Milliardenprojekt Gigafactory Burn-Out bei Tesla

Die Kapazitäten sind von Unternehmensgründer Elon Musk großzügig ausgelegt. Analysten sind skeptisch.
New York Mitten in der Wüste liegt die weiße Fabrik. Auch innen glänzt alles: Hellgrauer Fußboden, weiße Säulen, Neonlichter an der Decke. Am heutigen Freitag eröffnet Tesla seine Gigafactory, eine Batteriefabrik in Nevada. Mit seinem typischen Humor siedelte sie Tesla-Chef Elon Musk in Sparks an, in der Nähe von der Stadt Reno. Übersetzt heißt der Gemeindename „Funke“, passend zur Zündung eines Autos.
Ganze fünf Milliarden Dollar kostet das Großprojekt. Partner Panasonic übernimmt davon 1,6 Milliarden Dollar. Bislang ging die riesige Wette auf: Die Batterien braucht der Elektroautohersteller vor allem für sein Model 3. Die Limousine zum Preis von 35.000 Dollar verkauft sich gut, sie soll Tesla den Durchbruch zum Massenhersteller ermöglichen.
Sparks ist nur eine der vielen Baustellen von Tesla. Das Unternehmen weitet seine Fabrik in Kalifornien massiv aus, um seine Autoproduktion in zwei Jahren auf eine halbe Million Stück zu steigern. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2016 waren es knapp 30.000. Gleichzeitig arbeitet das Unternehmen an einer Fabrik in China. Die Kosten von neun Milliarden Dollar teilt es sich mit der Jinqiao Group.

Der Tesla-Chef hat für die Gigafactory in Nevada große Pläne.
Tesla verbrennt so schnell Geld, dass man kaum hinschauen kann. Allein in den vergangenen sechs Quartalen verbrauchte Tesla drei Milliarden Dollar Cash. Für die Entwicklung der Luxuslimousine Model S, den Geländewagen Model X, den Aufbau von Ladestationen. Laut Musk braucht Tesla weitere „zig Milliarden Dollar“. Gleichzeitig würde man nur „moderate“ Kapitalerhöhungen benötigen. Finanziert werden sollen sie aus den Umsätzen mit dem Model 3, das 2018 20 Milliarden Dollar erlösen und einen „Bruttogewinn“ von fünf Milliarden Dollar machen soll.
Ist das möglich? Fans wie Analyst Adam Jonas von Morgan Stanley sagen Ja. Es gibt aber auch Skeptiker. Mehr als ein Drittel der frei handelbaren Aktien sind leerverkauft: Sie steigen im Wert, wenn der Kurs von Tesla fällt. Ein lautstarker Kritiker ist Mark Spiegel vom Hedgefonds Stanphyl Capital, der sich über die hohe Cash-burn-Rate von Tesla aufregt und auf die Elektro-Offensive von BMW, Daimler oder VW hinweist: „In 18 bis 36 Monaten werden die deutschen Hersteller Tesla zerstören.“
Laut Spiegel baut Musk reine Luftschlösser. Im Sommer 2014 versprach er beispielsweise, Tesla würde Ende 2015 100.000 Fahrzeuge herstellen. Tatsächlich gab es massive Produktionsprobleme beim Model X, beispielsweise mit der „Falkentür“, die wie ein Flügel zur Seite hochschwingt. Selbst 2016 wird Musk das Versprechen nicht einlösen können, laut eigener Prognose stellt Tesla rund 80.000 bis 90.000 Fahrzeuge her.
Es gibt viele Probleme. Mobileye, ein wichtiger Lieferant für autonome Fahrsysteme, kündigte nach dem Tod eines Tesla-Fahrers mit dem Autopiloten die Gefolgschaft. Auch laufen wichtige Förderungen in den USA für Elektroautos aus.
Die Aktionäre aber glauben an eine Weiterführung der Erfolgsgeschichte. Setzte Tesla 2010 nur knapp 117 Millionen Dollar um, so waren es 2015 mehr als vier Milliarden. Eine erstaunliche Leistung, die für die Qualität von Model S und Model X sprechen. Tesla schrieb aber auch immer höhere Verluste: 2010 waren es 154 Millionen Dollar, 2015 schon 889 Millionen.
Jedes Jahr holte sich Musk frisches Geld, zuletzt vor wenigen Wochen mit einer Kapitalerhöhung von 1,7 Milliarden Dollar. Das Ausmaß der Verwässerung zeigt die Bilanz: Gab es 2010 etwas mehr als 100 Millionen Aktien, so sind es heute 147 Millionen Stück.
Musk erscheint wie jemand, der den Ballon immer weiter aufpustet. Seine Lungen sind kräftig, aber mit jedem Atemzug steigt die Gefahr, dass der Ballon platzt. So verkündete der Tesla-Chef vor wenigen Tagen, elektrische Lastwagen oder Busse bauen zu wollen. Vor einigen Wochen sagte er bei der Verkündigung der Übernahme von Solar City, Tesla könne mit der von ihm mitbegründeten Solarfirma eine Billion Dollar Marktwert erreichen. Das würde eine 30-Fache Steigerung des Aktienkurses bedeuten.
Das Problem mit Solar City: Es ist wie Tesla ein „Bargeld-Verbrenner“. Laut Musk soll die Solarfirma in drei bis sechs Monaten einen positiven Cashflow vorweisen. Ein fast absurdes Versprechen: Immer mehr Bundesstaaten in den USA kappen die Subventionen für Solarenergie. US-Versorger wehren sich gegen die steigende Stromeinspeisung von Privatanbietern. Analysten wie etwa von Barclays sagen für Solar City einen negativen Cashflow 2016 von 1,8 Milliarden Dollar voraus. 2018 würden Tesla und Solar City zusammengenommen bis zu 3,4 Milliarden Dollar an Cash verbrennen.
Viele Analysten können auch der Logik der Übernahme nicht folgen. Tesla will die Solarfirma kaufen, um sauberen Strom für die Tesla-Autos und Fabriken zu liefern und den neuen Geschäftszweig der Energiespeicherung auszubauen. Wenn die Gigafactory 2020 fertiggestellt ist, können dort Batterien mit einer Leistung von 105 Gigawatt hergestellt werden. Genug Batterien für 1,2 Millionen Model S. Selbst mit starker Nachfrage nach dem Model 3: So viele Fahrzeuge werden nicht verkauft werden. Daher ist ein Drittel der Gigafactory-Produktion für Speicherlösungen wie für Haushalte vorgesehen.
Es drängt sich der Verdacht auf: Mit dem Kauf von Solar City will Musk die Gigafactory auslasten. Die Fabrik ist lange noch nicht fertig. Die Zellen werden aus Asien importiert, in Nevada werden sie dann zur Batterie zusammengesetzt. Ende 2016 soll die eigenständige Produktion anlaufen, 2020 die Fabrik ganz ausgebaut sein. Sie erscheint wie ein Sinnbild für Tesla: eine teure und ewige Baustelle.
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