Martina Merz Die erste Frau an der Spitze Thyssen-Krupps muss den Konzern in Rekordzeit sanieren

Neue Thyssen-Krupp-Chefin auf Zeit.
Düsseldorf Um ein Haar hätte Martina Merz deutsche Wirtschaftsgeschichte geschrieben. Denn als neue Chefin von Thyssen-Krupp wäre sie fast die erste Frau an der Spitze eines Dax-Unternehmens geworden – aber eben nur fast. Denn der Abstieg des Ruhrkonzerns aus der ersten Börsenliga kam der Managerin wenige Tage zuvor.
Stattdessen führt die 56-Jährige mit dem braunen Kurzhaarschnitt nun einen MDax-Konzern. Das macht sie immer noch zu einer Ausnahmeerscheinung – und die Aufgaben, die vor ihr liegen, kaum weniger herausfordernd. Denn der Managerin muss gelingen, was ihren Vorgängern versagt blieb: den schlingernden Industrieriesen mit seinen 160.000 Mitarbeitern in Rekordzeit zu sanieren.
Als Chefkontrolleurin von Thyssen-Krupp wurde die studierte Ingenieurin am Dienstag nach dem Rauswurf von CEO Guido Kerkhoff für zwölf Monate auf den Posten der Vorstandsvorsitzenden entsendet. Ihre oberste Priorität dürfte nun beim geplanten Verkauf der Aufzugsparte liegen, der Geld in die klamme Kasse des Ruhrkonzerns spülen soll.
Gleichzeitig muss Merz die übrigen Geschäfte restrukturieren. Denn drei der sechs Sparten des Konzerns schreiben derzeit rote Zahlen. Trübt sich das wirtschaftliche Umfeld weiter ein, droht die ohnehin schon hauchdünne Kapitaldecke weiter abzuschmelzen. Merz will das Unternehmen deshalb schlanker aufstellen.
Schon ihr Vorgänger Kerkhoff hatte dafür einen Plan ausgearbeitet, den die neue Chefin nun offenbar fortsetzen will. So heißt es in einem Brief, den das neue Führungsteam am Montag an die Belegschaft versandt hat: „Wir werden gemeinsam den mit der strategischen Neuausrichtung eingeschlagenen Weg fortsetzen.“
Wir erwarten, dass die neue Führung den Transformationsprozess beschleunigen wird. Lars Förberg (Gründer von Cevian)
Das bedeutet: weniger Verwaltungskosten und ein größerer Fokus auf Profitabilität. Damit dürfte auch die Schonfrist für Geschäftsfelder, die schon lange schlecht laufen, endgültig vorbei sein. Betroffen sind hiervon vor allem die Bereiche Grobblech (Stahl), der Bau von Produktionsanlagen für die Automobilindustrie (Anlagenbau) sowie die Herstellung von Federn und Stabilisatoren, die zum Komponentengeschäft der Essener zählt.
Auch wenn Merz damit keinen revolutionären Ansatz verfolgt, so hat sie doch einen entscheidenden Vorteil gegenüber ihrem Vorgänger: Sie genießt das Vertrauen wichtiger Aktionäre und Aufsichtsräte. Auch die Arbeitnehmervertreter unter den Kontrolleuren tragen ihre Ernennung mit. Ohne ihre Unterstützung wäre es schwierig, strategische Entscheidungen praktisch umzusetzen.
Sie muss Stellen abbauen
Vor allem wird die neue Chefin wohl in einem größeren Umfang Stellen streichen müssen. Im Mittelbau von Thyssen-Krupp dürfte es schon bald spürbar enger werden, wenn der Umbau des Konglomerats zu einer Holding voranschreitet. Die Senkung der Verwaltungskosten zählt seit Jahren zu den größten Baustellen des Ruhrkonzerns.
Frühere Manager haben hier Vorarbeit geleistet: Seit 2015 sanken die Ausgaben der Zentrale von 650 Millionen Euro auf zuletzt 470 Millionen Euro. Im laufenden Geschäftsjahr sollen sie die 300-Millionen-Euro-Marke unterschreiten. Der schwedische Investmentfonds Cevian hat darüber hinaus einen „klar definierten Maßnahmenplan“ von Merz gefordert. „Wir erwarten, dass die neue Führung den so dringend benötigten Transformationsprozess beschleunigen und die Qualität der Umsetzung maßgeblich verbessern wird“, schrieb Cevian-Gründer Lars Förberg der frisch ernannten Chefin ins Stammbuch.
Dabei dürfte Merz ihre langjährige Erfahrung bei Automobilzulieferern zugutekommen. Vor ihrer Berufung bei Thyssen-Krupp arbeitete sie unter anderem bei den Zulieferern Brose und Bosch – in beiden Fällen mussten die Unternehmen während ihrer Amtszeit harte Sanierungen durchlaufen.
„Schwache Führungskräfte scheuen sich, kritische Themen anzusprechen“, hat Merz einmal in einem Interview gesagt. Ob sie von der anderen Sorte ist? Das wird sie nun beweisen müssen.
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