Monsanto-Übernahme: Das sind die größten Risiken für Bayer
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Monsanto-ÜbernahmeDas sind die größten Risiken für Bayer
Folgen für den Aktienkurs, die Frage der Finanzierung, unklare Strategie, Gefährdung der Marke – was die wichtigsten Themen sind, die einen Monsanto-Kauf für Bayer zum Risiko machen würden.
Das Unternehmen wird an der Börse derzeit mit etwa 37 Milliarden Euro bewertet.
(Foto: AP)
Risiko 1: Deutliche Kursverluste
Bei den Bayer-Aktionären kam die Nachricht von der anvisierten Übernahme Monsantos nicht gut an. Am Donnerstag trennten sich viele von ihren Papieren und bescherten dem Unternehmen einen Kursverlust von zeitweise rund zehn Prozent. Damit kostete eine Bayer-Aktie kaum mehr als 87 Euro – der tiefste Stand seit zweieinhalb Jahren. Für das Leverkusener Unternehmen wäre die Übernahme kein Klacks. Den Analysten der Baader Bank zufolge bräuchte Bayer für den Deal eine Kapitalerhöhung. Langfristig sei eine Übernahme des US-Saatgutkonzerns strategisch sinnvoll, urteilte Analyst Jacob Thrane und ließ seine Bewertung auf „halten“ mit einem Kursziel von 142 Euro. Weil Bayer noch keine Details bekanntgegeben habe, dürfte die Aktie kurzfristig aber unter Druck bleiben.
Monsanto wird an der Börse derzeit mit gut 42 Milliarden Dollar (etwa 37 Milliarden Euro) bewertet. Der Firmenwert von Bayer hat seit den ersten Gerüchten über die Kauflust des Konzerns stark gelitten. Bayer war am Donnerstag noch 72,1 Milliarden Euro wert – der Titel des wertvollsten Dax-Unternehmens ist mittlerweile verloren gegangen. An der Spitze nach Börsenwert liegt jetzt SAP (84,4 Milliarden Euro) vor Siemens (78,9 Milliarden Euro) und der Telekom (72,8 Milliarden), auf Platz vier folgt Bayer. Der Kursverlust hat auch großen Einfluss auf den Dax. Dieser setzt sich zwar aus Papieren von 30 Unternehmen zusammen, Bayer hat aber eine hohe Gewichtung von aktuell 9,83 Prozent: Wenn der Pharma-Riese verliert, verliert auch der Dax deutlich.
Risiko 2: Hohe Verschuldung
Die Finanzierung einer Monsanto-Übernahme wäre zweifellos eine der größten Herausforderungen für Bayer. Denn der Leverkusener Konzern hat seinen letzten großen Deal, den rund elf Milliarden Euro teuren Kauf der Consumer-Health-Sparte von Merck & Co, bisher noch nicht voll verdaut.
Per Ende März wies er noch eine Nettofinanzverschuldung von gut 16 Milliarden aus. Um Monsanto an den Verhandlungstisch zu bringen, wird er nach Schätzung von Fachleuten um die 60 Milliarden Euro für den US-Konzern bieten müssen, umgerechnet etwa 52 Milliarden Euro. Bei einer kompletten Fremdfinanzierung würde die Verschuldung theoretisch also auf Werte von 65 bis 70 Milliarden Euro steigen – ein Niveau, das auch angesichts der derzeit sehr niedrigen Zinsen als zu hoch und riskant für Bayer erscheint.
Denn eine schnelle Tilgung aus dem Cashflow heraus erscheint auch für Bayer kaum möglich.
Beide Konzerne zusammen erwirtschafteten zuletzt einen Free Cashflow (nach Sachinvestitionen) von etwa 5,6 Milliarden Euro, wovon Bayer allerdings gut zwei Milliarden Euro für die Dividende benötigt. Das heißt, für die Schuldentilgung würden nur rund 3,6 Milliarden bleiben. Ein Deal mit Monsanto würde den Konzern daher wohl zu einer sehr kräftigen Kapitalerhöhung und über die ohnehin geplante Trennung von Covestro hinaus zu weiteren Veräußerungen zwingen, die wiederum das Gesundheitsgeschäft schwächen.
Der Saatgutkonzern Monsanto
Der US-amerikanische Konzern Monsanto ist einer der weltgrößten Hersteller von – oft auch gentechnisch verändertem – Saatgut sowie Unkrautbekämpfungsmitteln.
