Medikamentenversender Ehrgeizige Pläne: So will Shop Apotheke den Umsatz in weniger als fünf Jahren verdoppeln

Die börsennotierte Online-Apothekengruppe mit Hauptsitz im niederländischen Venlo hat ehrgeizige Wachstumspläne.
Frankfurt Kurz vor Weihnachten sackte die Aktie von Shop Apotheke Europe richtig ab: Die Ankündigung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), die für Anfang 2022 geplante Einführung des elektronischen Rezepts auf unbestimmte Zeit zu verschieben, ließ die Titel des niederländischen Medikamentenversenders um fast 13 Prozent sinken. Auch der größere Schweizer Wettbewerber Zur Rose, zu dem die Versandapotheke Doc Morris gehört, büßte an der Börse kräftig ein.
Für die Online-Apotheken gilt die Einführung des elektronischen Rezepts als Wachstumsbeschleuniger. Doch die verschiebt sich jetzt, weil die erforderlichen technischen Systeme noch nicht flächendeckend zur Verfügung stehen.
Stefan Feltens, CEO von Shop Apotheke, zeigt sich im Gespräch mit dem Handelsblatt dennoch gelassen: „In seinen ersten Äußerungen zum E-Rezept hat das BMG die Bedeutung des E-Rezepts für die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens unterstrichen. Das stimmt uns zuversichtlich“, sagt er. Man sei ohnehin von einem graduellen Zuwachs von E-Rezepten in den ersten Monaten 2022 ausgegangen und habe erst ab Jahresmitte 2022 einen deutlichen Anstieg erwartet, so Feltens.
Das E-Rezept wird kommen, nur eben später, so die Erwartung der Branche: An den ambitionierten Wachstumsplänen von Shop Apotheke ändert die Verschiebung grundsätzlich nichts.
Nachdem das 2001 gegründete Unternehmen 20 Jahre gebraucht hat, um die Umsatzmarke von einer Milliarde Euro zu erreichen, soll es nach den Plänen von Feltens bis zur nächsten Umsatzmilliarde „keine fünf Jahre dauern“. Genaue Prognosen für das Jahr 2022 stehen noch aus, aber schon jetzt verspricht der CEO: „Wir werden nächstes Jahr wieder auf den üblichen Wachstumspfad zurückkehren.“
Pandemie als Wachstumstreiber
Der „übliche Wachstumspfad“, das waren in den vergangenen Jahren satte zweistellige Zuwachsraten pro Jahr: Seit dem Jahr des Börsengangs 2016 hat Shop Apotheke den Umsatz von damals 177 Millionen Euro auf mehr als eine Milliarde Euro im Jahr 2021 versechsfacht, wie das Unternehmen Mitte Dezember meldete.
Zukäufe im In- und Ausland und der Trend vom stationären hin zum Onlinehandel speisten den Erfolg; auch die Coronapandemie lieferte einen wesentlichen Beitrag: Hatte das Unternehmen Ende 2019 rund 4,7 Millionen aktive Kunden, waren es per Ende September 2021 bereits 7,3 Millionen.
„Der Pandemieeffekt war vor allem 2020 erheblich. Die Pandemie hat den Wandel von der stationären zur Online-Apotheke stark beschleunigt“, sagt Feltens. Er sei aber davon überzeugt, dass das Unternehmen einen Großteil der Kundinnen und Kunden, die man in der Pandemie gewonnen habe, sowieso gewonnen hätte.
Trotz dieses positiven Trends lief es 2021 für Shop Apotheke nicht so gut wie noch zu Jahresbeginn geplant: Zum einen konnte das Unternehmen für das neue Logistikzentrum im niederländischen Sevenum bei Venlo über viele Wochen nicht genug Mitarbeiter gewinnen, um die Bestellungen der Kunden zu bearbeiten.
