Interview Familiensprecher Jürgen Behrend: „Hella und Faurecia passen hervorragend zusammen“

Der Sprecher der Eigentümerfamilie Hueck hat Hella über 40 Jahre lang begleitet.
Düsseldorf, Frankfurt, Lippstadt Mehr als 40 Jahre lang hat Jürgen Behrend den Weg von Hella begleitet. Der 72-Jährige ist Treuhänder der Hella-Eigentümerfamilie in dritter Generation und hat gemeinsam mit CEO Rolf Breidenbach das operative Geschäft des Zulieferers bis 2017 geleitet. Seit Samstagabend ist klar: Die Wege von Behrend sowie der Hueck-Familie und von Hella trennen sich.
Der französische Zulieferer Faurecia übernimmt das Traditionsunternehmen aus Lippstadt. Die Entscheidung für Faurecia hat strategische, aber auch persönliche Gründe. Wie bei Hella ist auch beim französischen Unternehmen mit den Peugeots eine Familie beteiligt. Im Vorfeld des Deals habe sich Behrend mit Robert Peugeot getroffen, der die Familie im Aufsichtsrat vertritt. In gemeinsamen Gesprächen mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats, Michel De Rosen, und dem Faurecia-Chef Patrick Koller habe man schnell gemerkt, dass man auf einer Wellenlänge sei.
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Herr Behrend, warum verkauft die Familie gerade jetzt ihre Beteiligung an Hella?
Schon seit dem letzten Generationenwechsel vor 25 Jahren haben wir uns innerhalb der Familie immer wieder die Frage gestellt, ob wir der beste Eigentümer sind. Vor zwei Jahren haben wir uns dann darauf vorbereitet, unsere Anteile in neue Hände zu geben. Nach einer intensiven Suche haben wir nun am Samstagabend die Entscheidung getroffen. Wir sehen in Faurecia den sicheren Hafen, in dem das Unternehmen sich ohne die Familie erfolgreich weiterentwickeln kann.
Hätte die Familie nicht weiter warten können? Hella gilt mit seiner Lichttechnik und anderen Technologien als gut aufgestellt.
Der Automobilmarkt durchlebt derzeit einen der größten Transformationsprozesse seiner Geschichte. Wir wollten nicht warten. Als uns klar war, dass wir Hella in andere Hände geben können, haben wir diesen Schritt unternommen.
Warum aber verkauft die Familie? Immerhin war sie über 100 Jahre lang der Meinung, der beste Eigentümer zu sein.
Das stimmt, und in dieser Zeit hat sich Hella gut entwickelt. Wir sind dann aber zu dem Punkt gekommen, an dem wir entschieden haben, dass ein strategischer Partner für die jetzigen Herausforderungen der bessere Eigentümer für Hella wäre. Und dann haben wir uns auf die Suche gemacht und sind mit Faurecia fündig geworden.
Finanzinvestoren waren bereit, bis zu acht Milliarden Euro zu bezahlen. Warum geben Sie Hella für eine Milliarde Euro weniger an Faurecia?
Wir haben nach dem besten Eigentümer gesucht, mit Blick auf die Interessen der Mitarbeiter und Führungskräfte. Für uns ist das eine Frage der Verantwortung. Der Preis war bei unserer Entscheidung zweitrangig. Letztlich wurde uns im Prozess bald klar, dass wir eine europäische Lösung wollen.
Warum nun aber Faurecia und nicht Mahle oder Plastic Omnium?
Entscheidend war für uns das Gesamtpaket. Strategisch passt Hella sehr gut mit Faurecia zusammen …
… weil sich nach einer Fusion schnell die Kosten senken lassen?
Das ist kein Kriterium. Ausschlaggebend sind die Synergien im technologischen Bereich und nicht bei den Kosten. Faurecia und Hella haben praktisch keine Überschneidungen, aber strategisch sind die Firmen komplementär. Diese breitere Aufstellung hilft bei der Entwicklung neuer Technologien.
