Mobilitätsdienste Daimler und BMW beerdigen still und heimlich die E-Scooter-Marke Hive

Der Dienst ist von Free Now mehr oder minder heimlich eingestellt worden.
München Expandieren trotz Coronakrise – so lautete teils noch im Sommer 2020 die Devise bei Free Now (früher Mytaxi). Jedenfalls forcierte der Mobilitätsanbieter im Besitz der beiden Autobauer Daimler und BMW vor sieben Monaten den Ausbau seiner eigenen E-Scooter-Flotte unter der Marke „Hive“. Im vergangenen August rollten die ersten 1000 elektrischen Hive-Tretroller nach Hamburg.
Intern war man zuversichtlich, mit den Scootern auch in Deutschland punkten zu können. Zuvor war Hive nur in Portugal, Polen und Italien breiter aktiv. „Wir werden in den nächsten Monaten umfangreiche Learnings sammeln und uns dann weitere deutsche Städte für einen Marktstart ansehen“, bekundete damals Alexander Mönch, General Manager von Free Now in Deutschland.
Doch die „Learnings“ fielen scheinbar anders aus als erhofft. Hive ist zum Jahresende 2020 sang- und klanglos eingestellt worden. Das geht aus dem Jahresabschluss der Intelligent Apps GmbH (Free Now) hervor, der seit Kurzem im „Bundesanzeiger“ abrufbar ist. Demnach entschied das Management des Unternehmens bereits im September vergangenen Jahres, den Geschäftszweig „Hive“ gänzlich aufzugeben.
Der Grund: Free Now will sich künftig die hohen Investitionen in Hardware und Logistik sparen, die beim Betrieb einer eigenen E-Scooter-Flotte fällig werden. „Wir setzen auf eine Asset-light-Plattform“, bestätigte eine Firmensprecherin die neue Strategie.
Free Now will keine eigenen Mobility-Assets mehr in der Bilanz haben und konzentriert sich folglich ausschließlich auf die digitale Vermittlung von Taxis, Mietwagen, elektrischen Tretrollern und anderen Fahrzeugen. Dafür bauen die Hamburger ihre Zusammenarbeit mit Drittanbietern aus.
Über die App von Free Now können beispielsweise seit Neustem auch E-Scooter und E-Mopeds von Tier gebucht werden. Zudem kooperiert die Firma schon länger mit dem Tretrollerverleiher Voi, dem E-Bike-Anbieter Bond und dem Carsharing-Dienst Miles. „2021 werden wir die Anzahl der Multi-Mobilitäts-Partner noch einmal verdoppeln und rechnen damit, die Touren zu verzehnfachen“, kündigt Free Now auf Anfrage an.
Gleichwohl wurde der Mitfahrdienst von der Pandemie hart getroffen. Die Interaktionen der gut 46 Millionen Nutzer in der App gingen 2020 im Vergleich zu 2019 um 44 Prozent zurück. Free Now muss sparen. Von den einst mehr als 2100 Mitarbeitern müssen Dutzende gehen. Insgesamt wurde ein Personalabbau im „unteren dreistelligen Bereich“ beschlossen.
Hohe Verluste und Abschreibungen
2019 summierten sich die Verluste bei Free Now auf rund 379 Millionen Euro. Für 2020 erwartet das Unternehmen ein „leicht verbessertes, wenn auch erneut deutlich negatives Jahresergebnis“. Allein aufgrund der Einstellung der E-Scooter-Marke Hive müssen zehn Millionen Euro abgeschrieben werden. Die Auswirkungen der Coronakrise werde die Gesellschaft genauso wie alle anderen Mobilitätsdienstleister bei Wachstum und Umsatz voraussichtlich noch bis ins Jahr 2022 hinein spüren, heißt es im Jahresabschluss.
Free Now gilt als das Herzstück der fünf Mobilitätsfirmen, die Daimler und BMW seit Anfang 2019 gemeinsam unter der Your Now Holding betreiben. Die Dienste waren mit großen Hoffnungen und ausgestattet mit einer Milliarde Euro gestartet. Das hehre Ziel lautete, einen internationalen „Gamechanger“ für die Mobilität von morgen zu kreieren. „The sky is the limit“ – nur der Himmel gebe die Grenzen der Partnerschaft vor, tönten einst die Manager in den Mutterhäusern.
Doch mittlerweile verlieren die Autobauer zunehmend die Lust daran, die verlustreichen Einheiten weiter zu alimentieren. Die Parkplatz-App „Park Now“ wollen die süddeutschen Premiumhersteller daher an den schwedischen Konkurrenten Easypark verkaufen, das Carsharing-Geschäft wurde bereits zurechtgestutzt und muss sich für weiteres Wachstum Geld bei Partnern besorgen. Auch Free Now sucht nach „neuen Finanzierungsmodellen“.
Ein Verkauf des Chauffeurdienstes an den US-Rivalen Uber ist zwar vorerst vom Tisch. „Free Now ist unser einziger wirklicher Trumpf bei Mobilitätsdiensten“, sagt ein Daimler-Veteran. Um zumindest in Europa zum unangefochtenen Branchenchampion zu werden, müsse man aber in den kommenden Jahren weiter sehr viel Geld investieren, so der Manager. Allein wollen Daimler und BMW diese Kostenlast nicht dauerhaft tragen, die Konzerne suchen daher explizit nach weiteren Investoren.
Unabhängig davon, wie erfolgreich diese Suche verläuft, ist aber klar: Perspektivisch müssen bei Free Now die Cashflows positiv werden – „sonst werden wir reagieren“, ließ Daimler-Chef Ola Källenius die Tochter bereits im vergangenen Jahr wissen. Die Einstellung von Hive ist dabei ein erster kleiner Schritt – mehr aber auch nicht.
Mehr: Ausverkauf bei Mobilitäts-Apps: BMW und Daimler trennen sich von Park Now.
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