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Bewaffneter Polizist in Rio de Janeiro

Brasilien ist nach Schätzungen des Forschungsprojektes Small Arms Survey in Genf die Nummer sechs weltweit gemessen an dem Waffenarsenal, über das dort Bürger, Polizei und Militärs verfügen.

(Foto: Reuters)

Monopol vor dem Fall Europäische Waffenhersteller drängen nach Brasilien

Das Land ist einer der größten Märkte und Exporteure für Waffen weltweit. Europäische Hersteller wollen jetzt das Monopol dort knacken.
04.08.2018 - 17:56 Uhr Kommentieren

Salvador Internationale Waffenhersteller wittern Morgenluft in Brasilien. Der tschechische Hersteller CZ sowie Glock aus Österreich haben Anträge beim Militär und der Regierung gestellt, um in Brasilien eigene Werke zu errichten. Auch der Konkurrent Caracal aus den Vereinigten Arabischen Emiraten überlegt, eine Fabrik zu bauen, berichtet die Wirtschaftszeitung „Valor Econômico“.

Vorreiter unter den ausländischen Herstellern ist die Schweizer Ruag, die im September vergangenen Jahres ihren Antrag für eine Munitionsfabrik in Brasilien genehmigt bekam. Dieser positive Entscheid für das Staatsunternehmen aus Bern hat in der Branche weltweit für Aufmerksamkeit gesorgt: Denn damit könnte erstmals seit 90 Jahren das Monopol brasilianischer Hersteller fallen.

Bisher dominieren der brasilianische Waffenhersteller Taurus gemeinsam mit dem Munitionsproduzenten Companhia de Cartuchos (CBC), sowie das dem Verteidigungsministerium unterstellte, kleinere Unternehmen Imbel den Markt in und die Exporte aus Brasilien. Für internationale Waffenhersteller ist Brasilien verschlossen – und deshalb umso attraktiver.

Brasilien ist nach Schätzungen des Forschungsprojektes Small Arms Survey in Genf die Nummer sechs weltweit gemessen an dem Waffenarsenal, über das dort Bürger, Polizei und Militärs verfügen. Small Arms Survey schätzt den Bestand auf 17,5 Millionen Waffen. Gleichzeitig ist Brasilien aber auch die Nummer drei weltweit unter den Exporteuren für Handfeuerwaffen, nach den USA und Italien.

Für die USA ist Brasilien nach Österreich sogar der zweitwichtigste ausländische Lieferant von Waffen. Ein Zehntel der Waffenausfuhren weltweit stammt von brasilianischen Unternehmen, schätzt Small Arms. Doch die Daten sind schwer zu belegen: Nach der Untersuchung des Genfer Thinktanks zählt Brasilien zu den am wenigsten transparenten Waffenlieferanten weltweit.

Zwar ist Brasilien dem internationalen Vertrag über den Waffenhandel (ATT) beigetreten, welcher den internationalen Handel mit konventionellen Waffen regeln soll. Doch der Kongress hat das Abkommen nie abgesegnet.

Rechtskandidat Bolsonaro will offene Grenzen für Waffen

Daran dürfte sich so bald nichts ändern: Die Waffenlobby in Brasilien bekommt gerade Rückenwind durch den politischen Rechtsruck, den das Land seit zwei Jahren erlebt. So wurden die strikten Waffengesetze, die dort seit dem Gesetz zur Entwaffnung von 2003 herrschen, über die Jahre Schritt für Schritt aufgeweicht.

Zwar ist es für Zivilpersonen in Brasilien seitdem nur sehr eingeschränkt möglich, Waffen zu kaufen. Doch bereits vor zwei Jahren bekamen Sportschützen, Jäger und Waffensammler erleichterten Zugang. Im Verteidigungsministerium ist bereits eine neue Regulierung vorbereitet, wonach Brasiliens Militärs künftig unbeschränkt Waffen und Munition importieren können.