Zum anderen hatte die EU-Kommission das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen des Verbots von Boni auf Rezepte eingestellt. Damit dürfen die ausländischen Versandapotheken ihren zumeist deutschen Kunden keinen Bonus auf verschreibungspflichtige Arzneimittel mehr geben. Das führte bei Shop Apotheke bei den rezeptpflichtigen Medikamenten in den ersten neun Monaten zu einem Umsatzeinbruch von knapp 31 Prozent auf rund 110 Millionen Euro.
Wegen dieser beiden Effekte wird das Umsatzwachstum 2021 mit erwarteten zehn Prozent deutlich geringer ausfallen als in den Vorjahren.
So sehen die Expansionspläne aus
Mit einer Reihe von strategischen Schritten will Feltens die Expansion des Unternehmens nun weiter vorantreiben. Zum einen wird wie auch bei Wettbewerber Doc Morris der sogenannte „Same Day Delivery“-Service ausgebaut – die Auslieferung der Medikamente am Tag ihrer Bestellung. „Wir sind aktuell mit diesem Service in 13 deutschen Metropolregionen präsent und wollen das Angebot im nächsten Jahr weiter stärken“, sagt Feltens. Shop Apotheke arbeitet dabei pro Region mit einer begrenzten Anzahl von Apotheken zusammen.
Darüber hinaus will das Unternehmen weitere Services für chronisch erkrankte Patienten anbieten, die für das Gros der Bestellungen bei verschreibungspflichtigen Medikamenten stehen. Anfang 2021 hat Shop Apotheke das Münchener Start-up Smart Patient gekauft, das unter anderem ein digitales Medikationsmanagement anbietet.
Außerdem hat Shop Apotheke Mitte Dezember einen Online-Marktplatz gestartet, auf dem Drittanbieter Produkte rund um die Gesundheit anbieten können. Das Modell soll auch in anderen europäischen Märkten angeboten werden, in denen Shop Apotheke aktiv ist.
Schnelles Wachstum im Ausland
Diese ausländischen Märkte spielen auch eine wichtige Rolle für das Wachstum: Shop Apotheke ist außerhalb von Deutschland in sechs weiteren Märkten aktiv, die laut Feltens sehr schnell wachsen. „In vielen Ländern ist der Online-Medikamenteneinkauf noch nicht so weit verbreitet, was sich aber zunehmend ändert. Allein dadurch wird unser Geschäft zulegen. Und wir haben natürlich den Anspruch, nicht nur mit dem Markt zu wachsen, sondern schneller als der Markt“, sagt der CEO.
Auch Zukäufe kann sich Feltens weiterhin vorstellen: Dabei gibt es drei Arten von Transaktionen, die interessant sein könnten: ein deutscher Wettbewerber, der zu einem attraktiven Preis zu haben ist, eine kleine oder mittelgroße Firma, mit der die Präsenz in einem ausländischen Markt ausgebaut werden kann, und drittens vor allem digitale Champions, die Fähigkeiten haben, die das Geschäft voranbringen.
Und schließlich dürfte dann eines Tages doch noch das E-Rezept kommen, von dem Beratungsunternehmen wie Dr. Kaschke und Partner erwarten, dass es den Anteil der Online-Versender am zuletzt rund 40 Milliarden Euro schweren Markt für verschreibungspflichtige Medikamente von derzeit unter einem auf dann zehn Prozent wachsen lassen wird.
Wegen der Investitionen in die verschiedenen Wachstumsaktivitäten bleibt der Gewinn bei Shop Apotheke aber weiterhin aus. 2021 rechnet das Unternehmen mit einem negativen Ebitda von etwa minus zehn Millionen Euro. Eine Prognose für 2022 gibt es noch nicht: Im neuen Jahr stünden Wachstum und Marktanteilsgewinnung im Fokus. „Dabei werden wir aber unser Ergebnis sicherlich nicht aus den Augen verlieren“, heißt es vom Unternehmen. Langfristig, so plant Shop Apotheke, soll ein operatives Ergebnis von sechs Prozent und mehr erreicht werden.
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