie können das Management dann viel besser fokussieren. Jeder weiß, welches die wichtigsten Projekte im Haus sind.
Und was hat sich seit 2018 geändert? Wir hatten 2018 eine offene Frage: Funktioniert die Strategie? Und ein Problem: Wir hatten keinen Track-Record. Inzwischen haben wir bewiesen, dass die Strategie stimmt. Wir haben nicht nur alles, was ich damals gesagt habe, geliefert, sondern dies noch übertroffen.
Wie läuft das Geschäft aktuell? 2017 hatten wir noch 2,5 Milliarden Euro Umsatz. Jetzt haben wir Jahr für Jahr unsere Vorhersagen übertroffen. Ich bin mit unserer Entwicklung sehr zufrieden.
Können Sie das präzisieren? Es läuft hervorragend, wir sind trotz Corona im vergangenen Jahr um fünf Prozent gewachsen, hatten 4,1 Milliarden Euro Umsatz, ein Rekordergebnis von 213 Millionen Euro adjusted Ebit. In diesem Jahr werden wir schön zweistellig wachsen. Wir haben einen substanziellen Auftragseingang, sodass das Wachstum für nächstes Jahr ebenfalls bereits gesichert ist. Auch das Ergebnis wird deutlich höher ausfallen.
Reicht das organische Wachstum? Nein, wir haben uns jetzt auch noch durch Akquisitionen gestärkt. Wir haben Critical Process Systems Group (CPS) in den USA mit 400 Beschäftigten und 150 Millionen US-Dollar Umsatz gekauft. Wir gehen noch diesen Monat von einem Closing des im August bekannt gegebenen Zukaufs aus. Damit verstärken wir uns im Equipment-Bereich für die Halbleiterherstellung sowie bei Life Sciences. Wir bauen jetzt auch Dosiereinrichtungen für Chemikalien, beschichtete Rohrleitungen für Halbleitermaschinen, und wir gehen in die Modularisierung.
Und wie geht es weiter? CPS ist die Ausgangsbasis für weitere strategische Zukäufe. Wir schauen uns um.
Haben Sie dafür auch genug Mittel? Ja, durchaus. Wir sind in laufenden Gesprächen und haben unsere Angebote abgegeben. Mehr kann ich zu diesem Zeitpunkt dazu nicht sagen.
Dann ist Exyte ja bald wieder börsenfähig? Wenn es im nächsten Jahr keinen Börsenkollaps gibt, wird der Eigentümer sicher wieder darüber nachdenken.
Was ist Ihre größte Sorge? Schnell genug Arbeitskräfte zu bekommen. Wir haben in diesem Jahr weltweit schon über 1000 Leute eingestellt. Heute haben wir 5800 Beschäftigte. Mit der Akquisition sind wir bereits bei über 6000.
Sie profitieren doch nur vom Halbleiter-Boom, und der ist bekanntlich zyklisch ... Ja, aber nach unserer Einschätzung hält der noch längerfristig an. Elektromobilität, autonomes Fahren, Künstliche Intelligenz, Vernetzung der Dinge (IoT) erfordern viel mehr Halbleiter, als Kapazitäten jenseits der derzeitigen Chipkrise vorhanden sind. Auch die Datencenter wachsen parallel. Der Wechsel von herkömmlicher Pharma-Industrie hin zu Biopharma ist der nächste Treiber. Wir sitzen sozusagen auf den zentralen Wachstumstrends der globalen Wirtschaft. Deshalb bin ich für die nächsten Jahre sehr optimistisch. Wir arbeiten uns in eine Position hinein, die man uns vor drei, vier Jahren nicht zugetraut hätte.
Dann müssten Sie sich mit dem Börsengang ja beeilen. Wer weiß, wie lange die Stimmung am Finanzmarkt hält? Der Eigentümer hat sicher gewisse Wertvorstellungen. Wenn er die realisieren kann, wird er den Schritt machen. Wenn nicht, wird er ihn nicht machen. Und er bekommt ja auch ohne Börsengang eine ordentliche Dividende.
Aber vor drei Jahren wollte er unbedingt den Börsengang. Er hat keinen Leidensdruck.
Das ist ja auch nicht die schlechteste Ausgangsposition. Herr Stumpf muss nicht an die Börse gehen, und wir liefern unsere Ergebnisse. Die Symbiose passt sehr gut. Ein Familienunternehmen hat ja auch gerade bei den Firmenkäufen mehr Freiheiten als ein börsennotiertes Unternehmen. Das Thema ist in jedem Fall mehrschichtig und nicht nur eindimensional.
Aber halten wir fest: Sie sind börsenfähiger als 2018. Wir sind jetzt absolut börsenfähig - bei allem, von der Aufstellung bis zu den Prozessen und der Performance, und wir besitzen eine rollierende Langfriststrategie, die man uns heute auch glaubt. Da bin ich sicher. Heute stimmt der Blick in den Rückspiegel. Wir hatten 2018 auch die Ziele und Visionen, aber keine Belege. Wir sind heute stabiler, eine Unternehmung, die funktioniert. Wir haben heute mehr Optionen.
Sie sind seit 2017 bei Exyte. Der Firmenname ist von dem englischen Wort für aufregend abgeleitet. Machen Sie denn weiter? Ich habe gerade meinen Vertrag verlängert.
„Wir bauen dort, wo der Kunde es will“
Mit 62 Jahren? Der Trugschluss damals war, dass man gedacht hat, der Stumpf hat den Büchele nur geholt, um das Unternehmen an die Börse zu bringen.
Liegt ja auch nahe. Wäre nicht das erste Mal, dass ein sehr erfahrener Manager geholt wird, das Unternehmen an die Börse knüppelt, und danach sind beide weg, und für die Aktionäre gibt es ein böses Erwachen ... Aber das war nie der Plan.
Sagen sie jetzt … Der Plan war, dass ich für Herrn Stumpf das Unternehmen sauber entwickele. Unsere Strategie ist trivial. Wir haben keine Länderstrategie. Wir bauen dort, wo der Kunde es will.
Klingt irgendwie doch zu einfach ... Ich habe ja nicht gesagt, dass die Umsetzung einfach ist. Wir bauen gerade die weltgrößte Chipfabrik in Irland. Das ist sehr anspruchsvoll und läuft wie ein Uhrwerk. Das macht uns auch so schnell keiner nach bei solch einer Megainvestition.
Warum? Das ist eben unsere Expertise, kombiniert mit einer sauberen Planung mit dem Kunden, die wir dann umsetzen.
Wer baut eigentlich für Infineon das Werk in Villach aus? Auch wir. Die Megafabrik ist eines der größten Investitionsprojekte in der Mikroelektronikbranche in Europa und eine der modernsten weltweit. Die Fabrik wurde drei Monate früher als zunächst geplant in Betrieb genommen.
Was haben Sie noch auf Lager? Wir bauen auch eine Batteriefabrik in Deutschland, bislang das einzige Großprojekt für Zellfertigung in Deutschland. Und in Israel erstellen wir gerade ein großes Rechenzentrum.
Und Sie bleiben weiter gut im Geschäft? Wenn ich in unsere Auftragsbücher schaue, habe ich da keinerlei Bedenken.
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