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Mifa-Eigner Heinrich von Nathusius Der glücklose Retter

Als erfahrener Sanierer kam Heinrich von Nathusius zum insolventen ostdeutschen Fahrradbauer Mifa. Aber diesmal hat sich der frühere Stahlmanager übernommen. Dabei wollte er mit der Firma buchstäblich das Rad neu erfinden.
05.01.2017 - 18:21 Uhr Kommentieren
Zu viel gewollt. Quelle: Franz Bischof
Mifa-Eigner Heinrich von Nathusius

Zu viel gewollt.

(Foto: Franz Bischof)

Düsseldorf Zum 50. Geburtstag bekam Heinrich von Nathusius von Freunden ein Fahrrad geschenkt. Das trug die Aufschrift „Aufbruch Ost“. Schließlich hatte der Stahlmanager aus dem Westen gerade das marode Gelenkwellenwerk Ifa in Haldensleben in der Nähe von Magdeburg von der Treuhand gekauft.

Das Fahrrad war ein Wink des Schicksals für ihn, wie sich 20 Jahre später zeigen sollte. 2015 kaufte Nathusius mit seiner Familie den insolventen Fahrradbauer Mifa in Sangerhausen im Südharz. Doch sein Versuch, die ostdeutsche Traditionsmarke zu retten, ist gescheitert. Nathusius übergab die Geschäfte einem Sanierer. Der beantragte diese Woche Insolvenz in Eigenverwaltung.

Zum Ost-Sanierer wurde der Westdeutsche Nathusius rein zufällig. Der Landrat der Magdeburger Börde hatte Heinrich von Nathusius nach der Wende überredet, beim Aufbau der Heimat seiner Vorfahren zu helfen. Johann Gottlob von Nathusius war im 19. Jahrhundert ein umtriebiger Unternehmer. Er führte einen regelrechten Konzern mit 4 000 Beschäftigten in 30 Branchen, druckte sogar eigenes Geld.

Mit viel Geschick und staatlichen Fördergeldern gelang es Stahlmanager Nathusius, den einstigen Industrieverband Fahrzeug (Ifa) zu sanieren. Obwohl völlig branchenfremd, baute Nathusius den maroden Gelenkwellenhersteller mit 80 Beschäftigten zu einem erfolgreichen Autozulieferer auf mit mehr als 2.000 Mitarbeitern weltweit. „Ob man nun Stahl verkauft oder Kaugummi – die Industrie funktioniert überall nach den gleichen Grundsätzen.“ Derzeit schweigt er.

Nathusius zeigte Mut zum Risiko. Mitten in der Autokrise 2009 kaufte Ifa den westdeutschen Konkurrenten Rotorion. Heute hat Ifa Rotorion Werke in den USA, China und Polen und beliefert Daimler und VW. Der Umsatz des profitablen Familienunternehmens liegt bei mehr als einer halben Milliarde Euro. 2014 übergab der Vater die Geschäfte an Sohn Felix, inzwischen 42 Jahre alt.

Familie musste immer Geld zuschießen

Wie es der Zufall wollte, rutschte ein anderes traditionsreiches Ost-Unternehmen in die Insolvenz, als Nathusius sich gerade von der Ifa zurückzog: die Mitteldeutschen Fahrradwerke (Mifa). Banker und Politiker klopften bei ihm an, ob er helfen könne. Von seinem Erfolg als Ost-Sanierer beflügelt, zögerte er nicht lange. Die Nathusius Familiengesellschaft übernahm den Fahrradbauer. Mit über 70 wollte sich Nathusius noch einmal beweisen. Er wurde als Retter gefeiert.

Die Mifa, zu DDR-Zeiten ein Großproduzent, stellt seit 1907 in Sangerhausen Räder her. Nach der Wende und dem Börsengang 2004 stieg die Firma zu Deutschlands größtem Radbauer auf. Auch AWD-Gründer Carsten Maschmeyer war zwischenzeitlich investiert. Dann kam, wie aus heiterem Himmel, die Krise: 2014 schrieb Mifa hohe Millionenverluste. Der weltgrößte Fahrradbauer Hero Cycles aus Indien wollte einsteigen. Er sprang ab, als immer mehr Buchungsfehler zutage kamen. Im September stellte Mifa Insolvenzantrag. Ende Januar 2015 kaufte die Familie Nathusius Mifa. Das Land Sachsen-Anhalt übernahm eine Bürgschaft.