Können Sie denn einen Stellenabbau und die Schließung von Hella-Standorten ausschließen?
Für uns entscheidend ist: Die Standorte und Arbeitsplätze müssen so sicher wie möglich sein. Das ist mit Faurecia gegeben. Ich bin überzeugt: Das passt hervorragend zusammen.
Aber der Kostendruck ist immens. Die Autokonzerne drücken die Preise, um selbst in ihre Transformation in die Elektromobilität investieren zu können.
Grundsätzlich gilt, dass Zulieferer ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten und ihre Kosten daher immer im Blick behalten müssen. Unabhängig vom neuen Eigentümer ist das ein kontinuierlicher Prozess.
In der Vergangenheit sind viele Fusionen zwischen französischen und deutschen Firmen gescheitert. Opel, Airbus und Hoechst sind einige Beispiele. Droht das nun bei Hella?
Kulturell passen Hella und Faurecia sehr gut zusammen. Beide Unternehmen haben eine vergleichbare Struktur, mit der sie ihre Geschäfte dezentral und eigenständig entwickeln können.
Was macht Sie so sicher?
Wir haben bereits in den 1990er-Jahren begonnen, ein Kooperationsnetzwerk mit anderen Zulieferern aufzubauen. Mit der Zeit haben wir gelernt, was für eine gute Kooperation nötig ist. Wir hatten daher eine gute Ausgangslage, um die Bereitschaft von Faurecia in einer Zusammenarbeit zu bewerten. Wir sind auf einer Wellenlänge.
Wird es eine Doppelspitze bestehend aus Hella-Chef Rolf Breidenbach und seinem Gegenpart von Faurecia, Patrick Koller, geben?
Herr Breidenbachs Leistungen und Erfolge für Hella stehen außer Frage. Ich kann mir vorstellen, dass die beiden gut zusammenarbeiten können.
Ihre Familie wird über eine Rückbeteiligung bis zu neun Prozent behalten. Warum machen Sie das?
Wir wollen das Signal geben, dass wir den Weg von Hella und Faurecia weiter begleiten. Die Verantwortung liegt nun aber klar beim Management von Faurecia. Der von uns entsendete Vertreter in den Verwaltungsrat wird darüber wachen, dass die Belange von Hella beachtet werden.
Werden Sie in den Verwaltungsrat gehen?
Darüber wird die Familie zu gegebener Zeit entscheiden.
Bleibt denn die ganze Familie beteiligt, oder scheren einzelne Mitglieder aus?
Wir bleiben alle zusammen dabei und werden eben jene bis zu neun Prozent halten.
Ist diese Beteiligung auf Dauer angelegt oder nur für den Übergang, bis die Fusion umgesetzt ist?
Das werden wir sehen. Solange wir dabei sind, wollen wir helfen, die beiden Firmen zu integrieren.
Wie schwer fällt Ihnen und Ihrer Familie dieser Schritt?
Wir sind dem Unternehmen verpflichtet, also den Mitarbeitern und Führungskräften. Dieses Denken steckt tief in unserer DNA. Dazu stehen wir alle in Einigkeit. Der Verkauf fällt uns schwer, mir persönlich auch. Wir sind aber fest davon überzeugt, dass es für Hella der einzig richtige Weg ist.
Sie sind in diesem Jahr 72 Jahre alt geworden. Was werden Sie nun in der Post-Hella-Zeit machen?
Ich habe mehr Zeit für meine Familie und meine Hobbys, auf die ich mich sehr freue.
Langweilig wird Ihnen nicht?
Sicher nicht. Wir haben ja noch unsere Aluminiumstrangpressfirma Eduard Hueck. Der kann ich mich nun stärker widmen.
Mehr: Mit der Hella-Übernahme kann Faurecia-Chef Patrick Koller sein Unternehmen schneller transformieren – und zu Bosch, Continental und ZF aufschließen.
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