Maschinenbau Trumpf: Abhängigkeit des Laserspezialisten von China steigt

CTO Peter Leibinger und Nicola Leibinger-Kammüller, Vorsitzende der Geschäftsführung, wollen mit dem Maschinenbauer massiv investieren.
Stuttgart Selbst für alteingesessene Familienunternehmen wie den Maschinenbauer Trumpf aus Ditzingen nahe Stuttgart wächst die Abhängigkeit vom chinesischen Markt massiv. In China stieg der Umsatz des Mittelständlers im abgelaufenen Geschäftsjahr (30. Juni) nach einem coronabedingt schwachen Vorjahr um über die Hälfte auf 525 Millionen Euro, während die Erlöse in Deutschland um gut fünf Prozent auf 612 Millionen Euro nachgaben.
„Da sind nur noch 50 Millionen Euro Unterschied zu unserem größten Markt Deutschland“, sagte Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller am Dienstag bei der Präsentation der Bilanz.
Sorgen bereiten der Chefin des Familienunternehmens der zunehmende Handelskonflikt zwischen den USA und China. „Rückzug ist keine Option, wir müssen uns arrangieren“, sagte Leibinger-Kammüller. Schließlich sichere das Geschäft in Asien den hohen Anteil der Beschäftigung in Deutschland. Die Hälfte der knapp 15.000 Trumpf-Beschäftigten sind im Heimatmarkt beschäftigt.
Hoffnungen setzt die Chefin des Familienunternehmens Trumpf in die kommende Ampelkoalition im Bund. „Jetzt kommt es darauf an, dass Digitalisierung und Entbürokratisierung auch beherzt umgesetzt werden.“
Augenmaß wünscht sich die Unternehmerin bei der Transformation und Dekarbonisierung der Wirtschaft. „Es darf nicht alles auf dem Rücken der Unternehmen und der Beschäftigten ausgetragen werden“, sagte Leibinger-Kammüller. Ein besonderes Auge dürfte sie auf die künftige Außenpolitik und das Verhältnis zu China haben.
Politisch entwickele China sich nicht in die richtige Richtung. Das sei eine gewaltige Herausforderung. „Es wird täglich schwieriger. Es kommen immer neue Vorschriften und Einschränkungen hinzu“, bestätigt der verantwortliche Trumpf-Geschäftsführer Stephan Mayer. „Wir versuchen, vor Ort als chinesisches Unternehmen wahrgenommen zu werden, und setzen so viel wie möglich auf Zulieferer vor Ort.“
Hohe Nachfrage nach EUV-Laser
Mit der Strategie „local for local“ und einem chinesischen Management versuche Trumpf, die größten Hindernisse zu umgehen. „Unsere Werte wie Gleichbehandlung der Mitarbeiter geben wir aber nicht auf“, versicherte Leibinger-Kammüller. Die chinesische Tochter halte sich an Compliance-Regeln, auch wenn dadurch Geschäft verloren gehe.
Mit seiner hohen Präsenz in China konnte der deutsche Mittelständler auch überproportional vom dortigen Aufschwung profitieren. Unterm Strich stieg der Umsatz um 0,5 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis legte nach Unternehmensangaben dank straffen Kostenmanagements um knapp ein Fünftel auf 370 Millionen Euro zu.
Stütze waren das Elektronikgeschäft und die EUV-Laser. Mit ihnen beliefert Trumpf den Maschinenbauer ASML. Der Monopolist stellt Belichtungsmaschinen für Halbleiter her – und erlebt derzeit einen Aufschwung.
Ohne die Technologie von Trumpf und ASML könnten Chipgiganten wie TSMC, Intel oder Samsung die neueste Chipgeneration mit Strukturgrößen von fünf Nanometern nicht herstellen. Dass der Umsatz im Segment trotzdem um fünf Prozent auf 437 Millionen Euro gesunken ist, begründete CTO Peter Leibinger mit der Strategieumstellung bei einem großen Kunden.
