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Kommentar Klimawende in der Autoindustrie: Zulieferer und deren Beschäftigte müssen den Großteil der Transformation stemmen

Deutschlands Autohersteller setzen sich ambitionierte CO2-Ziele. Doch die Last tragen vor allem ihre Zulieferer. Für manche von ihnen wird die Forderung nach Klimaneutralität zum Höllenritt.
28.09.2021 - 18:04 Uhr Kommentieren
Der Wechsel vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb ist für die Zulieferer eine Herausforderung. Quelle: dpa
Produktion eines Mercedes EQC in Bremen

Der Wechsel vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb ist für die Zulieferer eine Herausforderung.

(Foto: dpa)

Wer auch immer den neuen Kanzler stellt, Klimaschutz wird das beherrschende Thema der nächsten Regierung sein. Und Grünen-Chefin Annalena Baerbock hat recht: Die Industrie hat sich mit dem Projekt Klimawende weitgehend angefreundet. Von den größten Energieverbrauchern wie BASF bis zu den größten Stromproduzenten wie RWE – die meisten Unternehmen bereiten den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen vor. Die einen wollen ihre Anlagen auf Wasserstoff umstellen, die anderen haben ihre Stromproduktion mit CO2-Zertifikaten abgesichert, die sie sich vor Jahren billig besorgt haben. Kommt der Kohleausstieg früher, kann RWE die ungenutzten Zertifikate verkaufen.

Das Beispiel zeigt: Der spezifische Unternehmenserfolg in Sachen Energiewende ist auch eine Frage von Wissen, Macht und Möglichkeiten.

Ganz besonders gilt das für die Autoindustrie, die mit einer grünen Regierungsbeteiligung ganz gut leben könnte. Das Elektroauto ist auch dank hoher Subventionen gesetzt, die Industrie hat den Verbrennungsmotor technologisch und wirtschaftlich abgehakt. Als sich die Branche Anfang September auf der Automesse IAA in München präsentierte, da spielten Benzin- und Dieselmodelle gar keine Rolle mehr. Die einst größte Autoshow der Welt mutierte zur „grünen Woche“, auf der sich die Akteure mit ihren Klimaversprechen überboten.

Daimler, BMW, Bosch und Volkswagen wollen langfristig klimaneutral werden und unterstützen die „Science Based Targets“-Initiative. Darin verpflichten sich Unternehmen, mit ihren Maßnahmen dafür zu sorgen, dass die Erderwärmung nicht über 1,5 Grad steigt. Konkret will Volkswagen den Ausstoß seiner Fahrzeuge über den gesamten Lebenszyklus inklusive Produktion und Nutzung bis 2030 um mindestens 30 Prozent gegenüber 2019 reduzieren, Konkurrent BMW bietet gar 40 Prozent. Die Nutzung der Autos und insbesondere die Herstellung über die Lieferkette sollen in dieser Rechnung berücksichtigt werden.

Ausgerechnet das Elektroauto jedoch bereitet hier Probleme: Die Herstellung eines Stromers mit Lithium-Ionen-Batterien ist laut Daimler doppelt so energieintensiv wie die eines Autos mit Verbrennungsmotor.

Wer berechnet die Klimabilanz einer Chromleiste?

Die Tücke der Rechnung: Sie muss erst einmal valide aufgestellt werden. Während die Autoindustrie den Energieverbrauch für ihre Werke einigermaßen erfassen kann und jede Energiesparlampe kennt, gilt das für die komplexen und internationalen Zulieferketten noch lange nicht. Das ist aber der dickste Brocken in der Gleichung: Bis zu achtzig Prozent der Wertschöpfung eines Autos stammen aus den unterschiedlichen Stufen der Lieferkette, deren implizierten Energieverbrauch heute niemand genau kennt. Aber man tut so: Konkret verpflichtet Daimler beispielsweise seine Lieferanten, einen „Ambition Letter of Intent“ zu unterzeichnen, in dem sie sich verpflichten, in Zukunft nur noch CO2-neutrale Zulieferungen zu garantieren.

Auch BMW und Volkswagen machen CO2-Freiheit zum Knock-out-Kriterium für zukünftige Lieferbeziehungen.

Der Wechsel vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb ist für die Zulieferer eine Herausforderung. Die zusätzliche Forderung nach Klimaneutralität macht das Unterfangen für viele Unternehmen zum Höllenritt. Zwar arbeiten sowohl Start-ups als auch große Softwareunternehmen wie SAP, Oracle oder Salesforce an Programmen, die den CO2-Ausstoß berechnen, aber bis heute fehlen Standards für eine gemeinsame Berechnung von Emissionen. Wie bilanziert man denn die Herstellung einer Chromleiste, deren Rohstoffe aus Südamerika oder Afrika stammen, die in Rumänien gefertigt wird und anschließend, in Deutschland montiert, am fertigen Auto nach China geht? So funktionieren nun einmal die Liefer- und Wertschöpfungsketten der deutschen Autoindustrie.

Die Folge sind Konfusion und ein wachsender Selektionsdruck in den Lieferketten. Hierzulande wird die Transformation nur gelingen, wenn grüner Strom ausreichend vorhanden und bezahlbar ist. Doch bislang existiert die Wasserstoffwirtschaft nur auf dem Papier. Auf der anderen Seite machen es Bürokratie und Genehmigungsverfahren den Unternehmen schwer, sich mit grüner Energie zu versorgen. Wenn die Politik diese Hürden nicht schnell abräumt, drohen viele Zulieferer und mit ihnen ganze Regionen aus der Wertschöpfungskette der Autoindustrie herauszufallen.

Damit Klimaneutralität kein leeres Versprechen bleibt und auch nicht zur Deindustrialisierung Deutschlands führt, muss die nächste Bundesregierung diese Probleme schnell angehen. Es mag ja sein, dass die großen Autohersteller ihre Klimaziele erfüllen können. Diese Versprechen sollte die Politik aber mit Vorsicht genießen. Denn für die Zulieferbetriebe gilt das noch lange nicht. Sie und ihre Beschäftigten müssen den Großteil der Transformation stemmen, die gerade erst begonnen hat.

Mehr: Wir Autokunden müssen entwöhnt werden. Ein Kommentar von Markus Fasse

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