Der Rechtskandidat Jair Bolsonaro, Hauptmann der Reserve, der in den Umfragen zu den Präsidentschaftswahlen im Oktober gute Chancen auf einen Sieg hat, fordert seit langem liberale Waffengesetze und offene Grenzen für Waffenimporte. Seine Anhänger feiern den Politiker für den Standpunkt, dass jeder Brasilianer das Recht auf eine eigene Waffe habe. „Wenn ich Präsident werde, fällt das letzte Monopol Brasiliens“, verkündet Bolsonaro gerne vollmundig.

Gemeint ist damit vor allem das Unternehmenskonglomerat aus dem Munitionshersteller CBC und dem Pistolenproduzenten Taurus. Seit 2014 kontrolliert der CBC die Waffenschmiede Taurus. Über die Eigentumsverhältnisse ist wenig bekannt. Die Unternehmen lehnen seit Jahren Interviews ab.

CBC hat 2007 den deutschen Hersteller MEN Metallwerk Elisenhütte GmbH sowie den tschechischen Konkurrenten Sellier & Bellot in Prag übernommen. Der Konzern soll angeblich 70 Prozent seiner Produktion exportieren. Taurus-Pistolen dagegen waren lange beliebt in den USA. Sie gelten als Waffen mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis.

Politik muss über Ruag-Investitionen entscheiden

In Brasilien dagegen kritisieren die Militärs und der Teil der Waffenlobby, der eine Marktöffnung betreibt, dass die Qualität der Taurus-Waffen miserabel sei und das Unternehmen sie zudem weit teurer als im Ausland anbiete. Auch Maria Vasconcelos, Landeschef der Schweizer Ruag in Brasilien argumentiert, dass es ihr mit dem Markteintritt des Munitionsherstellers vor allem darum gehe, das bestehende Monopol auszuhebeln. „Wir bieten bessere Qualität, Lieferzeiten und Preise“, sagt sie.

Nach Veröffentlichungen in den brasilianischen Medien plant die Ruag in Pernambuco im Nordosten Brasiliens, eine Munitionsfabrik zu errichten, eine Investition von 140 Millionen Dollar. Auf Anfrage erklärt das Unternehmen dagegen, dass ein Entscheid, ob, wie und wann die Pläne umgesetzt werden noch nicht gefallen sei. Im Schweizer Parlament laufen eine förmliche Anfrage und eine Motion zum geplanten Fabrikbau in Brasilien. „Das Geschäft liegt nun also auf politischer Stufe und muss dort erst abgeschlossen werden“, erklärt eine Sprecherin von Ruag.

Dem Verteidigungsministerium der Schweiz dürfte es nicht leichtfallen, die Öffentlichkeit in der Schweiz davon zu überzeugen, dass die staatliche Ruag in Brasilien eine Munitionsfabrik errichten soll. Das liegt einerseits an der Intransparenz der Waffenexporte von Brasilien, wie von Small Arms kritisiert.

Andererseits ist Brasilien das Land mit der höchsten Mordrate weltweit. Rund 60.000 Menschen wurden dort letztes Jahr ermordet, der Großteil mit Feuerwaffen. Dort leben knapp drei Prozent der Weltbevölkerung, aber zehn Prozent der Morde weltweit geschehen dort. Trotz der – noch – insgesamt strengen Waffengesetze wirkt der Waffenmarkt unkontrolliert.

Symptomatisch dafür ist der Mord an der Stadtabgeordneten Marielle Franco in Rio de Janeiro im März dieses Jahres: Benutzt wurde dabei – so die Polizeiermittlungen – Munition aus Armeebeständen, welche von CBC ans Militär geliefert wurde. Gefeuert wurde die tödlichen Patronen vermutlich aus einer Heckler & Koch MP5 Maschinenpistole, die in Brasilien nur per Einzelgenehmigung vom Militär gekauft werden darf.

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