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Keine Innovationen im Flugzeugbau Einladung zur Disruption

Bloß keine Experimente, so lautet das Motto der Flugzeugbauer. Die etablierten Hersteller sollten sich nicht wundern, wenn ihnen plötzlich neue Konkurrenz erwächst – etwa aus dem Silicon Valley. Eine Analyse.
12.07.2016 - 16:42 Uhr Kommentieren
Das Duopol Boeing und Airbus hat zusammen einen Auftragsbestand von 1,5 Billionen Euro nach Listenpreisen. Quelle: dpa
Luftfahrtmesse auf dem britischen Provinzflughafen Farnborough

Das Duopol Boeing und Airbus hat zusammen einen Auftragsbestand von 1,5 Billionen Euro nach Listenpreisen.

(Foto: dpa)

München Auf dem englischen Provinzflughafen Farnborough trifft sich diese Woche der der wohl exklusivste Industrieklub der Welt. Mitglied ist, wer marktfähige Passagierflugzeuge baut oder zumindest etwas zuliefern kann. Die Rangordnung ist seit Jahren festgelegt und bemisst sich an der Nähe zur Startbahn und der Größe der Ausstellungsfläche. Ganz vorne parken die Riesenmaschinen von Airbus und Boeing. In ihrem Schatten stehen die Regionalflieger von Embraer aus Brasilien, Bombardier aus Kanada und Sukhoi aus Russland. Die Claims sind weitgehend abgesteckt. Die kleineren Hersteller bauen die kleineren Flugzeuge. Maschinen mit mehr als 150 Sitzen kommen aus Seattle oder Toulouse. Für Boeing und Airbus ist das ein komfortabler Zustand. Zusammen hat das Duopol einen Auftragsbestand von 1,5 Billionen Euro nach Listenpreisen. Wenn das letzte dieser bestellten Flugzeuge ausgeliefert ist, wird in Amerika der übernächste Präsident gewählt.

Die feste Struktur hat natürlich Gründe: Zum einen gibt es seit der Übernahme von McDonnell Douglas durch Boeing Ende der neunziger Jahre keine Konkurrenz mehr für die bestehenden Hersteller. Der beispiellose Luftfahrtboom, gespeist aus dem Eintritt Asiens in die Weltwirtschaft, füllt ausschließlich die Auftragsbücher von Airbus und Boeing. Zum anderen erklärt die Branche dem Rest der Welt, dass neue Flugzeuge sehr kompliziert und sehr teuer zu entwickeln sind. Die letzten großen Neuentwürfe, der Airbus 350 und der Boeing Dreamliner 787, haben das Duopol aus seiner Sicht zu viel Zeit, Geld und Nerven gekostet. Die Lust, sich an neuen Abenteuern zu versuchen, ist überschaubar. Jetzt soll möglichst ungestört produziert und geliefert werden, was vor vielen Jahren entwickelt wurde.

Bloß keine Experimente, lautet das Motto einer Branche, die sich noch wenig angreifbar wähnt. Tatsächlich hat sich am Grundmuster eines Passagierflugzeugs seit den sechziger Jahren nicht viel geändert: Ein Rumpf mit zwei Flügeln an dem Triebwerke hängen, die Kerosin für den Vortrieb verbrennen. Seitdem wird vor allem optimiert – hier ein bisschen Kohlefaser, dort ein neues Triebwerk mit größeren Luftschaufeln.

Aus dem bestehenden Paradigma bewegt man sich ungern. Trotz der Enge auf den Flughäfen brauchen die Maschinen immer noch kilometerlange Rollbahnen, um abheben zu können. Nach wie vor sitzen die Passagiere in engen Röhren, in die jedes Jahr mehr Sitze geschraubt werden. Das ist weder attraktiv für die Fluggäste, noch löst es das Dilemma der Airlines und Flughäfen. Denn die haben sich verpflichtet, trotz steigender Passagierzahlen Lärm und Emissionen drastisch zu senken.

Damit ist der Flugzeugbau eine Einladung an Innovatoren, die mit disruptiven Methoden und Technologien den Markt aufmischen könnten. So wie die Silicon Valley-Größen Jeff Bezos und Elon Musk mit billigen und wiederverwendbaren Raketen das Weltraumgeschäft aus den Angeln heben, so könnten auch im Flugzeugmarkt die eingefahrenen Rituale von Seiteneinsteigern in Frage gestellt werden.

Etablierte Hersteller müssen in neue Ideen investieren

Denn die neuen Technologien und Instrumente für das Flugzeug von morgen sind längst auf dem Weg. Die Digitalisierung von Forschung und Entwicklung erlauben viel kürzere Entwicklungszeiten als es die Branche bislang gewohnt ist. Neue Materialien ermöglichen bald andere Strukturen für Rumpf, Flügel und Kabine, 3 D-Drucker stellen in Zukunft die heutigen Fertigungsverfahren auf den Kopf. Elektrisches Fliegen, bis vor einigen Jahren noch als Utopie abgetan, wird in Kleinflugzeugen bereits erfolgreich erprobt. Schon Ende des kommenden Jahrzehnts könnten Maschinen mit 100 Sitzplätzen zumindest im Regionalverkehr elektrisch fliegen, sagen Experten. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, wann sich die ersten Abenteurer aus dem Silicon Valley aufmachen, Entwicklung und Bau von Flugzeugen neu zu denken.

Die etablierten Hersteller haben die Gefahr erkannt und versuchen ihre Kultur zu ändern. Spektakulär bündeln neuerdings Airbus und Siemens ihre Kräfte. Beide Unternehmen ziehen 200 Entwickler zusammen, um elektrische Antriebe im Flugzeugbau zu erforschen. Ob das Start-up am Ende einen revolutionären neuen Antrieb liefert, ist offen. Sicher ist, dass die etablierten Hersteller solche Werkstätten auch brauchen, um attraktiv für innovative Köpfe zu bleiben. Große Erfindungen nahmen oft ihren Anfang, wenn frustrierte Mitarbeiter ihren Arbeitgeber verließen, weil man sie nicht machen ließ, woran sie glaubten.

Es steht viel auf dem Spiel, denn der Flugzeugbau wächst weiter kräftig. In Farnborough haben Airbus und Boeing ihre Prognosen erhöht, bis 2035 sollen Flugzeuge für mehr als fünf Billionen Euro verkauft werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich aggressive Unternehmen und Technologien finden, die dem Duopol diesen Markt streitig machen.

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