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Luftfahrt Der Airbus-Umbau provoziert einen Konflikt mit der deutschen Politik

Die Aufteilung der Airbus-Tochter Premium Aerotec weckt Angst vor einem Verlust von Jobs und Kompetenzen – und Kritik an einer Ungleichbehandlung der Standorte in Deutschland und Frankreich.
28.04.2021 - 13:40 Uhr Kommentieren
Zeitpunkt, Vorbereitung und Argumente für den Umbau werfen Frage auf. Quelle: Reuters
Airbus

Zeitpunkt, Vorbereitung und Argumente für den Umbau werfen Frage auf.

(Foto: Reuters)

Paris, Frankfurt Als „größten industriellen Umbau der vergangenen Jahre“ bezeichnet Airbus das, was das Management vor einigen Tagen ankündigte: die Aufspaltung und weitgehende Integration der Töchter Stelia in Frankreich und Premium Aerotec (PAG) in Deutschland. Es ist ein Thema, das an diesem Donnerstag mehr interessieren dürfte als die Zahlen zum ersten Quartal. Denn es birgt mächtig Zündstoff.

25.000 Arbeitnehmer sind betroffen. In Deutschland löst die beabsichtigte Veränderung empörte Proteste der Gewerkschaften und auch der Politik aus. Die tot geglaubte Rivalität zwischen deutschen und französischen Standorten lebt wieder auf, ein Konflikt mit der deutschen Politik droht.

Zeitpunkt, Vorbereitung und Argumente für den Umbau werfen die Frage auf, ob das Management die Folgen der Veränderung reiflich durchdacht hat. Seit rund 15 Jahren treibt den Konzern die Frage um, ob er die Herstellung von großen Teilen wie Elementen des Rumpfs seiner Flugzeuge und kleinerer Komponenten selbst übernehmen oder auslagern soll.

Ende der 2000er-Jahre entschied sich das Management dafür, diese Aktivitäten aus dem Konzern zu lösen und in den Gesellschaften Stelia (Frankreich) und Premium Aerotec (Deutschland) zu bündeln. Sie wurden unabhängig, blieben aber im vollen Besitz von Airbus.

Nun geht es wieder zurück: Große Strukturen wie Rumpf und Türen seien Teil der Kernkompetenz, hat CEO Guillaume Faury entschieden. Vergangene Woche hat Airbus beschlossen, Stelia in eine neue Gesellschaft zu überführen, die wieder Teil des Konzerns wird. Premium Aerotec dagegen wird aufgespalten: in eine größere, neue Gesellschaft für Strukturteile, die ebenfalls reintegriert wird, und in eine kleinere sogenannte Detail Parts, die nicht mehr zum Konzern gehören wird.

Gewerkschaft fürchtet massiven Verlagerungsdruck

„Detail Parts sind nicht Teil des Kerngeschäfts, aber essenziell“, sagt André Walter, Deutschlandchef von Airbus Commercial dem Handelsblatt. Das Unternehmen für Komponenten-Fertigung solle ein Global Player werden, der Airbus beliefere, aber möglicherweise auch andere Flugzeugbauer. „Welche Besitzform das Unternehmen letzten Endes haben wird, wissen wir noch nicht, wir haben aber bereits früh das Gespräch mit den Sozialpartnern darüber aufgenommen“, erläutert Walter.

In Deutschland ist nach der Ankündigung des Umbaus ein regelrechter Sturm der Entrüstung losgebrochen. Betriebsräte, Gewerkschafter und Abgeordnete fürchten einen massiven Jobverlust. „Die Zerschlagung der Premium Aerotec und die Gründung eines Einzelteilfertigers setzen sofort Tausende Arbeitsplätze in Deutschland unter massiven Verlagerungsdruck“, sagt Jürgen Kerner, Vorstandsmitglied der IG Metall.

Eine solche Firma stünde unmittelbar im Konkurrenzkampf mit Billigstandorten in Osteuropa und Asien. „Es ist zu erwarten, dass dies perspektivisch nur einem vorrangigen Ziel dient: dem Aufbau von Wettbewerbsdruck, Billigstrategien und Standortkonkurrenzen auf dem Rücken der Beschäftigten. Da machen wir nicht mit.“

Die Empörung ist auch deshalb so groß, weil das Airbus-Management in den Augen der Arbeitnehmervertreter die deutschen und die französischen Standorte ungleich behandelt. „Der Begriff ,Global Player‘ ist hier irreführend, da nur Aktivitäten der deutschen Premium Aerotec überführt werden. In Frankreich bleibt die Einzelteilfertigung bei Airbus“, sagt Kerner.

Politiker in Augsburg verlangen von Airbus mehr Fakten, warum das Werk aufgeteilt werden soll. Quelle: dpa
Premium Aerotec in Augsburg

Politiker in Augsburg verlangen von Airbus mehr Fakten, warum das Werk aufgeteilt werden soll.

(Foto: dpa)

Tatsächlich wird die aus Stelia entstehende neue Gesellschaft die Teilefertigung behalten. Airbus begründet die unterschiedliche Behandlung so: „Die Ausgangsposition ist unterschiedlich, Stelia hat in der Vergangenheit umfangreiche Arbeitspakete in Niedriglohnländer verlagert.“ Doch das stützt nur den Verdacht der Gewerkschaften, Lohnsenkungen seien beabsichtigt. Airbus-Manager Walter bestreitet das.

