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Korruptionsverdacht bei Tochter Atlas Thyssen-Krupp erneut im Visier der Ermittler

Mitarbeiter der Rüstungstochter Atlas sollen mit Rückendeckung der Rechtsabteilungen Schmiergelder gezahlt haben. Für Konzernchef Hiesinger ist das ein herber Schlag. Und es droht noch größeres Ungemach.
12.07.2016 - 18:32 Uhr Kommentieren
Die auf Marinetechnologie spezialisierte Tochter Atlas Elektronik soll bei Geschäften in der Türkei geschmiert haben. Quelle: dpa
U-Boot von Thyssen-Krupp in Kiel

Die auf Marinetechnologie spezialisierte Tochter Atlas Elektronik soll bei Geschäften in der Türkei geschmiert haben.

(Foto: dpa)

Frankfurt Der Industriekonzern Thyssen-Krupp wähnt die dunkle Zeit, in der er in Bestechungen und Kartelle verwickelt war, hinter sich. Seitdem Heinrich Hiesinger 2011 die Leitung übernommen hat, weht ein anderer Wind durch die Flure des traditionsreichen Konglomerats. Er schob Fällen, bei denen Deals mit Schmiergeld eingefädelt wurden, rigoros einen Riegel vor. „Lieber verzichten wir auf ein Geschäft“, betonte der Vorstandschef wiederholt.

Nun geht die Staatsanwaltschaft Bremen einem Verdacht nach, der nicht in das Bild der neuen Thyssen-Krupp AG passen will. Die auf Marinetechnologie spezialisierte Tochter Atlas Elektronik soll bei Geschäften in der Türkei geschmiert haben. Aber nicht nur das, die hausinternen Juristen sollen wider besseres Wissen die Korruption nicht unterbunden haben. Zweifelhafte Zahlungen flossen aus Sicht der Staatsanwaltschaft womöglich bis ins Jahr 2014.

Ihren Verdacht sehen die Bremer Ermittler durch Unterlagen gestützt, die sie bei Durchsuchungen sichergestellt haben. Diese liegen dem Handelsblatt in Auszügen vor. Atlas steht schon länger im Visier der Fahnder. Die Firma, die je zur Hälfte Thyssen-Krupp und Airbus gehört, soll den Verkauf von Torpedos und Sonargeräten an Griechenland und die Türkei mit Schmiergeldern angeschoben haben.

Prekär ist vor allem das Geschäft mit der Türkei. Bei den Durchsuchungen stießen die Staatsanwälte auf kompromittierende Mitschriften der Hausjuristen. Darin heißt es eindeutig: Aufgeteilt in zwei Barschecks, wurden 525.000 Dollar per Boten in die Schweiz gebracht und einem Berater übergeben. Dieser habe das Geld dann auf das Konto eines hochrangigen türkischen Armeeangehörigen eingezahlt, heißt es in einer Gesprächsnotiz vom 23. April 2007.

Geschrieben wurde das Protokoll von einem Compliance-Mitarbeiter von Airbus, der zusammen mit seinen Kollegen von Thyssen-Krupp Auffälligkeiten bei dem Rüstungsdeal mit der Türkei überprüft hatte. Wenige Tage später traf die Runde erneut zusammen, und da wurde der Mitarbeiter noch deutlicher. In dem Protokoll bezeichnet er die Zahlung an den Militär als „Bestechung“.

Trotz der Eindeutigkeit passierte nichts. An Wissen um die Gesetzeslage dürfte es nicht gemangelt haben. Als Mitarbeiter der Compliance-Abteilung waren sie Experten in diesem Feld. Zudem wurden laut Staatsanwaltschaft auch die Chefs der Abteilung eingeschaltet.

Bei Thyssen-Krupp war dies damals Thomas Kremer. Es dürfe als ausgeschlossen gelten, dass er von seinen Mitarbeitern nicht über die Inhalte der Treffen mit den Airbus-Leuten informiert worden sei, lautet der Verdacht der Staatsanwälte. Belegt sehen sie dies durch E-Mails, die die Beamten sichergestellt haben.

