Liu Zhongtian 465 Jahre Haft – Die USA jagen chinesischen Aluminium-Milliardär

Der chinesische Milliardär während einer Feier der Börse Hongkong.
Peking, Düsseldorf In China trägt er die Spitznamen „Onkel Liu“ und „großer Boss“, aber so einfach lässt sich der Milliardär in kein Raster pressen. Liu Zhongtian wirkt eher wie ein Apparatschik aus Maos Zeiten, wenn er im lila Rollkragenpullover und mit grauer Arbeiterjacke über die Gänge seiner Firma China Zhongwang schlurft. Liu residiert auch nicht in einer Prunkvilla, wie Chinas Industrielle dies gerne tun, sondern wohnt auf dem Werksgelände in Liaoyang. In aller Bescheidenheit.
Jetzt ist Liu 55 Jahre alt, besitzt nach „Forbes“ ein Vermögen von 3,2 Milliarden Dollar und hat einen Traum. Wenn er sich zur Ruhe setzt, möchte er im größtmöglichen Wohlstand dort leben, wo es ihm am besten gefällt: in der Schweiz.
Doch hinter der Fassade unternehmerischer Bescheidenheit verbirgt sich eine bizarre Realität. Die US-Justiz hat Anklage gegen den Chef des weltweit zweitgrößten Aluminiumkonzerns erhoben. Für 465 Jahre soll er hinter Gitter, ein theoretischer Wert, der allerdings die Schwere des Vorwurfs spiegelt.
Liu, der die Mehrheit an China Zhongwang hält, soll ein weltumspannendes Schmuggelsystem betrieben und Strafzölle gegen China unterlaufen haben. Außerdem wirft ihm die US-Justiz Betrug und internationale Geldwäsche vor. Präsident Donald Trump kommt der Fall gerade recht, um im Handelskrieg mit Peking den Druck zu erhöhen.
Tatsächlich muten die Hintergründe an, als stammten sie aus einem James-Bond-Film. Alles fing mit den Aufnahmen eines US-Piloten an, der vom Luftraum über Mexiko aus ein mysteriöses Aluminiumlager erspähte. Irgendwo im Ödland lagerte fast eine Million Tonnen des Leichtmetalls im Wert von zwei Milliarden Dollar, rund sechs Prozent der weltweiten Bestände. Nachdem die US-Behörden informiert worden waren, verschwanden die Vorräte auf ebenso mysteriöse Weise wieder. Sie wurden nach Vietnam verschifft, wie sich ermitteln ließ. Liu soll das Lager genutzt haben, um seine Ware in die USA zu schmuggeln. Das „Wall Street Journal“ vermutet, Liu sei es auch darum gegangen, im Ausland ein materielles Vorsorgekonto aufzubauen – für den Ruhestand in der Schweiz.
Insgesamt liegen 24 Anklagepunkte gegen Liu vor. Die schwerwiegendsten stehen in Zusammenhang mit jenen drastischen Strafzöllen, die der ehemalige US-Präsident Barack Obama 2011 auf chinesische Aluminiumimporte erhoben hatte.
Abgesehen von dem mexikanischen Aluminiumlager geht es auch um Briefkastenfirmen und um einen perfiden Trick: Liu soll das Metall vor dem Export zu „Paletten“ zusammengeschweißt und als Fertigware deklariert haben. Mit diesem Etikettenschwindel sei es ihm gelungen, die Aluminiumzölle von 400 Prozent zu umgehen. Zwischen 2011 bis 2014 habe er so 2,2 Millionen Paletten ins Land gebracht. 1,8 Milliarden Dollar seien Washington allein dadurch entgangen, berichtet Bloomberg mit Verweis auf die Ermittler.
Außerdem soll Liu das Aluminium gar nicht direkt an US-Abnehmer verkauft haben, sondern an ein Unternehmen, das über 19 Briefkastenfirmen in China und Hongkong letztlich Liu selbst gehörte. Was im Finanzbericht von China Zhongwang als glänzendes Überseegeschäft auftauchte, war demnach schlicht Buchfälschung. Die Vermutung, Liu habe so auch die Aktionäre reingelegt, sorgte an der Börse prompt für schlechte Stimmung. Ende der Woche brachen die Aktien des Konzerns um 14 Prozent ein.
Die USA sprechen von einer der größten Zoll-Schwindeleien in der Geschichte des Landes. „Unsere nationale Sicherheit ist gefährdet, wenn die eigene Industrie ihre Fähigkeit verliert, Produkte für die Verteidigung und kritische Infrastruktur herzustellen“, zitiert das „Wall Street Journal“ einen Mitarbeiter des Ministeriums für innere Sicherheit.
China Zhongwang indes wies alle Vorwürfe gegenüber der Börse in Hongkong als „irreführend“ und „ohne Grundlage“ zurück. Vor der angedrohten Strafe muss Liu sich ohnehin nicht fürchten, solange er in China bleibt: Zwischen Peking und Washington gibt es kein Auslieferungsabkommen.
Mehr: China will sich womöglich auf einen längeren Handelskrieg vorbereiten und keinen Kompromiss mit Trump finden. Peking setzt auf die US-Präsidentschaftswahl.
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