Mobilität Antrieb mit Brennstoffzelle: Sind Wasserstoffzüge zu teuer?

Der Alstom-Wasserstoffzug auf Testfahrt bei der Österreichischen Bundesbahn im Wiener Hauptbahnhof.
Düsseldorf Das „Wasserstoff-Zeitalter“ auf der Schiene hat noch gar nicht begonnen, schon gibt es Streit über die Frage, ob Triebwagen mit Brennstoffzellen-Antrieb überhaupt eine wirtschaftlich tragbare Technologie sind. Der Fall zeigt exemplarisch, dass Brennstoffzellen-Antriebe auf Schiene, Straße oder Wasser vorerst keine Patentlösung für emissionsfreien Verkehr sind.
Kurz vor dem Jahreswechsel verkündete die Deutsche Bahn gemeinsam mit Siemens „die „klimafreundliche Verkehrswende vorantreiben“ zu wollen. Die Unternehmen wollen einen von Siemens Mobility neu zu entwickelnden Wasserstoff-Regionalzug testen und dafür eine klimaneutrale Tanklogistik aufbauen.
Doch bevor der Siemens-Zug im Jahr 2024 wie geplant in den Probebetrieb gehen wird, ist eine heftige Diskussion unter Experten entbrannt, ob die Brennstoffzelle für den Eisenbahnverkehr überhaupt eine Alternative zum reinen Elektrotriebwagen sein kann. Ein neues Gutachten, das dem Handelsblatt vorliegt, versucht, Zweifel an der Wirtschaftlichkeit zu zerstreuen. Zweifel, die eine Studie im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums im vergangenen Jahr geweckt hatte.
Experten vom Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) waren zu dem Ergebnis gekommen, dass Brennstoffzellen-Triebwagen auf Nebenstrecken unwirtschaftlicher seien als alle Antriebsalternativen – von der Batterie bis zum Diesel.
Die Studie aus dem Sommer 2020 sorgt noch heute für erhebliche Aufregung – vor allem beim Siemens-Konkurrenten Alstom. Der französische Bahntechnikkonzern ist derzeit einziger Anbieter von Triebzügen mit Brennstoffzellantrieb. Die Erprobung der neuen Technik ist bereits abgeschlossen, über 40 Fahrzeuge des Typs iLint sind bestellt, und die Serienproduktion ist angelaufen.
Serienproduktion bei Alstom ist schon angelaufen
Verunsichert sind auch die Käufer in Deutschland, die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen und der Rhein-Main-Verkehrsverbund. In Österreich ist es die Staatsbahn ÖBB, die die Züge getestet hat. Und auch in Belgien wird man genau zuhören: Dort stehen nach Informationen aus der Industrie gerade wichtige Ausschreibungen für neue Regionalzüge an.
Alstom fürchtet um sein Geschäft. Das Unternehmen könne die Studie des VDE „nicht nachvollziehen“, versichert Jens Sprotte, Commercial Director bei Alstom in Deutschland. Die darin zugrunde liegenden Daten stimmten nicht mit den jahrelangen umfangreichen Erfahrungen aus dem Wasserstoff-Praxisbetrieb überein.
Das französische Unternehmen hat daher ein Gegengutachten in Auftrag gegeben. Das kommt zu anderen Ergebnissen als der VDE. Das Institut für Bahntechnik (IFB) hält Wasserstoff- und Batterietechnologie für „nahezu gleichwertig“. IFB-Studienleiter Arnd Stephan kritisiert, dass die VDE-Berechnung auf zu starken Vereinfachungen basiere. Die Kosten für Wasserstofftechnologie seien teilweise zu hoch, die für Batteriezüge zu niedrig angesetzt worden.
In der VDE-Studie heißt es, dass Batterietriebzüge „wesentlich wirtschaftlicher“ sind als Brennstoffzellen angetriebene Fahrzeuge. Den Vorteil errechnete Studienautor Wolfgang Klebsch auf bis zu 59 Millionen Euro in 30 Jahren. Drei Jahrzehnte sind die übliche Nutzungsdauer von Eisenbahnfahrzeugen.
VDE: Batterien „signifikant“ wirtschaftlicher als Brennstoffzelle
Die Wirtschaftlichkeit von batteriebetriebenen Zügen sei „signifikant höher als die von wasserstoffbetriebenen“, heißt es in der VDE-Studie. Brennstoffzellenzüge seien in Anschaffung, Betrieb, Wartung um bis zu 35 Prozent teurer als der Batteriezug. „Egal, wie man es auch dreht oder wendet. Das Batteriekonzept bleibt immer vorn“, meint Klebsch.
