Monsanto-Übernahmepläne Bayer-Aktionäre müssen draußen bleiben

Milliardengeschäft für Konzerne.
Düsseldorf/Frankfurt Es ist die größte Übernahme, die je ein deutsches Unternehmen in Angriff genommen hat: Umgerechnet 58 Milliarden Euro bietet Bayer mittlerweile für den US-Saatguthersteller Monsanto. Binnen weniger Tage im Mai haben Vorstand und Aufsichtsrat der Megaofferte einstimmig zugestimmt. Ein Votum der Aktionäre dagegen hält Bayer-Chef Werner Baumann nicht für nötig. Die Transaktion bedürfe keiner weiteren Zustimmung von Bayer-Seite, unterstrich er im Gespräch mit Analysten Ende Mai.
Das hat einige Investoren aufgebracht – allen voran Asim Rahman, Fondsmanager bei Henderson Global Investors. Er fordert in einem Brief an Bayer-Aufsichtsratschef Werner Wenning die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung (HV). Dort sollen die Anteilseigner über den Monsanto-Kauf abstimmen. Auch der renommierte deutsche Corporate-Governance-Experte Christian Strenger rät Bayer dazu.
Juristen hingegen sehen dafür keine Chance. Der Bayer-Vorstand würde sogar fahrlässig handeln, sollte er die Aktionäre ohne Not in einer HV zu dem Deal befragen, argumentiert der prominente Gesellschaftsrechtler Ralph Wollburg im Gespräch mit dem Handelsblatt. Er ist Partner und Co-Head of Global M&A bei Linklaters. Die Kanzlei hat Bayer als Kunden, berät den Konzern aber nach eigenen Angaben nicht bei der Übernahme von Monsanto.
Grundsätzlich ist die Rechtslage eindeutig: „Das deutsche Aktienrecht sagt klar, dass die Kompetenz zur Geschäftsführung beim Vorstand liegt.“ Das gilt auch für sehr große Transaktionen. Wollburg verweist dabei auf eine Entscheidung des OLG Frankfurt zur Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank, die das ausdrücklich bestätigte, wenn in der Satzung als Unternehmenszweck auch der Kauf von Beteiligungen vorgesehen ist, was auch bei Bayer der Fall ist.
Die Forderungen an das Bayer-Management sind daher eher als Appell zu verstehen, denn einklagbar ist die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung nicht. Henderson-Manager Rahman hält dies für notwendig, weil er einen dauerhaften Wertverlust fürchtet. Corporate-Governance-Experte Strenger verweist auf die finanzielle, regulatorische und umweltrelevante Tragweite der Bayer-Pläne. Bayer-Vorstand und -Aufsichtsrat sollten sich für diesen Megadeal der Mehrheitsmeinung ihrer Anteilseigner vergewissern, sagte Strenger dem Handelsblatt.
Strenger begründet dies mit dem Rechtsprinzip des „Business Judgement Rule“. Danach müssen sich Vorstand und Aufsichtsrat ein umfassendes und vollständiges Bild über potenzielle Auswirkungen und Risiken einer Akquisition machen. Nur so können sie sich der Haftungsfrage entziehen. Angesichts der massiven Kritik von Investoren sollte der Bayer-Aufsichtsrat eine erneute Überprüfung seines Entscheids veranlassen. Strenger: „Die Aufsichtsräte dürften sich wohler fühlen, den Aktionärswillen durch ein HV-Votum bestätigt zu sehen.“
Doch diesen freiwilligen Schritt wird Bayer nicht machen. Grund sind mögliche Anfechtungsklagen. Jeder einzelne Aktionär kann jeden Hauptversammlungsbeschluss anfechten. Es folgen meist langwierige Prozesse. „Der daraus resultierende Schwebezustand ist der Transaktionssicherheit in jeder Hinsicht abträglich“, sagt Linklaters-Partner Wollburg. „Das kann sich weder der Käufer noch der Verkäufer leisten.“ Der Bayer-Vorstand würde Risiken eingehen, die er eigentlich nicht tragen und verantworten könne.
Für angelsächsische Investoren ist die Situation in Deutschland nur schwer nachzuvollziehen. Wäre Bayer eine britische Firma, müsste sie sich eine solche Übernahme auf einer HV absegnen lassen. Der feine Unterschied: Anfechtungsklagen wie in Deutschland sind in Großbritannien nicht möglich.
Der deutsche Gesetzgeber hat in den zurückliegenden Jahren die aufschiebende Wirkung von Anfechtungsklagen zwar teilweise eingeschränkt. Aus Wollburgs Sicht ändert dies aber nichts an der Grundproblematik. „Es gibt signifikante Verbesserungen bei einzelnen konkreten Transaktionen wie Verschmelzungen oder Spaltungen. Aber das gilt bei weitem nicht für alle HV-Beschlüsse und jedenfalls nicht für Geschäftsführungsmaßnahmen, wie die Entscheidung über eine Akquisition, die der Vorstand der Hauptversammlung zur Entscheidung vorlegt.“
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