Die internen Ermittlungen aber wurden dem Vernehmen nach folgenlos eingestellt, obwohl es gegenteilige Meinungen gab. Eine zusätzlich eingeschaltete externe Kanzlei hatte empfohlen, den Fall der Staatsanwaltschaft zu melden. Durch die folgenden Ermittlungen, so sollen die Compliance-Leute den Unterlagen zufolge bei ihren Treffen argumentiert haben, wären indes die Geschäftsbeziehungen zu anderen Ländern belastet worden.

Verheimlichen ließ sich der ungewöhnliche Fall aber nicht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit einigen Monaten auf eigene Initiative – und ist bestens mit Insiderwissen ausgestattet. In ihren Unterlagen führt sie 19 Beschuldigte. Dazu zählen neben Vertriebsleuten und türkischen Beratern auch Mitarbeiter der Compliance-Abteilungen von Thyssen-Krupp und Atlas.

Der Vorwurf lautet auf Bestechung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Kremer und die anderen Juristen, so der Verdacht, könnten sich der Vergehen schuldig gemacht haben, weil sie nichts gemacht haben. Kremer weist die Vorwürfe vehement zurück.

In den Jahren nach dem Treffen Mitte 2007 flossen weitere Gelder an die eingeschalteten Beraterfirmen. So erhielt das Unternehmen Bayma im Februar 2011 einen Betrag von fünf Millionen Euro, mit denen ein Beratervertrag aufgelöst wurde. Bis zum Jahr 2014 überwies Atlas an die Firma Tetico weitere Millionen. Eine erkennbare Gegenleistung habe es nicht immer gegeben, heißt es in den Unterlagen. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft könnten mit diesem Geld türkische Armeeangehörige bestochen worden sein.

Für die Beschuldigten ist das brisant: Sämtliche Zahlungen hätten den Zweck der Bestechung gehabt, heißt es in den Unterlagen der Bremer Staatsanwaltschaft. Und keine der Taten ist aus ihrer Sicht verjährt.

Für Thyssen-Krupp und dessen Chef Hiesinger sind die Ermittlungen ein Rückschlag bei dem Versuch, den Ruhrkonzern vom illegalen Geschäftsgebaren zu befreien. Der Konzern stand in den vergangenen Jahren immer wieder wegen Kartellen und Bestechungsfällen in den Schlagzeilen. Für die Beteiligung an einem Schienenkartell zulasten der Bahn musste Thyssen-Krupp 2012 rund 103 Millionen Euro zahlen. Für Preisabsprachen im Fahrstuhlgeschäft bis 2004 hatte die EU-Kommission dem Konzern mehr als 300 Millionen Euro Strafe aufgebrummt. Und die Werftensparte stand immer wieder unter Verdacht, Aufträge aufgrund von Schmiergeldern zu erhalten.

Der neue Schmiergeldverdacht bei der Tochter Atlas könnte Folgen haben. Hiesinger, der im Januar 2011 den Vorstandsvorsitz übernommen hatte, kann einige Erfolge bei der Neuausrichtung des Unternehmens vorweisen. Nach dem Verkauf von Bereichen wie der Edelstahlsparte und Sparpaketen führte er Thyssen-Krupp in die Gewinnzone zurück.

Diese Erfolge sind gefährdet, sollten sich die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft erhärten. Zumal Thyssen-Krupp ein noch größeres Ungemach droht: Einige der von Atlas eingeschalteten Beratungsfirmen hat auch die Tochter HDW bei einem aktuellen Deal mit der Türkei eingeschaltet. Die Marine des Landes kauft sechs U-Boote im Wert von 2,1 Milliarden Euro bei Thyssen-Krupp.

In den Unterlagen zu dem Geschäft finden sich Auffälligkeiten, die auf Bestechung hindeuten könnten. So wurden etwa Gelder über Offshore-Konten an die Berater geleitet, und die Provisionen sind mit drei Prozent ungewöhnlich hoch. Zwei Beteiligte bestätigten dem Handelsblatt zudem, dass bei der Geschäftsanbahnung über Schmiergelder gesprochen worden war.

Einen Zusammenhang zwischen beiden Fällen sieht Thyssen-Krupp nicht. Das Unternehmen erklärte indes, man nehme die Vorwürfe sehr ernst: „Daher werden wir diesen eigenständig nachgehen und unterstützen auch weiterhin die Staatsanwaltschaft Bremen bei ihren Ermittlungen.“ Die Staatsanwaltschaft Bremen und Airbus lehnten einen Kommentar ab.

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