Das IFB geht vor allem für Batterien beziehungsweise Brennstoffzellen von vollständig anderen Zahlen aus. Im Gesamtkostenvergleich schmilzt der vom VDE berechnete Vorteil dahin: Ein Batteriezug kommt laut IFB auf 412 Millionen Euro bei 30-jähriger Nutzung, ein Brennstoffzellenzug auf 422 Millionen Euro Kapitalkosten.
Nur in einem Punkt scheinen sich die Experten im Streit über die Wasserstoffbahn schon nähergekommen zu sein. Alstom wie IFB bezweifeln die Übertragbarkeit der VDE-Studie, in der Modellrechnungen allein für das regionale Dürener Netz angestellt wurden. Eine „Verallgemeinerung der Ergebnisse ist nicht zulässig“, sagt das IFB. Dem stimmt der VDE-Studienchef Klebsch auf Nachfrage zu.
Für den Verkehrssektor ist die Wirtschaftlichkeit der Antriebe entscheidend. Denn viele Diesel- und Benzinantriebe müssen in den nächsten Jahren durch klimafreundlichere Technik ersetzt werden, um CO2-Emissionen zu senken und einen Betrag zur Erreichung der Klimaziele zu leisten. Um die Frage, welche Technologie nun die richtige ist, herrscht allerdings erbitterter Streit der Fachleute – nicht nur auf der Schiene.
Alstom revolutioniert den Bahnverkehr
Auch im Schwerlastverkehr, der Logistik und bei Autos sucht die Branche nach Alternativen zu fossilen Brennstoffen. Während die einen die Elektromobilität mit Hochvoltbatterien bevorzugen, setzen andere auf Wasserstoff oder den Einsatz synthetischer Kraftstoffe und Biofuels. Moderne Hochvoltbatterien sind der Brennstoffzelle mittlerweile zwar preislich voraus, allerdings auch weiterhin nicht die ideale Lösung für alle Transportmittel.
Batteriebetriebene Elektroautos und Lkws müssen ihren Strom in schweren Akkus speichern und dafür häufig lange Ladezeiten in Kauf nehmen, Brennstoffzellen-Fahrzeuge haben ihr eigenes kleines Stromkraftwerk immer dabei und können im Idealfall innerhalb von Minuten auftanken.
IFB: Studienergebnisse nicht auf andere Netze übertragbar
Und auch in Sachen Preis will die Brennstoffzelle aufholen. Dann nämlich, wenn Hyundai, Toyota und andere Hersteller mit der Technologie in die Massenproduktion einsteigen. Bei einer Produktion von 100.000 Stück pro Jahr, schätzen Experten, werde die Brennstoffzelle nur noch ein Zehntel des heutigen Preises kosten. Die Kosten der Zellen sind der entscheidende Streitpunkt zwischen VDE und IFB.
Aber auch die Reichweite der Batterien steigt mit der Entwicklung. Einen Vorteil hat sie ohnehin schon heute: Sie ist deutlich effizienter. Sinnvoll ist der Einsatz elektrischer Energie ohne Umwandlungsverluste – also im direkten Gebrauch. Hier hat die Batterie klar die Nase vorn. Bis zu 80 Prozent der eingesetzten Energie kommen ohne Umwege auf die Straße.
Beim Einsatz von Wasserstoff über die Brennstoffzelle wird doppelt bis dreimal so viel Strom für die gleiche Strecke gebraucht. Schließlich muss die Energie erst in Wasserstoff umgewandelt werden, der in der Brennstoffzelle wieder in elektrische Energie für den Antrieb transformiert wird. Auch abseits der Schiene scheint die Antriebsfrage damit noch nicht entschieden.
Mehr: Daimler und Volvo gründen Gemeinschaftsfirma für Brennstoffzellen
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
Unser Stromnetz ist bereits vom gesamtgesellschaftlichen Energiehunger überlastet. (...) Beitrag von der Redaktion editiert. Bitte achten Sie auf unsere Netiquette: Kommentare sind keine Werbeflächen. https://www.handelsblatt.com/netiquette
Jetzt stellen wir uns mal folgendes vor. Der Batteriezug war den ganzen Tag im Einsatz und soll nachts mit grünem Strom betankt werden. Der Strom aus Windkraft reicht gerade für die Haushalte und Fabriken. Wie sieht es dann mit dem Wirkungsgrad aus?