Das Unternehmen mit Hauptsitz in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri gehört zu den 500 größten börsennotierten in den USA und setzte zuletzt rund 15 Milliarden US-Dollar (gut 13 Mrd. Euro) um. Dabei erzielte Monsanto einen Überschuss von 2,3 Milliarden Dollar.
Weltweit beschäftigt das Unternehmen nach eigenen Angaben knapp 21.200 Menschen, fast die Hälfte davon in den USA. Der Saatgutkonzern ist in 66 Ländern vertreten – auch in Deutschland.
Monsanto bezeichnet eine nachhaltige Landwirtschaft als „Kernanliegen“, wird jedoch weltweit von Umweltschutzorganisationen unter anderem für die Herstellung von gentechnisch veränderten Saatgut heftig kritisiert.
Quelle: dpa
Risiko 3: Unklare Strategie
Eine Übernahme von Monsanto ist für Bayer strategisch zwar verlockend. Denn sie passt im Prinzip in die Life-Science-Strategie des Konzerns, und Gelegenheiten für große Akquisitionen im Agrobereich bieten sich nur selten. Dennoch birgt sie auch strategische Risiken.
Zum einen ist schwer abzusehen, wie stark sich das Agrochemiegeschäft wirklich entwickelt. Derzeit durchläuft es eine Schwächephase, die auch den US-Konzern Monsanto deutlich trifft. Angesichts sinkender Erträge könnte es schwierig werden, die hohen Synergien aus einem Zusammenschluss herauszuholen, die erforderlich sind, um einen Kaufpreis von womöglich mehr als 50 Milliarden Euro zu rechtfertigen. Ein Risiko birgt insbesondere auch das umfangreiche Geschäft von Monsanto mit dem Herbizid Glyphosat, das womöglich in Europa keine weitere Zulassung mehr erhält.
Zum anderen verlagert sich das Gewicht des Konzerns im Falle einer Monsanto-Übernahme so massiv in Richtung Agrochemie, dass sich längerfristig die Frage nach der Zukunft von Pharma stellen könnte. Einschließlich Monsanto würde die Agrosparte immerhin mehr Umsatz erzielen als Pharma und Consumer-Health zusammen. Und finanziell hätte Bayer wohl auf Jahre hinaus keinen Spielraum mehr, das Pharmageschäft und die Forschung auf dem Gebiet durch ergänzende Zukäufe oder Allianzen zu stärken. Ein Aufstieg unter die Top 10 der Branche würde in weite Ferne rücken.
Risiko 4: Gefährdung der Marke
Monsanto ist der Lieblingsfeind der Gentechnik-Gegner. Zum einen stellt der Agrarkonzern Genmais und das Unkrautvernichtungsmittel Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat her. Zum anderen legt Monsanto harte Bandagen an, wenn es ums Geschäft geht. Das Unternehmen züchtet genveränderte Pflanzensorten, die als unempfindlich und ertragreich gelten. Landwirte, die das Saatgut gekauft haben, dürfen die patentrechtlich geschützten Pflanzensorten nicht nachzüchten, sondern müssen sie immer wieder aufs Neue kaufen. Für die Umweltschützer von Greenpeace ist daher klar: Monsanto will die globale Landwirtschaft unter seine Kontrolle bringen. Dagegen wirkt der Leverkusener Chemiekonzern Bayer mit seinem Slogan „Science for a better Life“ geradezu unbescholten.
Auch Markenexperten sehen eine Kluft in der Akzeptanz beider Marken. „Der angestrebte Deal zeigt, dass Markenüberlegungen mit Blick auf Konsumenten bei Fusionen und Übernahmen meist nur eine nachrangige Rolle spielen“, meint Torben Bo Hansen, Chef der Werbeagentur Philipp und Keuntje. Wenn es um Skaleneffekte und Steueroptimierungen gehe, würden Markenrisiken rasch heruntergespielt werden, meint Hansen. Aber er warnt: „Hier wird massiv unterschätzt, wie schnell Vertrauen zerrüttet ist.“ Die „soziale Verkehrsfähigkeit von Marken“ werde in Zukunft dramatisch wichtiger. Themen wie Glyphosat könnten eine erhebliche Belastung darstellen.