Ein weiterer Unterschied sei, dass die Teilefertigung bei Stelia einen geringeren Teil des Geschäfts ausmache, bei Premium Aerotec sei es deutlich mehr. Nach Angaben aus Industriekreisen liegt der Anteil bei Stelia bei rund 30 Prozent, PAG kommt auf etwas über 40 Prozent.

Doch im Umfeld der betroffenen PAG-Werke ziehen solche Argumente nicht. „Ich warte noch auf die Quantifizierung“, sagt Volker Ullrich (CSU), Bundestagsabgeordneter aus Augsburg, einem wichtigen PAG-Standort. „Der Belegschaft ist es nicht zu vermitteln, wenn ein und dieselbe Frage, nämlich die Produktion von Kleinteilen und Komponenten, in Frankreich und Deutschland unterschiedlich gelöst wird“, begründet er seine kritische Haltung zu der Umstrukturierung.

Ullrich ist kein Heißsporn, er erkennt an, dass PAG bereits vor der Covidkrise teils in einer schwierigen Lage war. „Doch bei der vorgeschlagenen Gründung einer eigenen Gesellschaft für Detail Parts sehe ich die Gefahr, dass Airbus die an einen Investor verkauft und wir Know-how und Arbeitsplätze verlieren.“

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Eine Sorge, die durchaus begründet ist. Chinesische Unternehmen beispielsweise würden sich nach dem Komponentenfertiger die Finger lecken, der Pionier beim 3D-Druck von Flugzeugteilen ist und auch Strukturfertigung für Kampfjets beherrscht.

Vielleicht gebe es durch eine Auslagerung preisliche Vorteile, „aber wir gefährden möglicherweise die Lieferkette, das muss mitbedacht werden“, argumentiert der CSU-Mann, der auch in der deutsch-französischen parlamentarischen Versammlung aktiv ist. Er formuliert eine ruhige, aber klare Warnung an Airbus: „Airbus sitzt nicht auf der Anklagebank, die Politik ist aber im Boot und hat Verantwortung, allein schon wegen der Beteiligung des Staates.“

Politik verweist auf milliardenschwere Rüstungsaufträge

Am nördlichen Ende der Republik klingt die SPD-Abgeordnete Siemtje Möller etwas härter. In ihrem Wahlkreis liegt das Premium Aerotec-Werk Varel, in dem kleine Komponenten, aber auch Rumpfteile für den Eurofighter und den Militärtransporter A400M hergestellt werden. Dennoch soll Varel komplett aus Airbus herausfallen. „Airbus hat noch kein Konzept für die langfristige Sicherung des Standorts Varel erkennen lassen, unsere Befürchtung ist die Zerschlagung des Standorts Varel, der Abbau der Montagelinie für große Strukturen und der Tod auf Raten“, sagt Möller.

Der Airbus-Chef will sich mit dem Umbau unter anderem für die Entwicklung völlig neuer Flugzeuge rüsten. Quelle: Reuters
Airbus CEO Guillaume Faury

Der Airbus-Chef will sich mit dem Umbau unter anderem für die Entwicklung völlig neuer Flugzeuge rüsten.

(Foto: Reuters)

Im Wahlkreis der Sozialdemokratin liegt auch der Fliegerhorst Wittmundhafen, der die Alarmrotte (Quick Reaction Alert) für den Norden der Republik stellt. Möller formuliert einen harten Vorwurf: „Für militärische Beschaffungen wie Eurodrohne oder Eurofighter wurden allein in diesem Jahr knapp zehn Milliarden Euro an Steuermitteln zur Verfügung gestellt. Das Geld nimmt Airbus gern, der Konzern sagt aber nicht, wie er die Standorte erhalten will.“

Möller, Sprecherin des konservativen Seeheimer Kreises der SPD, sieht „die Gefahr, dass wir beim neuen Kampfflugzeugsystem FCAS noch mehr Geld geben, ohne genug Rückläufe an Technologie und Arbeitsplätzen zu haben“. Es gelte aber, „Wertschöpfung in Deutschland zu sichern“. In der Tat soll der Bundestag noch vor Ende der Legislaturperiode die nächste Finanzierungsrunde für FCAS beschließen, bei der es um einen Betrag von über einer Milliarde Euro geht.

Wieso der Konzern ausgerechnet vor einem wichtigen Votum des Bundestags die Politik gegen sich aufbringt, fragen sich viele. Airbus verweist darauf, dass die Lieferkette aktuell nicht voll ausgelastet sei, das ermögliche einen Umbau der Strukturen. In der zweiten Jahreshälfte würden die Produktionsraten wieder hochgefahren, „dann schließt sich das Zeitfenster“, sagt ein Sprecher. Walter betont: „Wir sehen das Unternehmen für Komponenten als etwas Positives.“

Doch noch aus anderen Gründen irritiert der Zeitpunkt des Umbaus. In den nächsten Wochen wird Mike Schöllhorn, der wichtigste Mann für Produktion und Lieferketten, seinen Posten aufgeben und Chef von Airbus Defence and Space werden. Dirk Hoke, der für Airbus die gesamten Verhandlungen über FCAS geführt hat, verlässt das Unternehmen – und nimmt sein Wissen mit. Die Frage drängt sich auf, ob das wirklich der beste Moment für den „größten industriellen Umbau der vergangenen Jahre“ ist.

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