Merck beerdigt Krebsmittel Pharmariese scheitert mit „Hochrisiko-Projekt“

Der Pharmakonzern muss einen Flop verdauen.
Frankfurt Der Darmstädter Chemie- und Pharmakonzern muss einen weiteren Rückschlag in seiner Pharmaforschung verkraften: Sein potenzielles Krebsmittel Evofosfamide zeigte in klinischen Studien enttäuschende Ergebnisse in der Behandlung von Weichteil- und Bauchspeicheldrüsenkrebs und soll daher in diesem Bereich nicht weiter verfolgt werden. Die für Evofosfamide vorgesehenen Mittel werde man nun in andere Entwicklungsprogramme und Arzneimittelkandidaten investieren, darunter das Krebsimmun-Medikament Avelumab, teilte Merck am Montag mit.
Evosfamide war bisher das am weitesten vorangeschrittene Projekt der Merck-Pharmasparte. Merck hatte gehofft, das Produkt 2016 zur Zulassung einzureichen. Der Wirkstoff wird außerdem noch gegen Haut- und Lungenkrebs getestet, befindet sich dort aber noch in einer früheren Phase der klinischen Studien.
Der Flop bestätigt einmal mehr die Schwäche des Darmstädter Konzerns in der Pharmaforschung. Merck hat schon seit den 90er Jahren kein neues Arzneimittel aus eigener Forschung mehr auf den Markt gebracht und ist in den zurückliegenden Jahren auch mit einlizenzierten Produkten immer wieder gescheitert. Für das potenzielle Multiple-Sklerose-Medikament Cladribin, das vor fünf Jahren in der Zulassung durchfiel, will Merck 2016 allerdings einen neuen Anlauf nehmen und das Produkt auf Basis neuer Daten erneut einreichen.
Den Wirkstoff Evofosfamide hatte Merck Anfang 2012 vom amerikanischen Biotechunternehmen Threshold Pharmaceuticals einlizenziert. Das Projekt wurde damit schon unter der Ägide des damals neu engagierten Pharmachefs und künftigen Merck-Chefs Stefan Oschmann gestartet.
Merck hatte nach dem Ausfall von Cladribin einen umfassenden Umbau seiner Pharmasparte gestartet und in diesem Zuge sowohl das Forschungsprogramm als auch das Management weitgehend ausgetauscht. Seine Pipeline betrachtet das Unternehmen inzwischen als weitaus solider und aussichtsreicher. Noch vor wenigen Wochen bekräftigte der scheidende Firmenchef Karl-Ludwig Kley seine Zuversicht, dass die Zeit der Pharma-Misserfolge bei Merck bald vorbei sei.
Allerdings hatte er dabei wohl weniger Evosfamide im Auge sondern eher das potenzielle Krebsmittel Avelumab, das Merck in Kooperation mit dem US-Pharmariesen Pfizer entwickelt. Avelumab ist ein Krebsimmunwirkstoff, mit dessen Hilfe man hofft, die Immunabwehr gegen Krebszellen zu aktivieren. Das Konzept sorgt derzeit für erhebliche Furore. Auch Merck macht sich entsprechend große Hoffnungen für den Wirkstoff, der sich in einer abschließenden Testphase gegen Lungenkrebs befindet und darüber hinaus gegen eine Reihe anderer Krebsarten getestet wird. Pfizer zahlt für die Beteiligung an dem Merck-Projekt bis zu 2,8 Milliarden Dollar.
Evosfamide dagegen hatte Kley zuletzt bereits als „Hochrisiko-Projekt“ bezeichnet. Auch Analysten und Investoren hatten für das Projekt offenbar nicht allzu große Hoffnung. Die Aktie des Entwicklungspartners Threshold dümpelt schon seit mehr als einem Jahr bei Kursen um die vier Dollar und war in den letzten Wochen verstärkt unter Druck geraten. Die Merck-Aktie gab in Reaktion auf den Evosfamide-Flop am Montagmorgen um gut drei Prozent nach.
Für Merck wäre ein Entwicklungserfolg in der Pharmasparte sehr wichtig, um diesen wichtigen, rund 6,5 Milliarden Euro Umsatz starken Teilbereich des Konzerns mittelfristig wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Die derzeitigen Spitzenprodukte, das Multiple-Sklerose-Mittel Rebif und das Krebsmittel Erbitux geraten zunehmend unter Konkurrenzdruck.
Insgesamt hat der Darmstädter Konzern allerdings seine Abhängigkeit vom Pharmageschäft in den letzten Jahren durch große Zukäufe im Chemie- und Lifescience-Bereich stark gemindert. Insbesondere durch die vor kurzem vollzogene Übernahme des amerikanischen Laborreagenzienherstellers Sigma-Aldrich verstärkt Merck seine Position als Zulieferer im Biotechbereich. Der Umsatzanteil des Gesundheitsgeschäfts dürfte dadurch erstmals wieder auf unter 50 Prozent sinken, während die Lifescience-Sparte einschließlich Sigma künftig wohl etwas mehr als ein Drittel zum Konzernumsatz beisteuern wird.