Millionen-Rückrufe in den USA „Ein bedenkliches Qualitätsniveau“

Nach dem Zündschlossskandal mit Rekordrückrufen von 27 Millionen in 2014 erreichte General Motors in 2015 „nur“ auf eine Rückrufquote von 133 Prozent und liegt damit im oberen Drittel.
Düsseldorf „Läuft und läuft und läuft“: Dieser Werbeslogan steht in Deutschland für zeitlose Qualität und vor allem seltene Werkstattbesuche. Es ist ein Versprechen, das nur noch wenige Hersteller einlösen können. Das zeigt eine neue Studie des Center of Automotive Management (CAM) der FHDW Bergisch-Gladbach. Darin haben die Wissenschaftler die Rückrufe in den USA im vergangenen Jahr ausgewertet. Sie üben deutliche Kritik am Qualitätsmanagement der Konzerne.
Die USA gelten als Referenzmarkt für Rückrufe – hier werden sie besonders konsequent durchgeführt und dokumentiert. Und nach dem Rekordjahr 2014, in dem GM die Statistik durch seinen Zündschlossskandal anführte, erreichen die Rückrufe im Jahr 2015 den zweithöchsten Wert seit Beginn der Messungen.
Innerhalb von zwei Jahren sind nun 108 Millionen Fahrzeugen von Rückrufen betroffen. Die durchschnittliche Rückrufquote, also das Verhältnis reparierter und verkaufter Fahrzeuge, lag bei über 200 Prozent. Wie konnte das passieren?
„Wenn 13 von 16 untersuchten Herstellern im Jahr 2015 wegen sicherheitstechnischer Mängel mehr Fahrzeuge zurückrufen müssen, als diese im gleichen Zeitraum verkauft haben, ist das insgesamt ein bedenkliches Qualitätsniveau der Branche“, sagt Studienautor Stefan Bratzel. Für ihn sind die sicherheitsrelevanten Mängel nur die „Spitze des Eisbergs“. Hinzu kämen etliche stille Rückrufe oder auch Serviceaktionen, die in den offiziellen Zahlen nicht enthalten sind.
Auch die rund 600.000 manipulierten Dieselfahrzeuge, die VW in den USA verkauft hat, werden von der Statistik gar nicht erfasst. Abgase sind nicht sicherheitsrelevant. Das hat auch positive Folgen für die deutschen Hersteller. Sie landen im Branchenvergleich auf den hinteren Plätzen. Doch auch ohne den Dieselskandal übersteigen die Rückrufe bei BMW und VW die Zahl der verkauften Autos deutlich.
Während die Wolfsburger und ihre Premiumtochter Audi mit undichten Kraftstoffleitungen und Problemen mit der Bremsanlage zu kämpfen hatten, wurden bei der E-Klasse von Daimler lockere Gummidichtungen gefunden, die in den Motorraum gelangen und Feuer fangen können.
Doch Jahr 2015 waren es vor allem die fehlerhaften Airbags des japanischen Zulieferers Takata, die in den USA Millionenrückrufe auslösten. Ganz vorne in der Statistik landen darum vor allem asiatische Hersteller. Alleine Honda musste 2015 in den USA 10,7 Millionen Fahrzeuge zurück in die Werkstatt rufen, bei Toyota sind es 6,8 Millionen. Setzt man die Zahl der zurückgerufenen Autos ins Verhältnis zu den Verkäufen in den USA, landen auch Mitsubishi und Mazda ganz oben in der Statistik. Aber auch der italo-amerikanische Autobauer Fiat-Chrysler (FCA) ist vom Airbag-Desaster betroffen.
„Durch die Überprüfung des Airbag-Skandals wurde ein Dominoeffekt ausgelöst, weil der Insassenschutz noch detaillierter überprüft wurde“, sagt Stefan Bratzel. Dabei seien Prüfung weitere Mängel zum Vorschein gekommen. Mit 60 Prozent machen die problematischen Sicherheitssysteme für Insassen die überwiegende Mehrheit der Rückrufe aus.
Aber auch andere Bauteile mussten wegen sicherheitsrelevanter Probleme nachträglich repariert werden. Laut CAM war bei 14 Prozent aller Rückrufe die Elektronik betroffen. Qualitätsprobleme bei Antriebsstrang und Motoren sorgten für acht Prozent der Rückrufe. Der Rest entfiel auf Lenkung (4 Prozent), Karosserie und Bremsen (jeweils drei Prozent) und Fahrwerksprobleme (1,6 Prozent) und sonstige Bauteile (6 Prozent).