Nathusius hatte mit der Mifa-Bike-Gesellschaft Großes vor. Er wollte buchstäblich „das Rad neu erfinden“. „Ifa und Mifa wirken im selben Markt für Mobilität“, sagte er vor einem Jahr dem Handelsblatt. Er wollte die schlanke Just-in-time-Produktion der Autobranche auf den Fahrradbau übertragen. Seine Vision: das effizienteste Fahrradwerk Europas. Kunden sollen künftig ihr Rad am Computer konfigurieren und bestellen. Innerhalb einer Woche soll es im Harz gebaut werden. Dafür wollte Nathusius auch mehr Teile aus Europa und dem Inland beziehen statt aus Asien.

„Die Montage muss dringend produktiver werden“, klagte er vor einem Jahr. Deshalb ließ er für mehr als 17 Millionen Euro ein hochmodernes Werk bauen, das gerade erst in Betrieb ging. Das Land förderte den Bau mit 2,85 Millionen Euro. Doch mit der Investition scheint sich Nathusius übernommen zu haben. Die Familie mit Sohn Felix und den beiden Töchtern, die auch Gesellschafter bei Ifa sind, musste immer mehr Geld zuschießen. Das wurde der Familie nun zu viel. „Wir stecken kein weiteres Geld rein“, sagte Nathusius kürzlich der „Mitteldeutschen Zeitung“.

Allein die Familie soll nach Informationen des Handelsblatts rund 40 Millionen Euro investiert haben. Mit dem Geld der Gesellschafter sei Mifa für die kommenden drei Jahre finanziert, hatte Heinrich von Nathusius noch kürzlich der „Volksstimme“ versichert. Die Insolvenz kam deshalb überraschend. „Wir alle blickten frohen Mutes in die Zukunft“, sagte Michael Perner von der IG Metall.

Bittere Niederlage für den Sanierer

Für den erfolgsverwöhnten Sanierer Heinrich von Nathusius ist die Insolvenz eine bittere Niederlage. Lange habe er die desolate Lage nicht wahrhaben wollen, sagt ein Insider. Er hoffte, das Ruder herumreißen zu können. Als der Umsatz 2016 weit hinter den Erwartungen zurückblieb, spielten die Banken nicht mehr mit.

Die Insolvenz in Eigenverwaltung ist ein Schritt, Mifa zu entschulden – wenn denn die Gläubiger mitspielen. Allein die Investitionsbank Sachsen-Anhalt gewährte ein Darlehen von rund neun Millionen Euro. Die Bank ist zuversichtlich, dass Mifa saniert werden kann – schließlich geht es um 520 Arbeitsplätze in der strukturschwachen Region. Auch die IG Metall beurteilt die Chancen für eine Fortführung von Mifa positiv. „Das ist heute kein Vergleich zur ersten Insolvenz. Herr Nathusius hat viel bewegt“, so Perner.
Die erneute Insolvenz kratzt zwar am Image. Der neue Mifa-Chef Joachim Voigt-Salus sieht aber gute Chancen für eine Sanierung. Gläubiger, Lieferanten und Kunden hätten ihre Unterstützung zugesagt. Für das neue Geschäftsjahr hat die Firma Aufträge für 42 Millionen Euro in den Büchern, darunter Aufträge von Großkunden wie Peugeot. Den Deal hatte Nathusius persönlich eingefädelt. Jährlich rund 400 000 Fahrräder sollen im neuen Werk zunächst gebaut werden – für Fachhandel und Discounter. „Die Familie steht weiter zum Unternehmen“, betont Voigt-Salus. Sie habe bereits zugesagt, die Sanierung von Mifa mit frischem Kapital in Millionenhöhe zu unterstützen.

Heinrich von Nathusius hat zwar die Führung von Mifa aufgegeben, nicht aber seine Vision vom Fahrrad der Zukunft. Das Rad werde viel wichtiger – gerade in der Stadt. Nathusius schweben Räder mit elektronischer Knautschzone vor, die sich mit Autos vernetzen, um Unfälle zu vermeiden. Sein Credo: „Die Blütezeit des Fahrrads steht erst noch bevor.“ Noch besteht Hoffnung für die Mifa.

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