Michael Heinz „Wir werden dreifach profitieren“: BASF-Vorstand erwartet Schub durch US-Konjunkturpaket

Der deutsche Chemiekonzern profitiert aktuell vom großen Nachholbedarf der US-Wirtschaft.
New York, Düsseldorf Die USA werden für die deutsche Chemieindustrie nach dem chinesischen Markt zum stärksten Geschäftstreiber in den kommenden Jahren. Schon im ersten Halbjahr 2021 ist die Nachfrage nach Chemikalien und Kunststoffen in dem Land rasant gestiegen. Doch der größte Schub steht erst noch bevor, wenn das Konjunkturpaket der US-Regierung greift.
Davon gehen führende Anbieter wie BASF aus. Der Ludwigshafener Chemiekonzern will von massiven Staatsinvestitionen in die amerikanische Infrastruktur gleich dreifach profitieren, wie Vorstandsmitglied Michael Heinz im Interview mit dem Handelsblatt sagt: „Weil wir die Infrastruktur hier nutzen, weil es die Wirtschaft insgesamt und damit auch den Konsum ankurbelt und weil wir als Zulieferer dabei sind.“
Der US-Senat hat vor knapp zwei Wochen einem Infrastrukturpaket in Höhe von einer Billion Dollar zugestimmt. Das Geld soll in den Bau von Straßen und Brücken und schnellen Internetverbindungen fließen, aber auch in den Ausbau von E-Mobilität und sauberer Energie.
Vor allem vom Ausbau der grünen Technologien werde BASF profitieren, erwartet Heinz, der seit Juni im BASF-Vorstand das Nordamerikageschäft verantwortet und die US-Tochter leitet. Der Ludwigshafener Konzern stellt unter anderem Komponenten für Windräder, E-Motoren und Steckverbindungen her.
Die Wucht der wiedererstarkten Nachfrage in den USA hat BASF bereits in den zurückliegenden Monaten seit dem Ende der Lockdowns zu spüren bekommen. Im zweiten Quartal setzte der Konzern in Nordamerika 5,7 Milliarden Euro um, ein Wachstum von 62 Prozent. Das entspricht 29 Prozent des Gesamtumsatzes.
Rekordumsatz in diesem Jahr erwartet
Wie die deutsche Chemieindustrie insgesamt hat BASF von der aufgestauten Nachfrage der verarbeitenden Industrie profitiert. Zunächst stärkte ein gutes Chinageschäft im zweiten Halbjahr 2020 die Branche, seit Beginn 2021 kommt die wiedererstarkte US-Wirtschaft hinzu.
Das führte zu dem aktuell beispiellosen Boom in der gesamten Chemie. Die deutschen Hersteller erwarten für dieses Jahr ein Wachstum von elf Prozent auf einen Rekordumsatz von 211 Milliarden Euro. Rund 20 Prozent des Volumens an deutschen Chemie- und Pharmaprodukten dürften auf den US-Markt entfallen.

Der Manager verantwortet seit Juni 2021 das Nordamerikageschäft des Ludwigshafener Chemiekonzerns.
Heinz sieht in den USA einen „homogenen Wirtschaftsraum, der seine Stärke auf absehbare Zeit beibehalten wird“. Davon gehen auch andere Chemiefirmen aus. Der Kunststoffhersteller Covestro rechnet mit einem „deutlicheren Anstieg des erwarteten Wirtschaftswachstums“ in dem Land und führt dies auf die Erhöhung des gesamten US-Konjunkturpakets auf 1,9 Billionen Dollar zurück.
Covestro macht im ersten Halbjahr 1,2 Milliarden Euro Umsatz in den USA, gut 20 Prozent des Konzernumsatzes. Der Konzern hat es ebenso wie die Kölner Lanxess AG auf die Stärkung der grünen Technologien in den USA abgesehen, also Kunststoffe für erneuerbare Energien, Klimaschutz sowie den Bau von leichten E-Fahrzeugen.
Für die deutschen Hersteller ist das Land auch das Ziel der Wahl, wenn sie sich durch Übernahmen mit neuen Technologien verstärken. Rund zehn Milliarden Euro haben sie nach Berechnung des Handelsblatts in den vergangenen fünf Jahren in Zukäufe auf dem US-Markt gesteckt.
So erwarb die Essener Firma Evonik das gesamte Spezialchemieportfolio des US-Gaseherstellers Air Products und das Silica-Geschäft von JM Huber. Lanxess kaufte 2017 den Flammschutzspezialisten Chemtura für 2,4 Milliarden Euro und legte Anfang 2021 mit dem Kauf von Emerald Kamala nach, einem US-Spezialisten für Aromachemikalien und Konservierungsmittel.
Einreiseverbot für Europäer wirkt als Bremse für Chemieunternehmen
BASF hielt sich nach der Übernahme des US-Unternehmens Chemetall im Jahr 2016 und der Verstärkung der Agrarchemie durch Teile des Bayer-Portfolios mit Zukäufen in den USA zurück. Aktuell setzt der Konzern insgesamt eher auf Wachstum aus eigener Kraft durch den Ausbau der großen Standorte, auch in den USA.
„Wenn sich die Lage weiterhin so positiv entwickelt und die Rahmenbedingungen stimmen, dann erwägen wir weitere Investitionen“, sagt Heinz. Mehrere Projekte seien derzeit im Gespräch. BASF betreibt in Nordamerika mehr als 100 Produktions- und Entwicklungsstätten, dazu kommen zwei große Verbundstandorte im Süden des Landes.
Zu den Rahmenbedingungen gehört aus Sicht des BASF-Managers auch eine neue Konstanz in der amerikanischen Politik. „Wir begrüßen den neuen Klimakurs der Regierung. Mit der Rückkehr zum Pariser Klimaabkommen ist ein Stück Verlässlichkeit zurückgekommen“, sagt er. Diese erhofft er sich auch bei Unternehmensteuern und Abschreibungen.
Einen großen Wunsch an die Regierung in Washington hat Heinz: „dass sie die Einreise für unsere ausländischen Mitarbeiter erleichtert und das Einreiseverbot für Europäer abschafft“. Da spielten sich zum Teil persönliche Tragödien ab, etwa dass Mitarbeiter ihre kranken Verwandten in Deutschland nicht besuchen oder bei der Abschlussfeier ihrer Kinder nicht dabei sein können.
„Auch für das Unternehmen ist das nicht gut“, klagt Heinz. Mit Videokonferenzen könne man nicht den persönlichen Kontakt und die Kreativität in persönlichen Treffen ersetzen. „Als ehemaliger Leistungssportler einer Mannschaftssportart weiß ich, dass Sie mit Einzeltraining nie den gleichen Erfolg haben werden wie mit dem Training in der Gruppe“, sagt der Wasserballer.
Der Travel-Ban wirkt auch bei anderen Chemieunternehmen als Bremse. So will Lanxess in El Dorado im US-Bundesstaat Arkansas im großen Stil aus Sole batteriefähiges Lithium für die Elektromobilität gewinnen. Die Kölner arbeiten dort mit dem kanadischen Partner Standard Lithium zusammen. Die Weiterentwicklung des Pilotbetriebs wird aber immer wieder dadurch erschwert, dass Ingenieure nicht in die USA reisen können.
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