Intel hatte sich nach einem Chefwechsel ebenfalls für EUV entschieden und neue Maschinen statt der Vorgängermodelle geordert. Wegen der Lieferzeiten für EUV verschiebe sich der Umsatz nun auf spätere Quartale. „Den Boom bei EUV werden wir im laufenden Jahr auch wieder in den Zahlen sehen“, sagte Leibinger.
Rekord beim Auftragseingang
Der Auftragseingang des Unternehmens zeigt, was Leibinger meint: Allein im abgelaufenen Quartal ist er um 20 Prozent auf 3,9 Milliarden Euro angewachsen. Allerdings mahnt die vorsichtige Schwäbin an der Unternehmensspitze, diesen Wert nicht dem möglichen Umsatz gleichzusetzen: „Es besteht große Unsicherheit, wie sich die Engpässe in den globalen Lieferketten bei Chips, die Inflation, die steigenden Energiepreise und ihr Effekt auf die Transportkosten und -kapazitäten auf unser Geschäft auswirken werden.“
Im günstigsten Fall rechnet Leibinger-Kammüller mit einem Umsatzzuwachs im zweistelligen Prozentbereich und mit einer gleichbleibenden Ebit-Rendite von 10,5 Prozent.
In der Coronakrise hatte auch Trumpf die Investitionen um ein Viertel auf 154 Millionen Euro gekürzt, um die Kasse zu entlasten. Aber an den Ausgaben für Forschung und Entwicklung haben die Schwaben nicht gespart. Mit sogar leicht gestiegenen 382 Millionen Euro erreicht der Mittelständler eine Rekordquote von 10,9 Prozent vom Umsatz.
Das Unternehmen ist für seine Langfriststrategien bekannt. An den Hochleistungslasern EUV für die Halbleiterindustrie hatte das Unternehmen über 15 Jahre entwickelt und dreistellige Millionenbeträge ausgegeben.
Auch die grünen Laser für hochpräzise Schweißarbeiten in der Batteriezellenproduktion wurden lange entwickelt. Die nächste große Hoffnung bei Trumpf ist die Photonik, die Datenübertragung mit Licht ermöglicht. Erste Quantensensoren, die für eine Revolution in der industriellen Messtechnik sorgen, werden bereits mit dem Partner Sick entwickelt.
Ein weiteres Projekt sind Quantenchips. Peter Leibinger investiert hier nach eigenen Angaben einen zweistelligen Millionenbetrag. Als Familienunternehmen, das nicht von der Börse abhängig sei, habe man einen langen Atem, betont CTO Leibinger.
Trumpf sei mit der Laser- und Halbleitertechnologie in Zukunftsbereichen tätig und setze auf Kooperation. Das Unternehmen investiert derzeit unter anderem mit dem Optikspezialisten Zeiss und dem Sensorhersteller Sick in Plattformtechnologien. In der Unternehmensführung herrsche Einigkeit, diesen Weg zu gehen. „Wir sind uns einig, das Geld dafür auszugeben“, bestätigte seine Schwester Nicola Leibinger-Kammüller.
Auch bei der Mitarbeiterführung sieht sich Trumpf in einer Vorreiterrolle. Geschäftsleitung und Betriebsrat haben sich mit ihren über 5000 Beschäftigten zum 1. Januar 2022 auf ein neues Bündnis für Arbeit für die Standorte Ditzingen, Gerlingen und Hettingen verständigt. Unter anderem wird damit das mobile Arbeiten neu geregelt.
Waren in der Vor-Corona-Zeit bisher 20 Prozent der Arbeitszeit als mobiles Arbeiten möglich, werden Abteilungen und Teams künftig eine deutlich größere Flexibilität erhalten. Trumpf will damit den Weg von einer „Anwesenheitskultur zu einer Ergebniskultur“ gehen. Genaue Prozent- oder Stundenvorgaben durch das Unternehmen wird es nicht mehr geben.
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