Landmaschinen-Messe Agritechnica Wenn das Navi vor dem Mähdrescher warnt

Ein Mähdrescher auf dem Messegelände in Hannover.
Hannover Erntezeit ist Stauzeit: Wenn sich ein tonnenschwerer Mähdrescher im Schneckentempo über die Landstraße quält, um das nächste Einsatzfeld zu erreichen, sorgt das bei den sich dahinter versammelnden Autofahrern nicht nur für Verdruss – es ist auch gefährlich. Immer wieder kommt es zu schweren Kollisionen in ländlichen Gebieten, wenn ein Pkw-Fahrer hinter einer Kurve die Landmaschine vor ihm zu spät erkennt. Für Motorradfahrer endet ein solcher Zusammenstoß oftmals tödlich oder mit schweren Verletzungen.
Warum die anderen Verkehrsteilnehmer nicht rechtzeitig warnen, dass sich ein landwirtschaftliches Fahrzeug vor ihm auf der Straße befindet, dachte sich der ostwestfälische Mähdrescher- und Traktorhersteller Claas. Auf der derzeit in Hannover laufenden weltweit größten Landmaschinenmesse Agritechnica präsentierte das Familienunternehmen erstmals ein entsprechendes Warnsystem.
Claas greift dabei auf die automatisch erhoben Positionsdaten zurück, die moderne Agrarmaschinen ohnehin per GPS einholen, um die Felder optimal zu beackern und zu verwalten. Kooperationspartner ist in diesem Fall BMW. „Wir wollen das in unseren Warnungsdienst für mögliche Gefahren aufnehmen“, sagt Konrad Hübner, Leiter Software- und Dienste-Entwicklung beim bayerischen Autohersteller. Schon jetzt gebe es in neueren Fahrzeugen auf dem Navigationsgerät entsprechende Hinweise über Starkregen, liegengebliebene Fahrzeuge oder rutschige Straßen.
Daten auch für andere Anbieter zugänglich
BMW wolle die Palette solcher Dienste jedenfalls rasch ausweiten, so Hübner. Die Telematikdaten der Claas-Maschinen werden dann künftig in einen Pool einfließen, auf den die verschiedenen Verkehrsdiensteanbieter wie TomTom oder Here zugreifen können. Auch wenn noch nicht klar ist, wann genau die Warnung vor den Traktoren in der Praxis einsatzfähig ist – das Pilotprojekt zwischen Claas und BMW soll schnell ausgeweitet werden. Andere Autohersteller oder Motorradbauer sollen ebenfalls auf die Daten zugreifen können. Das gilt auch für die Gegenseite: Nicht nur Claas, auch Landmaschinenkonzerne wie John Deere oder Agco sollen ihre Daten zur Verfügung stellen, um einen flächendeckenden Warndienst zu ermöglichen. „Die Gespräche darüber sind vielversprechend“, heißt es bei Claas.
Ein solches Warnsystem ist nur ein Beispiel dafür, wie weit die Digitalisierung in der Landwirtschaft schon vorangeschritten ist: Auf digitalen Plattformen in der Cloud kann der moderne Bauer mittlerweile alle Arbeitsabläufe steuern, auswerten und dokumentieren. Die Maschinen liefern ihm die Daten dafür, die sie untereinander austauschen, um immer effektiver wirtschaften zu können. Dabei spielt es keine Rolle, wer die Maschinen hergestellt hat – Offenheit ist ein Grundprinzip: „Sie können alles und jeden miteinander vernetzen“, heißt es beim weltgrößten Hersteller von Landtechnik, dem US-Konzern John Deere. Darauf achten schon die Bauern selbst, die sich nicht in die Abhängigkeit von einem Hersteller begeben wollen.
„Aufgabe ist es nun, aus den bestehenden Daten mehr zu machen“, sagt Volker Zippel, bei Class zuständig für das digitale Datenmanagement. Das ostwestfälische Familienunternehmen hat schon vor Jahren seine Digitaleinheit 365 Farmnet in die Eigenständigkeit entlassen. Auf der dazu gehörenden Plattform kooperiert Claas mit Lieferanten von Wetterdaten, Düngemitteln oder auch Versicherern wie der Allianz. Ziel sei es, die Verwaltung eines landwirtschaftlichen Betriebes aus der Westentasche zu ermöglichen – via Smartphone oder Tablet, heißt es bei Claas.
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