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Korruptionsverfahren Prozess um die Dillinger Hütte: Corona-Infektion des Hauptangeklagten sorgt für Streit

Nachdem der Ex-Bauunternehmer François Baron von Sass positiv auf Corona getestet worden ist, verhandelt das Gericht wieder. Die Verteidiger sind geschockt.
13.01.2021 - 19:23 Uhr Kommentieren
Zwei Ex-Mitarbeiter und ein Bauunternehmer müssen sich wegen Bestechung und Bestechlichkeit vor Gericht verantworten. Quelle: imago images/Hans Blossey
Stahlwerk Dillinger Hütte

Zwei Ex-Mitarbeiter und ein Bauunternehmer müssen sich wegen Bestechung und Bestechlichkeit vor Gericht verantworten.

(Foto: imago images/Hans Blossey)

Berlin, Düsseldorf Eigentlich sollten an diesem Mittwoch im Saarbrücker Korruptionsprozess um das Stahlwerk Dillinger Hütte vier Zeugen gehört werden. Doch dazu kam es nicht. Erst lieferten sich Verteidiger und der Kammervorsitzende hitzige Wortgefechte, dann wurde die Verhandlung unterbrochen. Grund für den Streit: Der Hauptangeklagte François Baron von Sass hatte sich mit dem Coronavirus infiziert.

Am 28. Dezember war ein Test in der Justizvollzugsanstalt (JVA) positiv ausgefallen. Die Verteidiger drängen deshalb auf eine Verschiebung der Verhandlungen bis zu einem negativen Test, doch der Vorsitzende Richter Bernd Weidig entschied: Nach Rücksprache mit dem medizinischen Dienst der JVA stehe der Durchführung der Hauptverhandlung nichts entgegen.

In dem großen Korruptionsverfahren verdächtigt die Staatsanwaltschaft von Sass und 22 weitere Beschuldigte der Bestechung und der Bestechlichkeit. Darunter sind auch ehemalige Vorstände des Stahlwerks und Mitarbeiter des Baukonzerns Hochtief. In dem mutmaßlich korrupten Netzwerk sollen millionenschwere Bauaufträge verschoben worden sein.

Neben von Sass müssen sich zurzeit zwei Ex-Mitarbeiter der Hütte vor Gericht verantworten. Die drei Männer sind im fortgeschrittenen Alter und gehören zur Risikogruppe. Baron von Sass sitzt seit über einem Jahr in Untersuchungshaft. Er wird Ende des Monats 69, habe Herzprobleme und mehrere Stents, sagte sein Anwalt Michael Heuchemer aus Bendorf.

Entsprechend verärgert reagierte Heuchemer auf den Gerichtsbeschluss: „Während überall in der Republik bei Corona-Verdacht zu höchster Vorsicht aufgerufen wird, sind wir dem Gerichtsbeschluss hilflos ausgeliefert“, sagte der Jurist. Der Beschluss orientiert sich an Vorgaben des Gesundheitsamts, das eine Isolation des Barons bis 7. Januar angeordnet hatte.

Die Vehemenz, mit der Verteidigung und Gericht über die Ansteckung und ihre Folgen streiten, zeigt einerseits, wie Konfrontativ die Situation im dem Korruptionsprozess inzwischen ist, und andererseits auch, wie die Pandemie zuweilen die Justiz überfordert.

Gerichte gehen unterschiedlich mit Corona um

Wie Gerichte mit Corona-Erkrankungen oder Verdachtsfällen von Angeklagten oder Mitarbeitern des Justizapparats umgehen, kann sehr unterschiedlich sein. Das Düsseldorfer Oberlandesgericht hat einen Prozess gegen mutmaßliche Mafiosi mehrfach unterbrochen. Vier Beteiligte hatten sich mit dem Virus infiziert, ein Verteidiger starb sogar nach der Erkrankung. Seit Prozessbeginn im Oktober sind acht von 19 Verhandlungstagen ausgefallen.

Noch vorsichtiger war ein Richter am Landgericht Würzburg, der wegen der allgemeinen Corona-Lage kurzfristig einen Mordprozess absagen ließ. Er habe eine Fürsorgepflicht für die mehr als 30 Prozessbeteiligten, teilte er mit. Wenn überall Kontaktbeschränkungen gelten würden, könne er die Zeugen nicht in einen kleinen Sitzungssaal drängen.

Wann und bei wem sich der Baron angesteckt hat, ist unklar. Unstrittig ist, dass der Strafverteidiger bereits den letzten Verhandlungstermin am 16. Dezember per E-Mail infrage stellte. Das war ausgerechnet jener Tag der deutschlandweiten Verschärfung des Lockdowns. Weidig ließ trotzdem verhandeln.

Während Heuchemer davon ausgeht, dass sich der Baron bei der Verlegung, im Gerichtssaal oder in der JVA angesteckt hat, notierte Weidig im Beschluss, dass der Angeklagte „innerhalb und außerhalb des Gerichtssaals ohne Wahrung von Abständen und ohne Nutzung eines Mund-Nase-Schutzes“ mit seinem Verteidiger kommuniziert habe.

Der Bauunternehmer wehrt sich gegen die Vorwürfe, ein Korruptionsnetzwerk organisiert zu haben. Quelle: privat
François Baron von Sass

Der Bauunternehmer wehrt sich gegen die Vorwürfe, ein Korruptionsnetzwerk organisiert zu haben.

(Foto: privat)

Dieses Schwarze-Peter-Spiel könnte noch eine Weile weitergehen. Heuchemer hat Strafanzeige gegen Unbekannte in der Justiz gestellt: wegen Körperverletzung im Amt. Nach der Verhandlung am 16. Dezember jedenfalls verlegte die JVA von Sass in Quarantäne, doch isoliert war er offenbar nicht immer.

„Die gesetzlich vorgeschriebene Freistunde findet grundsätzlich in Gemeinschaft statt“, teilte das saarländische Justizministerium auf Anfrage mit. Dabei seien Hygieneregeln wie die Maskenpflicht einzuhalten. Zudem würden Gruppen gebildet, damit keine beliebige Durchmischung der Gefangenen möglich sei.

Warum der Coronatest dann noch fast zwei Wochen auf sich warten ließ, konnte das Gericht am Mittwoch nicht erklären. Nach dem positiven Test flammte der Streit erst richtig auf. Während der Verteidiger auf erhöhte Temperatur und einen am Telefon verwirrt klingenden Häftling verwies, berief sich Weidig auf durchgängige „Symptomfreiheit“ und darauf, dass sich der Angeklagte erneuten Tests verweigert habe.

Dieser Widerstand muss sich spätestens am Mittwoch erledigt haben. Nach der Verhandlung sollte von Sass einem weiteren Test unterzogen werden. Wenn alles gut geht, können am Freitag vielleicht endlich die Zeugen gehört werden. Im großen Saal jedenfalls soll genug Platz sein, damit die Angeklagten sechs Meter auseinandersitzen können.

Mehr: Wie Hochtief von mutmaßlicher Korruption um die Hütte profitiert haben soll.

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