Interview mit CEO Mathieu Floreani Laborkonzern Synlab: „Corona wird noch viele weitere Jahre Teil unseres Geschäfts sein“

Der Münchener Laborkonzern will auch nach der Corona-Pandemie zweistellig wachsen und plant weitere Zukäufe.
Frankfurt Der Laborkonzern Synlab will seine führende Position in der medizinischen Diagnostik in den kommenden Jahren weiter ausbauen. Konzernchef Mathieu Floreani plant ein Wachstum von rund zehn Prozent pro Jahr, wobei drei Prozent Zuwachs aus der organischen Entwicklung kommen sollen, der Rest durch Zukäufe. Dafür will das Unternehmen, das der Private-Equity-Gesellschaft Cinven gehört, pro Jahr etwa 200 Millionen Euro ausgeben, wie Floreani im Gespräch mit dem Handelsblatt sagt.
„Wir haben noch viel Potenzial, in der medizinischen Diagnostik zu wachsen“, sagt der 53-jährige Manager. Der europäische Markt sei sehr fragmentiert. „Obwohl wir als Europas größter Anbieter seit mehr als 20 Jahren eine sehr aktive Rolle bei der Konsolidierung spielen, liegt unser Marktanteil bei nicht einmal zehn Prozent“, so Floreani, der vor Synlab viele Jahre in Führungspositionen beim Logistikkonzern DHL gearbeitet hat.
Regionale Wachstumsmöglichkeiten sieht der Synlab-CEO in schnell wachsenden Märkten wie Lateinamerika und Afrika. „Darüber hinaus gibt es weltweit noch viele Regionen, in denen wir bislang nicht präsent sind und die wir erschließen können“, sagt er. Außerdem will sich das Unternehmen in verschiedenen diagnostischen Wachstumsfeldern verstärken, etwa in der Onkologie, Neurologie, Genetik und der personalisierten Medizin.
Synlab mit Hauptsitz in München geht auf die 1998 gegründete „Vereinigung freier Laborärzte“ in Augsburg zurück. 2015 hatte der Finanzinvestor Cinven das Unternehmen für 1,7 Milliarden Euro vom Private-Equity-Investor BC Partners gekauft und mit dem französischen Wettbewerber Labco fusioniert. Synlab ist heute mit mehr als 450 Laboren in 36 Ländern auf vier Kontinenten präsent, wobei der Schwerpunkt in Europa liegt.
Vergangenen Monat wurde bekannt, dass Cinven nach Ostern den Börsengang von Synlab starten will. Das Unternehmen könnte dabei mit rund sechs Milliarden Euro bewertet werden, heißt es aus Finanzkreisen. Damit würde Synlab im Verhältnis von Firmenwert zu Gewinn und Umsatz ähnlich bewertet wie Sonic Healthcare. Der australische Laborkonzern ist in Deutschland Marktführer, weltweit fast doppelt so groß wie Synlab und kommt aktuell auf einen Firmenwert von umgerechnet mehr als elf Milliarden Euro.
Gutes Geschäft mit Corona-Tests
Zum Thema Börsengang gibt es von Synlab-Chef Floreani keinen Kommentar. Er sagt nur: „Eine meiner Aufgaben war und ist es, das Unternehmen für einen wie auch immer gearteten Exit bereit zu machen. Dieser gehört für Private-Equity-Gesellschaften zum Konzept einer Beteiligung.“
Synlab ist im vergangenen Jahr nach vorläufigen Zahlen um 38 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro Umsatz gewachsen. Die vielen Millionen Tests, die wegen der Corona-Pandemie nötig wurden, haben dem Laborunternehmen einen Schub gebracht. Das um Sondereffekte bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) stieg um 71 Prozent auf 679 Millionen Euro.
Seit Anfang des Jahres ist Synlab ausschließlich auf medizinische Diagnostik fokussiert: Der auf Umwelttests spezialisierte Geschäftsbereich Analytics & Services wurde für 550 Millionen Euro an den Genfer Warenprüfkonzern SGS verkauft. Das hatte eine Heraufstufung der Bonitätsnote durch die Ratingagentur Fitch zur Folge. Denn Synlab nutzt das Geld für den Schuldenabbau.
Fitch erwartet, dass Synlab noch bis 2023 von dem Corona-Effekt profitiert. Allerdings mit abnehmender Bedeutung: 2020 waren rund 20 Prozent des Umsatzes bedingt durch Corona-Tests. Auch Synlab-Chef Floreani geht davon aus, dass der Corona-Effekt noch eine Weile anhalten wird: „Wir müssen damit rechnen, dass Sars-CoV-2 als Infektionskrankheit langfristig erhalten bleiben wird. Eine Überwachung des Infektionsgeschehens durch Tests bleibt also erforderlich. Wir stellen uns darauf ein, dass Sars-CoV-2 noch viele weitere Jahre ein Teil unseres Geschäfts sein wird.“
Zudem dürfte die Diagnostik insgesamt in den nächsten Jahren einen höheren Stellenwert bekommen, erwartet er: „Rund 70 Prozent aller medizinischen Entscheidungen hängen schon heute von Diagnostik ab. In Zukunft wird sie noch weiter an Bedeutung gewinnen. Denn immer mehr Menschen wollen sich durch unsere diagnostische Expertise aktiv ein Bild von ihrer Gesundheit machen, um Hinweise für die Prävention zu bekommen.“ Dieser Trend sei in der Coronakrise noch stärker geworden, so Floreani.
Neben dem steigenden Gesundheitsbewusstsein der Menschen wird die Diagnostik seiner Ansicht nach auch weiterhin von Megatrends wie dem globalen Bevölkerungswachstum und der Alterung von Gesellschaften profitieren.
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