Jobabbau bei Alstom geplant Hat GE Frankreich über den Tisch gezogen?

Das Geschäft mit Großkraftwerken ist eingebrochen.
Paris Es war wohl einer der schönsten Momente in der Karriere von GE-Chef Jeffrey Immelt: Im Juni 2014 wurde er im Pariser Elysée-Palast empfangen. Präsident François Hollande persönlich teilte ihm mit, dass die Regierung sein Gebot für Alstom-Energie annehme. Siemens, wichtigster Konkurrent des amerikanischen Elektro-Riesen, zog geschlagen vom Platz.
Vor einer Woche war Immelt wieder im Elysée. Diesmal allerdings wurde er einbestellt wie der Botschafter einer gegnerischen Macht. Hollande und sein Wirtschaftsminister Emmanuel Macron wollten wissen, wie GE dazu komme, 765 Jobs in Frankreich abzubauen: Schließlich hatte Immelt vor anderthalb Jahren netto 1000 zusätzliche Arbeitsplätze versprochen, ein entscheidendes Element in der Übernahmeschlacht.

Die bisherige GE-Frankreichchefin hat genug von Großkonzernen.
Immelt macht eine harte Zeit durch in Frankreich. Nicht nur, dass er die von Alstom übernommenen Turbinenkapazitäten an die flaue Nachfrage anpassen und damit die Regierung brüskieren muss. Am Montag ist auch noch seine Landeschefin Clara Gaymard von Bord gegangen. Ohne sie wäre Immelt wohl nie zum Zuge gekommen, sie kennt alle entscheidenden Leute in Paris. Und wenn das nicht reicht, kann sie sich im Adressbuch ihres Mannes bedienen. Der war Wirtschafts-, Finanz- und Industrieminister.
Mark Hutchinson, bislang verantwortlich für GE Europa und die Integration der Alstom-Werke, hat Gaymards Posten bereits am Montag angetreten. Er wird aber ausdrücklich nur als Übergangslösung bezeichnet: „Wir suchen auf Dauer eine neue Person“, sagt GE-Frankreich-Sprecher Laurent Wormser. Gaymard begründet ihren Rückzug mit dem Wunsch, künftig außerhalb eines Großunternehmens arbeiten zu wollen. Der Abschluss der Alstom-Übernahme, der im November nach der Genehmigung durch die EU-Kommission vollzogen wurde, sei dafür ein guter Zeitpunkt.
Zumindest für Gaymard stimmt das. Denn GE hat angefangen, die zu knappe Decke von einer Seite zur anderen zu ziehen. In der Schweiz baut GE 1300 Jobs ab. Dort werden Schaufeln und Rotoren für Turbinen hergestellt, die anschließend in Mannheim montiert werden. Dort hat Alstom die Vernichtung von 1066 Arbeitsplätzen angekündigt, darunter das komplette Turbinenwerk mit 500 Mitarbeitern. Doch auch diese harten Einschnitte in den Nachbarländern reichen nicht, um GE/Alstoms wichtigstes Werk in Belfort wirklich abzusichern.
Weltweit ist die Nachfrage nach Turbinen eingebrochen. Gaskraftwerke leiden unter der Konkurrenz der Erneuerbaren und der billigen Kohle. Deshalb werden kaum noch große Gasturbinen geordert – von Turbinen für Atomkraftwerke, eine zweite Alstom-Spezialität, ganz zu schweigen. Die Krise der Schwellenländer kommt hinzu. Und selbst wenn GE noch Aufträge in China gewinnt: Dort hat Alstom schon vor Jahren sein größtes Turbinenwerk aufgebaut. In Europa schlägt die Nachfrage nur dann zu Buche, wenn es um große Gasturbinen geht.
Ölpreisverfall setzt dem Konzern zu
Die Krise im Fracking- und Erdölsektor, ausgelöst durch den extrem niedrigen Ölpreis, wirkt sich ebenfalls aus. Spezialturbinen für die Förderung von Schieferöl und -gas werden nicht mehr gebraucht, die für Versorgungs- und Lagerschiffe für die Erdölindustrie auch nicht mehr. Das Problem trifft weltweit die großen Ausrüster wie GE und Siemens, aber eben auch Alstom.
40 große Gasturbinen hat Belfort im letzten Jahr geliefert, alle außerhalb von Europa. Zur besten Zeit waren es mehr als doppelt so viele. Wie wollen die Amerikaner unter diesen Bedingungen nicht nur Jobs halten, sondern auch noch Beschäftigung aufbauen? Mit der französischen Regierung jedenfalls ist nicht zu spaßen, denn Hollande läuft sich für den Präsidentschaftswahlkampf 2017 warm. Das Letzte, was er da braucht, ist der Vorwurf, die Amerikaner hätten ihn über den Tisch gezogen. Immelt wiederholte nach dem Treffen mit Hollande, dass er bis Ende 2018 netto 1000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen werde. Beim Abschluss der Übernahme im November hatte Alstom-Energie 14.000 Beschäftigte, in drei Jahren müssen es 15.000 sein. Andernfalls hat GE sich verpflichtet, für jeden nicht geschaffenen Job 50.000 Euro Strafe zu zahlen – was aber nur einen Teil der gesparten Lohnkosten ausmacht.
Wie die Zusage mit der desolaten Lage des Marktes für Turbinen zu vereinbaren ist, sagt Immelt nicht. GE verspricht, Belfort zum weltweiten „Exzellenzzentrum“ für schwere Gasturbinen auszubauen. Der Elysée nennt das „alleiniges weltweites Zentrum“. Neue Jobs entstehen, wenn überhaupt, wohl nicht direkt in der Produktion: 250 Leute will GE in einem Exzellenzzentrum für die Digitalisierung in Paris einstellen, 310 für ein Insourcing-Projekt in Belfort und 240 für ein „Leadership-Programm“.